Bei der Vorstellung des Katalogs im Bistro Vinterra.
Johanna Platzgummer
Alexander Holzner
Erich Höchenberger

Wer fragt schon den Hirten?

Katalog zur Ausstellung „Gras und Zähne“ vorgestellt. 

Publiziert in 10 / 2025 - Erschienen am 20. Mai 2025

Mals - Noch bis zum 12. Oktober kann im Naturmuseum in Bozen die Ausstellung „Gras und Zähne - al pascolo - may safely graze“ besichtigt werden. Der Katalog zur Ausstellung, herausgebracht vom Naturmuseum Südtirol mit Unterstützung von „BUND Naturschutz in Bayern“ im Rahmen des  EU-Projekts LIFEstockProtect, trägt ebenso ein starke Vinschger Handschrift wie die Ausstellung selbst. Eine ganze Reihe von Vinschgern und Vinschgerinnen sowie auch Personen aus anderen Landesteilen, die sich auf unterschiedliche Art an der Ausstellung beteiligt bzw. beim Erstellen des Katalogs mitgewirkt hatten, konnte die Schlanderserin Johanna Platzgummer vom Naturmuseum am 10. Mai zur Katalog-Vorstellung im Bistro Vinterra in Mals willkommen heißen.

Die Tradition des Hirtenwesens

Der rund 200 Seiten umfassende, reich bebilderte Katalog führt in die tief verwurzelte Tradition des Hirtenwesens im Vinschgau, in den Alpen und darüber hinaus ein. Zur Ausstellung schreibt Projektleiter Max A. E. Rossberg (LIFEstockProject) im Katalog, dass sie ein Aufruf sei, „das Erbe derer, die vor uns kamen, zu schätzen, zu respektieren und fortzuführen. Sorgen wir dafür, dass die Weidewirtschaft sicher und nachhaltig bleibt.“ Die Interviews, die Johanna Platzgummer im Laufe mehrerer Jahre mit Hirtinnen und Hirten geführt hat, bilden einen der Schwerpunkte des Katalogs. Thematisiert werden nicht nur die geschichtlichen Entwicklungen der Weidewirtschaft und deren frühere und heutige Bedeutung, sondern auch aktuelle Herausforderungen, wie es zum Beispiel angesichts des Wiederauftretens von Wolf und Bär der Herdenschutz ist. „Wenn Schafe frei laufen und es keine Zäune gibt, nutzen Herdenschutzhunde nichts“, führte Erich Höchenberger aus Taufers im Münstertal aus, der im Rahmen der Katalog-Vorstellung unter dem Motto „Wer fragt schon den Hirten?“ über seine Erfahrungen als Hirte sprach. 

Die Alm als „Therapieplatz“

Erich Höchenberger ist gelernter Tischler und sozusagen nebenbei als Hirte tätig, „weil mir diese Arbeit sei jeher gefällt und die Alm mein ‚Therapieplatz‘ ist, mein Ausgleich zur Arbeit.“ Auf der Alm Krippaland in Taufers setzte er Herdenschutzmaßnahmen um, 2022 kamen Schutzhunde dazu. „Bevor die Wölfe und Bären auftauchten, wussten alle, dass im Herbst mit Verlusten von Weidetieren zu rechnen ist.“ Dies sagt Josef Ortler, der 20 Jahre lang Almmeister der Alminteressentschaft Stilfser Alm war, im Interview mit Johanna Platzgummer. Laut Ortler wisse man, „dass Herdenschutz machbar wäre, man will sich aber das Geld sparen, um es anderswo auszugeben. Wir Schafbauern sind in der Landwirtschaft ja nicht wichtig. Die Landesregierung und die Verwaltung sagen uns vom Schreibtisch aus, dass es nicht möglich ist, was wir machen. Oder haben sie von Tutn und Blasn koa Ahnung?“ 

Mobile Weideschlachtung

Zur Katalogvorstellung ist u.a. auch der Metzgermeister Alexander Holzner aus Lana gekommen, der seit mehreren Jahren die mobile, stressfreie Schlachtung anbietet und sich in einem Kurzreferat für einen weiteren Ausbau der Weideschlachtung aussprach. Im Katalog – die Texte wurden teilweise auch in die italienische und englische Sprache übersetzt – kommen nicht nur Hirtinnen und Hirten aus dem Vinschgau und weiteren Landesteilen zu Wort, sondern auch aus Bayern und Österreich. Angereichert wird das Buch zudem mit Beiträgen von Fachleuten über die Rahmenbedingungen, die Organisation und Finanzierung sowie über die Zukunftsfähigkeit der Weidetierhaltung. Für das Konzept, die Recherchen und weitere Arbeiten für die Herausgabe des Katalogs zeichnete maßgeblich Johanna Platzgummer verantwortlich. Dasselbe gilt für die Ausstellung im Naturmusuem, bei welcher u.a. auch Architekt Thomas Hickmann (Kortsch), der Kortscher Tischler Jürgen Gemassmer, Irmgard Gurschler aus Kastelbell (Flechtarbeiten), der Hirte Erich Höchenberger (Videos), Peter Grutsch aus Stilfs (Filme zur Almsennerei und dem Schafzug) und weitere Vinschger und Vinschgerinnen beigetragen hatten. Die Ausstellung zeigt unterschiedliche Entwicklungsetappen der Weidegeschichte von den Ursprüngen bis zur aktuellen Debatte um Weidetiere und Wölfe. An der Katalog-Vorstellung nahmen neben Mitwirkenden auch Personen teil, die sich für Themen wie Hirten, Beweidung und Kulturgeschichte der Landschaft interessieren. 

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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