Worte zum Nachdenken
Publiziert in 24 / 2004 - Erschienen am 16. Dezember 2004
"Ein Licht hab’ ich gesehen trotz der vielen Dunkelheit!" So lautet ein Spruch, der sehr gut zum Advent und zu Weihnachten passt. Mitten im Winter, wo die Tage am kürzesten und die Nächte am längsten sind, feiern wir Weihnachten, die Geburt Christi. Wir sehnen uns in dieser Zeit mehr noch als sonst nach Licht, das die Dunkelheit vertreibt und Wärme in unser Leben bringt. Und deshalb gibt es sehr viele Bräuche, die mit Kerzen und mit Licht zu tun haben wie z. B. den Adventkranz oder den Christbaum.
Schon von Anfang an wurde das Kommen Christi selbst als Licht bezeichnet, das in die Finsternis dieser Welt kommt. So heißt es bereits im Prolog des Johannesevangeliums: "Das wahre Licht, das jeden Mensch erleuchtet, kam in die Welt" (Joh 1,9). Wir wissen aber auch, dass dieses Licht nicht immer aufgenommen wurde. So heißt es ebenfalls bei Johannes: "Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst" (Joh 1,5).
Madeleine Delbrèl (1904-1960), eine große Christin des vergangenen Jahrhunderts, die in der Zusammenarbeit mit Kommunisten und Marxisten den entschiedenen Atheismus erlebte, hat vor etwas mehr als 40 Jahren geschrieben: "In der gegenwärtigen Stunde, die wir durchleben, erhalten die Worte: Licht, Finsternis, wie mir scheint, einen sehr betonten Sinn. Das biblische Wort ‚Finsternis’ wird durch Leute, mit denen wir umgehen, erläutert; sie ist dunkler als irgendwann und irgendwo." Und weiter schreibt sie: "Nicht allein der lebendige Gott, der sich endgültig im Evangelium offenbart hat, ist verworfen worden, sondern jeder Abstrahl, jede Spur von einem Gott. Der Mensch genügt sich selber. Er will kein anderes Licht als sich selbst."
Es wäre sicher übertrieben, wenn man sagen würde, dass diese Worte unsere Zeit beschreiben. Es gibt unter uns viele gläubige Menschen, die sehr wohl an Gott glauben und mit ihm rechnen. Aber etwas von diesen Worten trifft auch auf uns unsere Zeit zu. Ist es nicht so, dass jeder primär um sich selbst besorgt ist? Wozu braucht man dann Gott als personales Gegenüber, zu dem man beten kann? Wer bringt heute seine Erfahrungen von Ausweglosigkeit und Verzweiflung, von Hoffnung und Zuversicht ernsthaft mit Gott in Verbindung?
Und dennoch: Wer einigermaßen ehrlich in die Welt und in die eigene Geschichte schaut, der wird mit so vielen Ratlosigkeiten und Gebrechlichkeiten, Ängsten und Nöten konfrontiert, dass er sich unwillkürlich fragt: "Woher kommt in diesem Dunkel das Licht?"
Gerade hier setzt die Botschaft von Weihnachten an. Dank Jesus gilt – für jene, die ihm glauben: "Wer mir nachfolgt, wandelt nicht in der Finsternis." Wer sich an Jesus von Nazaret orientiert, dem geht ein Licht auf. Der kann das Dunkel klarer sehen und benennen, der kann mitten in der Finsternis doch Zuversicht haben, Licht am Ende des Tunnels.
So schreibt Karl Rahner: "Weihnachten heißt: Er ist gekommen. Er hat die Nacht hell gemacht. Er hat die Nacht unserer Finsternis, die Nacht unserer Unbegreiflichkeiten, die grausame Nacht unserer Ängste und Hoffnungslosigkeiten zur Weihnacht, zur heiligen Nacht gemacht." Dass wir das auch heuer an Weihnachten spüren, das wünsche ich allen für das kommende Fest.
Pfarrer Paul Schwienbacher, Schluderns