Claudia Pfeifer
Christine Tappeiner

Zöliakie und die Herausforderungen im Alltag

Informationsveranstaltung mit Vorstellung des Programms „Essen außer Haus“.

Publiziert in 18 / 2024 - Erschienen am 8. Oktober 2024

Schlanders - Eine Informationsveranstaltung zum Thema Zöliakie für alle Betroffenen, Angehörigen, Gastbetriebe und Interessierten findet am 18. Oktober um 16 Uhr in der Basis Schlanders statt. Die Bezirkszeitung der Vinschger hat im Vorfeld mit Claudia Pfeifer, der Präsidentin der Zöliakievereinigung Südtirol, und mit Christine Tappeiner, einer betroffenen jungen Frau ein Gespräch geführt.   

der Vinschger: Sie sind die Präsidentin der Zöliakievereinigung Südtirol? Was genau ist Zöliakie und wie viele Betroffene gibt es südtirolweit? Wie viele Mitglieder hat Ihre Vereinigung?

Claudia Pfeifer: Unsere Vereinigung hat ungefähr 500 Mitglieder, betroffen von Zöliakie sind circa 2.400 Personen in Südtirol. Zöliakie ist eine chronische Entzündung des Dünndarms, die bei genetisch veranlagten Personen durch den Verzehr von Gluten ausgelöst wird. Die Zöliakie ist durch ein sehr unterschiedliches Krankheitsbild gekennzeichnet, das von starkem Durchfall mit ausgeprägtem Gewichtsverlust über extraintestinale Symptome bis hin zur Assoziation mit anderen Autoimmunerkrankungen reicht.

Was sind die wichtigsten Ziele der Italienischen Zöliakievereinigung Südtirol und welche Angebote gibt es für die verschiedenen Zielgruppen?

Wir bieten Informationen über Zöliakie und glutenfreie Ernährung, Erstellung  von Informationsmaterial und Beratung bei der Bewältigung der täglichen Herausforderungen. Für neu eingeschriebene Mitglieder veranstalten wir verschiedene Kochkurse, Gruppentreffen mit unserer Psychologin und Gespräche mit der Ernährungstherapeutin. Für betroffene Kinder und Jugendliche bieten wir jährlich ein Hüttenlager, wir stellen Projekte in Schulen vor und nehmen an Festen mit einem glutenfreien kulinarischen Angebot teil. Die Vereinigung organisiert Veranstaltungen wie das Programm „Essen außer Haus“ (AFC Alimentazione Fuori Casa) und operiert als Interessensvertretung für die betroffenen Personen und deren Angehörigen.

In Schlanders werden Sie am Freitag, 18. Oktober, in der Basis um 16 Uhr das Projekt „Essen außer Haus“ vorstellen. Was genau kann man darunter verstehen und welche Personen möchten Sie ansprechen?

Das Programm „Essen außer Haus“ entstand aus dem Bedürfnis heraus, ein Netzwerk von Gastbetrieben (Hotels, Restaurants, Pizzerien, Eisdielen, Konditoreien usw.) aufzubauen, welche über Zöliakie sowie glutenfreie Ernährung informiert sind. Um Mitglied im Netzwerk zu werden, reicht es, einen bestimmten Bereich der Küche der glutenfreien Zubereitung zu widmen. Eine eigens vorgesehene Küche ist nicht erforderlich. Nach einem Lokalaugenschein und dem persönlichen Erstkontakt folgt die Teilnahme seitens des Inhabers, Kochs, Pizzabäckers oder Eisproduzenten sowie des Servicepersonals an einem Grundkurs. Dabei werden theoretische und praktische Inhalte zum Thema Zöliakie und glutenfreie Ernährung direkt vor Ort im Betrieb vermittelt und erklärt. Eingetragene Betriebe  scheinen auf der App AIC Mobile und in der jährlichen Ausgabe der „Guida per l’Alimentazione Fuori Casa“ auf, zu denen Mitglieder des Zöliakievereins in ganz Italien Zugriff haben.Die im Netzwerk eingetragenen Gastbetriebe werden in regelmäßigen Abständen (ein- bis zwei jährlich) von freiwilligen Helfern (Tutoren) der Italienischen Zöliakievereinigung Südtirol besucht. Dies ist eine gute Möglichkeit, sich auszutauschen und für etwaige Probleme gemeinsam Lösungen zu finden, um den Zöliakiebetroffenen ein sicheres, glutenfreies Angebot zu bieten. Gastbetriebe, die im Netzwerk mit dabei sind, werden zu Beginn über das Thema Zöliakie fachkundig aufgeklärt und anschließend immer wieder über Neuigkeiten informiert, sie werden bei Schwierigkeiten und Unsicherheiten begleitet und unterstützt und sie bekommen mehr Sichtbarkeit bei Gästen und in den sozialen Medien.

Unser Haushalt ist glutenfrei

Christine Tappeiner aus Laas ist eine der über 2.000 Personen, die unter der Autoimmunerkrankung Zöliakie leiden. Gemeinsam mit Lotte Dalsass und der Zöliakiegesellschaft organisiert sie im Vinschgau ein erstes Informationstreffen für Betroffene, Angehörige, Gastbetriebe und Interessierte.

der Vinschger: Was erfahren die Teilnehmenden beim Informationstreffen?

Christine Tappeiner: Die Ernährungstherapeutin Verena Breitenberger wird uns praktische Alltagstipps für den Einkauf und die glutenfreie Ernährung geben sowie Handlungsweisen im Alltag aufzeigen. Claudia Pfeifer, die Präsidentin der Zöliakievereinigung, wird die Organisation und vor allem das Programm „Essen außer Haus“ vorstellen. Kaum jemand kann sich vorstellen, welch große Herausforderung für uns Betroffene das Essen außer Haus zu gesellschaftlichen Anlässen, bei Familienfeiern, beim Pizzaessen, in den Mensen usw. ist. Hier gilt es viel Sensibilisierungsarbeit zu leisten, besonders bei Gastbetrieben, in denen auch wir gerne einkehren und sorglos essen möchten.

Welches waren bei Ihnen die ersten Anzeichen der Erkrankung und wie gelingt der Alltag mit Zöliakie?

Mit ungefähr 6 Jahren hatte ich ständig Bauchschmerzen, Erbrechen, und einen Blähbauch. Für die damalige Zeit wurde die Krankheit Zöliakie relativ schnell diagnostiziert. Meine Mutter hat sich sehr intensiv mit der Erkrankung auseinandergesetzt, hat aber nur durch Zufall von anderen Betroffenen erfahren und sich austauschen können. Die ganze Familie wurde durch eine Diätistin geschult. Wir bekamen Gutscheine für die glutenfreien Diätprodukte, die es damals nur in der Apotheke gab, und schon bald war ich beschwerdefrei. In meiner Jugend war ich sehr konsequent und ich habe mir einen achtsamen Umgang mit Essen und die Beschäftigung mit den Zutaten der Lebensmittel angeeignet. Wir Betroffene dürfen nicht einmal eine Spur von glutenhaltigem Getreide wie Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste und Hafer aufnehmen. Erlaubt sind Mais, Reis, Buchweizen, Quinoa, Hirse, glutenfreie Nudeln aus Reis- oder Maismehl sowie Hülsenfrüchte.

Auch Ihr kleiner Sohn ist betroffen?

Die Autoimmunerkrankung ist genetisch bedingt und ich war darauf vorbereitet, dass eines meiner Kinder eventuell die Zöliakie erben könnte. Tatsächlich hatte mein zweites Kind über Monate Verdauungsprobleme und es war immer kränklich. Ein Bluttest auf Antikörper ergab eine Immunantwort auf die Bestandteile des Klebereiweiß Gluten. Eine Diagnose für ein zweijähriges Kleinkind ist eine große Herausforderung und sehr aufwändig. Wir müssen immer auf der Hut sein, dass unser Sohn auf dem Spielplatz, in der Bar, auf Besuch in einem anderen Haushalt nicht in Kontakt mit Gluten kommt. Auch ein Urlaub gestaltet sich sehr umständlich; da suche ich in der APP AIC Mobile nach Restaurants, die es mit der glutenfreien Verköstigung ernst nehmen. Großes Glück haben wir im Kindergarten von Tschengls, wo sich das Personal und die Köchin gewissenhaft um unseren Sohn kümmern. Auch die Tagesmutter hat es sehr ernst genommen. Das ist sehr beruhigend.

Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Vinschger Sonderausgabe

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