Helmut Fischer, Vizechef der SVP Vinschgau

„Wir müssen wieder zu Inhalten zurückfinden“

Publiziert in 37 / 2014 - Erschienen am 22. Oktober 2014
Helmut Fischer fordert Abkehr von „Personenkult“. Auch im Vinschgau eklatanter Mitgliederschwund. Vinschgau/Latsch - Eines der größten Probleme, gegen die die Südtiroler Volkspartei derzeit zu kämpfen hat, sieht Helmut ­Fischer, Vizeobmann der SVP Vinschgau, Bürgermeister von Latsch und Latscher SVP-Ortsobmann, darin, dass „in der Partei schon seit Jahren nicht mehr Inhalte im Vordergrund stehen, sondern Personen, im Negativen ebenso wie im Positiven.“ der Vinschger: Herr Fischer, Sie haben sich kürzlich selbst an der so genannten Mitgliedersammlung beteiligt. Wie ist es Ihnen dabei ergangen? Helmut Fischer: Am meisten aufgefallen ist mir, dass weniger die Inhalte im Vordergrund ­stehen, für die wir als Partei einstehen, sondern mehr die Personen. Manche Mitglieder wenden sich von der SVP deshalb ab, weil bestimmte Personen die Partei für persönliche Interessen ausgenutzt haben, zum Beispiel als Sprungbrett für die persönliche Karriere. Auf der anderen Seite gibt es Leute, die nur deshalb die Mitgliedschaft wollen, weil sie von einer bestimmten Person überzeugt sind oder aber weil sie sich irgendwelche Vorteile für sich selbst erwarten. Haben sich Mitglieder darüber aufgeregt, dass das „Kartl“ jetzt 15 Euro kostet und nicht mehr 10? Ich bin überzeugt, dass es so gut wie niemandem darum ging oder geht, ob die Mitgliedschaft 5 Euro mehr kostet. Wir haben es nicht mit einer Preisfrage zu tun. Gibt es etwa einen „billigeren“ Verein als die SVP? Wie sehr bei vielen Mitgliedern mittlerweile der „Personenkult“ mitspielt, habe ich auch insofern erfahren, als dass mir manche Mitglieder das „Kartl“ nur deshalb abnahmen, weil ich der Fischer Helmut bin und nicht ein SVP-Funktionär. Können Sie den Mitgliederschwund in Ihrem Bezirk genau beziffern? Das ist derzeit nicht möglich, weil die Mitgliedersammlung verschoben wurde. Wir rechnen aber auf jeden Fall mit Einbußen im zweitstelligen Prozentbereich. Die Aussetzung der Sammlung, die Wiederaufnahme und die erneute Terminverschiebung sind Dinge, die uns als Partei schaden. Das habe ich auch bei der jüngsten Sitzung der Parteileitung in Bozen klar gesagt. Die Leute sind verunsichert. Außerdem kann man sich ausmalen, auf welche Reaktionen die Ortsfunktionäre stoßen werden, wenn sie erneut anklopfen müssen. Ich kann nur hoffen, dass nun ein endgültiger Termin zustande kommt, der dann auch eingehalten wird. Bis spätestens Ende April 2015 sollten die Mitgliederzahlen endgültig feststehen. Wenn nicht, müssen wir uns tatsächlich die Frage stellen, ob es nicht besser wäre, uns künftig nicht mehr über die Mitgliederzahlen und Stimmrechte zu definieren. Das klingt ziemlich pessimistisch. Das heurige Jahr ist für uns als SVP insgesamt ein verlorenes Jahr. Trotzdem müssen wir uns ­aufraffen, unsere kapillaren Strukturen nutzen und vor allem wieder zu Inhalten und Werten zurückfinden. Werte wie Moral, Ethik und Korrektheit, die über allen Personen und allen Einzel­interessen stehen. Wird es die SVP schaffen, aus ihrer miserablen finanziellen Lage herauszukommen? Leicht wird es nicht, aber es ist zu schaffen, auch wenn die Vor­zeichen alles eher als gut sind. Die finanziellen Zuweisungen des Staates schrumpfen, die Ausgaben sind im Steigen begriffen. Der EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann hat für die nächsten Monaten einschneidende Maßnahmen angekündigt. Dazu zählt unter anderem auch der Abstoß von parteieigenen Immobilien. Wird auch die Bezirkskanzlei in Schlanders den Sparstift zu spüren bekommen? Die Stärke der SVP liegt nach wie vor im ländlichen Raum. Sollte begonnen werden, die Strukturen auf dem Land auszudünnen, wäre das fatal. Man ist sich dessen bewusst und wird daher die Bezirksstrukturen nicht auflassen. Die Bezirkskanzlei in Schlanders bleibt, ebenso wie der derzeitige Mitarbeiterstab. Noch einmal zurück zum „Personenkult“. Hat sich diesen Kult nicht die SVP selbst zuzuschreiben? Zum Teil sicher ja. Wir sind schon seit langem nicht mehr imstande, die Bevölkerung von den Inhalten zu überzeugen, für die wir uns einsetzen. Nach dem SEL-Skandal, dem Rentenskandal und weiteren Geschehnissen haben wir als Partei an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Schwer ist die Situation für uns auch deshalb, weil wir eine Sammelpartei sind. Wir müssen auf Fragen aller Bevölkerungsschichten in allen Bereichen mit überzeugenden Antworten aufwarten können. Natürlich wäre es für uns zum Beispiel leicht, Unterschriftenaktionen zu allen möglichen Einzelthemen zu starten oder mit Schlagwörtern wie etwa „Ausländer raus“ oder „Freistaat Südtirol“ um uns zu werfen. Als regierende Sammelpartei tragen wir aber Verantwortung. Wir müssen auf dem Boden der Wirklichkeit bleiben. Das gilt zum Beispiel auch für das Gesundheitswesen. Obschon die Emotionen hoch gehen, gilt es auch in diesem Bereich einen gangbaren Weg zu finden, wobei die klinische, sprich medizinische Reform ebenso Berücksichtigung findet wie der rechtliche Aspekt und nicht zuletzt auch der wirtschaftliche. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner

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