Eingeschränkt

Publiziert in 7 / 2024 - Erschienen am 9. April 2024

Wenn jemand nicht gehen kann, blind ist, nichts hört oder geistig nicht so entwickelt ist, wie die meisten seiner Artgenossen, gehört er zu einer Gruppe von Menschen, für die es anscheinend eine eigene Bezeichnung braucht, um sie vom großen Rest zu unterscheiden. „Ich bin doch nicht behindert“, „Was ist das für ein Idiot?“ Aussagen wie diese drücken viel darüber aus, was nicht wenige „normale“ Menschen über Mitmenschen denken, die anders sind. Das Problem ist weniger die körperliche oder geistige Behinderung an sich, sondern der negative, oft abwertende Beigeschmack, der beim Eigenschaftswort „behindert“ oder Begriffen wie Behindertentransport, Behindertenpflege usw. mitschwingt. Irgendwie eingeschränkt sind wir alle. „Ihr könnt ja nicht einmal fliegen“, könnte uns ein Vogel vom Dach zuzwitschern. „Und riechen tut ihr gar nichts“, würde uns ein Hund anbellen, wäre er unserer Sprache mächtig. Auch unser Intellekt hat Grenzen, der „normale“ inklusive. Raum und Zeit sind wie Fesseln. Wir wähnen uns im Bewusstsein, alles zu wissen, tun aber vielfach das, was uns das Unbewusste, oft aus der frühesten Kindheit, vorschreibt. In diesem Sinn macht uns vieles heiß, von dem wir nichts wissen. Wörter und Begriffe können ausgrenzen oder einschließen. Tun sie Letzteres, haben alle Platz: Menschen mit und ohne Behinderung. Wobei wir allerdings erst bei der Sprache wären. Fehlt „nur“ noch der Weg vom Wort zur Tat.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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