10 nach 10

Publiziert in 6 / 2024 - Erschienen am 26. März 2024

Von „5 Minuten vor 12“ habe ich die Schnauze voll. Da schießt mir nur der Klimawandel in den Kopf. Und andere ungute Sachen. Wenn Uhren in Schaufenstern fast immer auf 10 nach 10 Uhr oder ähnlich eingestellt sind, ist das kein Zufall, sondern Strategie. Forschungen haben gezeigt, dass Uhren, die 10:10 Uhr anzeigen, eine positivere Wirkung auf die Emotionen der Menschen und deren Kaufabsicht haben als anders eingestellte Uhren. Das „10 nach 10“ soll unbewusst wie ein lächelndes Gesicht wirken. Im Altertum dienten die Sonne und der Mond für die Zeitmessung. Die Römer übernahmen die Technik der Sonnen- und Wasseruhren. Viel später folgten die Taschen-, Armband-, Quarz- und Atomuhren. Der ursprüngliche Zweck aller Uhren - sprich zu erfahren, wie spät oder früh es ist - wurde schon früh mit einem anderen Aspekt angereichert. Es ist dies der bis heute ungebrochene Trend, teure Uhren als Statussymbol zu tragen, obwohl mittlerweile ein Blick auf das Handy genügt, um die Uhrzeit zu erfahren. Die Zeiten, als man noch nach einer Kirchturmuhr Ausschau hielt oder genau hinhörte, ob es erst „halb“ oder schon „dreiviertel“ schlägt, sind längst vorbei. Geändert hat sich auch der Umgang mit der Zeit. Manchmal kommt mir vor, dass es nicht mehr wir sind, die die Zeit einteilen, sondern umgekehrt. Viele Menschen haben heutzutage keine Zeit mehr. „Die Europäer haben Uhren, wir haben Zeit“, heißt ein Sprichwort aus Afrika.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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