Wer hat was entdeckt?

Publiziert in 13 / 2023 - Erschienen am 18. Juli 2023

In der Schule haben wir gelernt, dass Amerika im Jahr 1492 entdeckt wurde. Das hörte sich so an, als ob die eigentliche Existenz des Doppelkontinentes erst damals begann. Vorher mag es zwar irgendwelche Ureinwohner gegeben haben, aber das richtige Amerika gab es noch nicht. Nicht einmal einen Namen hatte dieser Teil der Erde. Rein theoretisch hätte ja alles umgekehrt laufen können: die Ureinwohner Amerikas bauen Schiffe und gelangen nach Europa. Welchen Namen hätten sie dem entdeckten Land wohl gegeben? Hätten sie das Land ausgeraubt, uns als minderwertig angesehen und kolonisiert? Der Kolonialismus mit allen Gräueltaten wird gerne auf einen bestimmten Zeitraum der Geschichte eingeschränkt, aber endgültig beendet scheint er nicht zu sein. Es werden zwar nicht mehr regelmäßig fremde Länder in Besitz genommen und Naturvölker im Wahn der eigenen Überlegenheit unterworfen, vertrieben oder ermordet, aber Ansätze, die in das alte Schema des Kolonialismus passen, gibt es nach wie vor. Geändert hat sich nur der Modus. Nicht mit Schwert, Kreuz und Kanonen wird losgezogen, sondern mit feineren Mitteln, in erster Linie mit Geld. So werden zum Beispiel in Afrika - und nicht nur - riesige Landstriche gekauft. Die „Waffen“, mit denen Konzerne, Staaten oder Investoren in sogenannten Entwicklungsländern auf der südlichen Hälfte der Erdhalbkugel Einfluss nehmen, sind nicht mehr dieselben, die Ziele und Folgen aber leider schon.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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