In den Alpen gibt es rund 6.000 Schmetterlingsarten. In Südtirol sind es über 3.000, im Vinschgau mehr als 1.500. Stark verbreitet in Trockenrasengebieten im Obervinschgau sind die extrem pestizidempfindlichen Widderchen.
Die Verbuschung und fehlende Beweidung gefährden den Weiterbestand der Trockenrasen.
Gerhard M. Tarmann
Günther Wallnöfer

Wie schützt man Schmetterlinge?

Tarmann und Černý: „Indem man die Landschaft schützt.“ Experten referieren in Mals. Behirtete Schafherde als natürlicher Rasenmäher?

Publiziert in 19 / 2022 - Erschienen am 25. Oktober 2022

Mals - Trotz einer zunehmender Verbuschung infolge fehlender Beweidung, trotz der Überdüngung mancher Wiesen und trotz der teilweisen Vergiftung der Landschaft mit Pestiziden sind die inneralpinen Trockenrasen im Obervinschgau bis heute ein Biodiversitätshotspot für Schmetterlinge geblieben. Wie es gelingen kann, diese einzigartigen Lebensräume zu schützen und zu erhalten, war die Kernfrage eines Vortragsabends am 14. Oktober im Kulturhaus in Mals. Als Experten am Podium konnte der Malser Landwirtschaftsreferent Günther Wallnöfer im Namen der Gemeinden Mals, Taufers im Münstertal und Graun den internationalen Schmetterlingsforscher Gerhard M. Tarmann sowie den Insektenforscher Karel Černý willkommen heißen.

„Daten sind nicht anfechtbar“

Tarmann, der am Ferdinandeum in Innsbruck ein internationales Forschungs- und Dokumentationszentrums über alpine Schmetterlinge aufgebaut hat, erforscht schon seit 1972 die Schmetterlingsvielfalt im Obervinschgau. „Allein auf den Trockenhängen von Laatsch bis Taufers sind seit 1972 bis heute über 1.000 Schmetterlingsarten nachgewiesen worden“, sagte Tarmann. Er beleuchtete im Speziellen das Vorkommen des Felsfalters in den Felssteppenrasen um Mals und Taufers sowie der extrem pestizidempfindlichen Widderchen. Seit 50 Jahren wird diese Modellgruppe beobachtet und erforscht. Tarmann: Wir sprechen von Fakten und wissenschaftlichen Daten, die unanfechtbar sind.“ Vor allem in Gebieten, wo sich der konventionelle Obstbau ausgebreitet hat, seien die Widderchen verschwunden. Dort, wo biologischer Obstbau betrieben wird, habe er sehr wohl Widderchen festgestellt. Zusätzlich zur Ausdehnung des konventionellen Obstbaus nach Westen und der Abdrift von Pestiziden in höhere Lagen bis auf ca. 1.200 Höhenmeter sieht der Experte auch in der Verbuschung wichtiger Teilflächen eine Gefahr für den Weiterbestand der Trockenrasengebiete im Obervinschgau und darüber hinaus.

Für verantwortungsvolle Lokal- und Landespolitik

Den Schlüssel zur Erhaltung der einzigartigen Trockenrasen sieht Tarmann in der Kontinuität und Verantwortung in Wissenschaft und Freilandforschung. Er erinnerte daran, dass das Sesvennagebiet schon seit dem Jahr 2000 eine europäische Modellforschungszone der europäischen Schmetterlingsforschungsgesellschaft ist. Verantwortung sei nicht nur auf der Ebene der Jagd sowie der Forst- und Landwirtschaft gefragt, „sondern auch seitens der Lokal- und Landespolitik.“ Leo Hilpold, der Direktor des Landesamtes für Natur, überbrachte die Grußworte der Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer. Die Landesregierung sei sich des Wertes dieser besonderen Lebensräume bewusst und sei auch gewillt, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Konkret nannte Hilpold Maßnahmen zur Entschrauchung bzw. zur Förderung der Beweidung. Über bereits durchgeführte Maßnahmen der Wiederbelebung von verbuschten und verwaldeten Trockenrasengebieten in Fließ, am Kaunergart und in anderen Gebiten im Bezirk Landeck informierte der Insektenforscher Karel Černý. „Schmetterlinge kann man nur schützen, wenn man die Landschaft schützt“, sagte Černý. Wesentlich zum Erfolg der im Bezirk Landeck durchgeführten Pflegemaßnahmen beigetragen hätten die Bauern. Als ersten notwendigen Schritt der Revitalisierung nannte Černý die mechanische Entfernung von Sträuchern, Büschen und aggressiven Arten. In einem weiteren Schritt sollte auf die Beweidung gesetzt werden.

Handlungsbedarf ist gegeben

„Das Potential, Trockenrasen im Obervinschgau zu entbuschen und bestimmte Flächen wieder zu beweiden, ist groß,“ sagte Günther Wallnöfer. Gefragt sei die Zusammenarbeit aller Beteiligten. Auf eine Zusammenarbeit in diesem Sinn drängte bei der Diskussion u.a. auch Gerhard Kapeller aus Taufers im Münstertal: „Es ist an der Zeit, etwas zu tun und die richtigen Leute haben wir heute hier: den Malser Landwirtschaftsreferenten Günther Wallnöfer, die Tauferer Bürgermeisterin Roselinde Gunsch, den Bauernbundbezirksobmann Raimund Prugger und Leo Hilpold von der Landesverwaltung.“ Peter Gasser aus Mals warf den Vorschlag in den Raum - auch im Hintergrund des vermehrten Auftretens des Wolfs - eine professionell behirtete Vinschger Schafherde als „natürlichen Rasenmäher“ am Vinschger Sonnenberg einzusetzen. Hand in Hand damit käme der Schafhaltung eine neue, zusätzliche Bedeutung zu. Raimund Prugger sagte, dass der Erhalt der Trockenrasen sehr wohl ein Thema sei und dass man sich damit auseinandersetze. In punkto Wolf sei die Lage so, dass die einen glauben, das Problem mit Herdenschutzmaßnahmen erfolgreich in den Griff zu bekommen - er habe sich erst kürzlich vom Einsatz von Schutzhunden in Stilfs ein Bild machen können -, während die anderen darin keine Lösung sehen und an die Auflassung der Schafhaltung denken. Weiterkommen werde man laut Prugger auch bei dieser Herausforderung nur dann, „wenn alle an einem Strang ziehen.“

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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