Wie unsere Vorfahren Krisen bewältigten
Stilfs - Die Welt gerät aus den Fugen. Dieses Gefühl treibt viele Menschen um. Seit der Corona-Pandemie scheint es, als ob wir in einem dauerhaften Krisenszenario stecken, aus dem es keinen Ausweg gibt. Ein Blick in die Geschichte allerdings lehrt: Menschen haben in Krisenzeiten Mechanismen der Anpassung entwickelt, bestätigt der Archäologe Thomas Koch Waldner. Man muss nur mit offenen Augen den Weg von Stilfs nach Prad am Hang entlang wandern, und auch eine Laie kann oberhalb, aber vor allem unterhalb des Weges terrassenförmige Weideflächen erkennen, die einen menschlichen Eingriff vermuten lassen. Thomas Koch Waldner, gelernter Archäologie aus Prad, war der erste, der auf einer Kuppe, nordwestlich von Stilfs, die die Einheimischen Kaschlin bezeichnen, wissenschaftliche Grabungen durchgeführt hat. Auf Einladung des Südtiroler Bildungszentrums und des Bildungsausschusses Stilfs fand in Silfs kürzlich eine Tagung statt, bei der Thomas Koch Waldner, seit kurzem wissenschaftlicher Leiter des Keltenmuseums Hallein, einen vertiefenden Einblick in das Leben der Menschen gab, die im Vinschgau ab der Bronze- bis zur Römerzeit dort siedelten. Im Corona-Jahr 2020 konnte er bei den Grabungen am Hang ein Haus der späten Bronzezeit (1300-800 v. Chr.) und ein Gebäude aus der späten Eisenzeit freilegen. Der Großteil des Kupfers wurde auf Kaschlin, aber auch auf der gegenüberliegenden Talseite in dem Weiler Vellnair, gewonnen. Das Metall wurde dann in das Alpenvorland vertrieben, wo es weiterverarbeitet wurde. „Hier wurde besonders reines Kupfer abgebaut,“ bestätigt Koch Waldner. Der jüngste prähistorische Fund ist eine Eisenfibel aus dem 1. Jh. v. Chr. Sie ist in der Dauerausstellung in Stilfs zu sehen, in der die Geschichte des Ortes nachgezeichnet wird. Thomas Koch Waldner ist seit kurzem wissenschaftlicher Leiter des Keltenmuseums Hallein. Er empfindet sich als Pionier in einem Forschungsgebiet, wofür es nur wenige Spezialisten gibt. Es gäbe noch vieles zu entdecken, gibt der Archäologe zu, aber leider sind auch vom Amt für Archäologie keine weiteren Grabungen geplant. Seit kurzem revolutioniert die digitale Technik die Archäologie. Bendeguz Tobias, der zweite Referent der Tagung, arbeitet als Archäologe am Institut für Mittelalterforschung der Universität Wien und hat sich auf das frühe Mittelalter spezialisiert. „Wir müssen wohl das Bild des frühen Mittelalters, dass ganze Völkerschaften migrieren, heute revidieren. Das stimmt so nicht, sagt uns die Arche-Genetik. Aus Knochen oder andern Körperteilen führen die Forschenden eine DNA-Analyse durch, die u.a. den Verwandtschaftsgrad bestimmen kann. Sie zeigt, dass bereits während der Kaiserzeit viele unterschiedliche Stämme im römischen Reich auch in nächster Umgebung gelebt haben.“ Dabei hat man damals schon auf die Klimaveränderung reagiert. Wie im Detail, dieser Frage wollen die beiden jungen Wissenschaftler in den kommenden Jahren auf den Grund gehen.