Im Zuge der Wahl des neuen Staatspräsidenten hatten die zwei Vinschger „Wahlmänner“ Albrecht Plangger (rechts) und Sepp Noggler (links) auch die Möglichkeit, mit vielen Politikern persönliche Gespräche zu führen. Mit dem Präsidenten der Region Lombardei, Attilio Fontana (Bildmitte), zum Beispiel wurde über die Themen Stilfserjoch, Nationalpark und Zugtunnel zwischen dem Veltlin und dem Vinschgau/Münstertal gesprochen.

Zwei Vinschger in Rom

Albrecht Plangger und Sepp Noggler mischten bei der Wahl des Staatspräsidenten mit.

Publiziert in 3 / 2022 - Erschienen am 15. Februar 2022

Rom/Vinschgau - Alle sieben Jahre wird ein neues Staatsoberhaupt in Italien gewählt. In der letzten Januarhälfte war es wieder soweit. Knapp über 1.000 „Wahlfrauen“ und „Wahlmänner“ kamen am Sitz der Abgeordnetenkammer in Rom zusammen, um das neue Staatsoberhaupt zu wählen. Mittendrin zwei Vinschger: der Kammerabgeordnete Albrecht Plangger und Sepp Noggler, Regionalratspräsident und Landtagsvizepräsident. Wir haben mit beiden „Wahlmännern“ über die Wahl, die „politischen Spielchen“ und ihre persönlichen Eindrücke gesprochen.

der Vinschger: Zufrieden mit dem Ergebnis?

Albrecht Plangger: Ich bin froh, dass es so gelaufen ist. Ich hatte für mich auf Sergio Mattarella oder Mario Draghi getippt und ab dem 2. Wahlgang Mattarella durchgewählt. Das Ergebnis ist gut für Südtirol.
Sepp Noggler: Die erneute Wahl von Sergio Mattarella war zum genannten Zeitpunkt sicherlich der einzige Ausweg aus der verfahrenen Situation. Mattarella kennt unsere Situation sehr gut. Demzufolge ist es für uns eine gute Wahl.

Warum wurde es keine Frau?

Plangger: Nach dem endgültigen Ausscheiden von Silvio Berlusconi wurde von „Mitte Rechts“ die Senatspräsidentin Elisabetta Casellati ins Rennen geschickt, ohne dass man unter den aktuellen Mehrheitsparteien um Draghi ein Einvernehmen erzielt hatte. Diese einseitige Initiative ist sauber danebengegangen. Bei der Geheimdienst-Chefin Elisabetta Belloni hat sich Ex-Premier Matteo Renzi und seine „Italia Viva“ und auch Forza Italia quergestellt, und den Pakt zwischen Matteo Salvini (Lega) und Giuseppe Conte (5 Sterne) auflaufen lassen.
Noggler: Eine Frau wäre sicherlich auch wünschens- und lobenswert gewesen. Wie immer haben die vollmundigen Ankündigungen von bestimmten Politikern genau zum gegenteiligen Ergebnis geführt. Die bestens bekannten politischen „Spielchen“ haben die Wahl einer Frau zum Staatsoberhaupt wieder einmal verhindert.

War es wirklich so ein „Theater“?

Plangger: Für mich war es eine höchst interessante Erfahrung. Die Senatoren waren dauernd vor Ort und man konnte sich austauschen. Auch alle Minister und Unterstaatssekretäre waren anwesend, sodass man unkompliziert das eine oder andere Anliegen unterbringen konnte. Wir Vinschger hatten zum Beispiel persönliche Gespräche mit dem Präsidenten der Region Lombardei, Attilio Fontana, zum Stilfserjoch, zum Nationalpark und zum Zugtunnel zwischen dem Veltlin und dem Vinschgau/Münstertal oder mit dem Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti zu den großen Beutegreifern.
Noggler: Für mich als Politiker war diese Wahl in Rom völliges Neuland. In meiner bisherigen politischen Laufbahn sicherlich ein besonderes Highlight. Ich würde nicht unbedingt von einem Theater sprechen, sondern einfach nur von den üblichen italienischen Verhältnissen in der römischen Politik. Es war auf jeden Fall eine Gelegenheit zum Netzwerken, wie man heute sagt.

Habt ihr Vinschger in Rom mitgemischt?

Plangger: Beim 6. Wahlgang hat es „große Manöver“ gegeben, die Zustimmung für Mattarella von 336 Stimmen wieder unter 300 zu drücken, um für andere Kandidaten Spielräume zu öffnen. Da haben wir nicht mitgespielt und beim weiteren Stimmenzuwachs für Mattarella mitgeholfen, sodass dann kein Weg mehr an Mattarella vorbeiführte und auch die Lega darauf umschwenken musste.
Noggler: Ja, man könnte sagen, zwei Vinschger in Rom. Auch wenn die Stimmabgabe zwischen uns Frauen und Männern der SVP am Anfang alles andere als homogen war, haben wir uns dann schlussendlich auf eine gemeinsame Linie geeinigt und mit Sergio Mattarella sicherlich die richtige Wahl getroffen. Mit ihm sind wir bis dato sehr gut gefahren.

Was hat euch bei der Amtseinführung oder beim Amtsschwur des Staatspräsidenten beeindruckt?

Plangger: Der Staatspräsident ist ein „Signore“, der Vertrauen ausstrahlt und politische Kontinuität garantiert. Seine Rede wurde 55 Mal, meist von stehendem Applaus unterbrochen. Sie war wirklich gut! Langfristig wird mir von dieser Zeremonie das Geläute der großen Glocke am Palazzo Montecitorio bei der Ankunft des Präsidenten vor dem Parlament bleiben. Ich war unmittelbar neben den beauftragten „6 Glockenziehern“ im Spezialanzug mit Sicherheitshelmen. Vor 7 Jahren wurde ihm diese Ehre von der 5-Sterne-Bewegung, angeführt vom späteren Minister Riccardo Fraccaro, verwehrt, indem sie die Dachterrasse besetzt und das traditionelle Glockengeläut verhindert hat. Ein absolutes Erlebnis war dann auch noch der zweimalige Überflug der Jagdflieger „Freccie Tricolori“ über dem Dach des Parlaments direkt über uns in weniger als 100 Meter Entfernung.
Noggler: Da zwischen der erfolgten Wahl zum Staatspräsidenten und der darauffolgenden Vereidigung bzw. dem Amtsantritt von Sergio Mattarella einige Tage dazwischenlagen, bin zwischenzeitlich nach Hause gefahren und dann nochmals eigens angereist. Die besondere festliche Stimmung, das beeindruckende Zeremoniell, das Protokoll zum Ablauf und die Rede zum Amtsantritt werden mir sicherlich in bester Erinnerung bleiben.

Was war für euch die wichtigste Aussage des Staatspräsidenten?

Plangger: Für mich persönlich war es sein Aufruf zu einer raschen und tiefgreifenden Reform des Justizwesens, zur Zentralität des Parlaments, die nicht durch dauernde Notdekrete der Regierung eingeschränkt werden dürfte, sein klares Bekenntnis zu Europa und zur Beseitigung von sozialen Ungleichheiten in der Frauen- und Jugendpolitik. Auch hat er Fortschritte bei der Arbeitssicherheit und der Armutsbekämpfung gefordert.
Noggler: Wenn ich mich richtig erinnere, dann war das meist erwähnte Wort „dignità“, also Würde. Damit hat Sergio Mattarella schon eine Richtung vorgegeben. Er hat insgesamt eine viel beachtete Rede gehalten, während der sich das Staatsoberhaupt für seine Verhältnisse sogar ein wenig emotional gezeigt hat. Inhaltlich kann ich die Punkte, die Kollege Albrecht Plangger erwähnt hat, bestätigen.

Was bringt die Wahl für Südtirol?

Plangger: Südtirol ist mit dem Staatspräsidenten Mattarella gut gefahren. Er war offen für die Weiterentwicklung der Landesautonomie und er hat ein sehr freundschaftliches Verhältnis zum österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen gepflegt, was uns Südtiroler sehr zu Gute kommt. Hoffen wir jetzt, dass auch der österreichische Bundespräsident für ein weiteres Mandat zur Verfügung steht und gewählt wird. 
Noggler: Sergio Mattarella kennt aufgrund seiner langjährigen politischen Tätigkeit unsere Situation mehr als gut. Auch persönlich hat er Kontakte zu Südtirol. Für uns ist er deshalb weiterhin eine gute Wahl und ein Garant für unsere Autonomie.

Redaktion
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.