Geh mir aus der Sonne!
Kürzlich haben die meisten von uns die Gräber von Verwandten, Freunden und Bekannten aufgesucht. Zu Allerheiligen und Allerseelen wird uns besonders bewusst, wie vergänglich alles ist, die Menschen inklusive. Das kurze Abschalten macht die Köpfe und Seelen frei und es schweben Fragen daher, nach denen die Menschen seit jeher Antworten suchen: Was zählt wirklich? Was bleibt von unserem kurzen „Herumirren“ auf der Erde übrig? Warum führen wir Kriege? Warum glauben manche, ihre Vergänglichkeit mit pompösen Grabstätten überlisten zu können? Die Denkmäler, die auf fast allen Friedhöfen an Gefallene oder Vermisste der zwei Weltkriege erinnern, haben nichts Pompöses an sich. Sie sind nur besonders blutige „Blätter“ aus dem Buch der Menschheitsgeschichte. Obwohl das Buch immer dicker wird, lernen wir nichts daraus. Den Aufrufen zum Frieden, wie sie zu Allerheiligen und Allerseelen zu hören waren, wird es wohl so ergehen wie den trockenen Blättern im Herbst. Als ich vor einigen Jahren einen Sterbenden fragte, was das Schönste in seinem Leben gewesen sei, listete er nicht berufliche oder private Erfolge auf, sondern sprach davon, wie er im Urlaub mit seiner Familie am Ufer eines Sees ein Eis gegessen hat. Das erinnerte mich an den Philosophen Diogenes. „Geh mir ein wenig aus der Sonne“ soll er Alexander dem Großen geantwortet haben, als ihn dieser nach seinem größten Wunsch fragte.