Wie sich die Zeiten ändern
Schlanders - Kaum ein anderer Brauch ist in vielen Orten des Vinschgaus derart stark verwurzelt wie das archaische Scheibenschlagen. Der uralte Feuerbrauch gilt als Fruchtbarkeitskult und als Ritual, mit dem der Winter ausgetrieben werden soll. Ausgeübt wird der Brauch immer am ersten Fastensonntag. Im Vorjahr fiel dieser auf den 1. März. Als damals die glühenden Holzscheiben in die Nacht geschleudert wurden, begleitet mit Ausrufen wie „Oh Reim, Reim, wem soll dia Scheib’ sein?“, war noch nicht absehbar, dass wenige Tage nachher die Corona-Pandemie voll einschlagen würde. Hätte damals jemand gesagt, dass das Scheibenschlagen im nächsten Jahr wegen Corona ausfallen würde, hätten ihn alle ausgelacht. Aber es kam, was niemand für möglich hielt: das Scheibenschlagen 2021 fiel dem Virus zum Opfer. Neben vielen anderen Bereichen wie Gesundheit, Wirtschaft oder Kultur hat die Pandemie auch das Brauchtum, das Vereinsleben sowie das religiose und gesellschaftliche Zusammenleben insgesamt erschüttert und auf den Kopf gestellt. Und das alles für eine so lange Zeit. Wir sind mittlerweile sogar schon soweit, dass sich Absagen jähren. Der traditionelle Landsprachmarkt in Goldrain zum Beispiel, der immer am 17. März stattfindet, muss auch 2021 abgesagt werden. Obwohl es am heurigen ersten Fastensonntag auch auf dem Scheibenbichl auf dem Prielknott in Schlanders still blieb, haben die Scheibenschlager Schlanders schon am Vortag ein Zeichen gesetzt. Andreas Pircher, Georg Telfser, Jürgen Tonezzer, Raimund Alber und Stefan Pircher stellten oberhalb der „Larmstange“ einen neuen Fahnenmast auf. Der an einem Sockel fest verankerte Mast ist 9 Meter hoch. Die 6 Meter hohe und 1,4 Meter breite Tiroler Fahne mit dem roten Tiroler Adler trägt die Aufschrift „Scheibenschlager Schlanders“. Joachim Tonezzer hat als Spender die Patenschaft für die Fahne übernommen. Die Scheibenschlager - und nicht nur sie - hoffen, dass die neue Fahne beim Scheibenschlagen im nächsten Jahr nicht noch einmal mutterseelenallein im Wind flattern muss.