Pfarrer Gottfried Leiter, gestorben am 29.1.1960 unter einer Lawine.

Vor 50 Jahren starb Pfarrer Gottfried Leiter

Publiziert in 20 / 2010 - Erschienen am 27. Mai 2010
Heuer im Jänner waren es 50 Jahre, dass mein Vorgänger unter einer Lawine gestorben ist. Am 29.1.1960 kam er aus der Schule von Außersulden zu Fuß nach Innersulden, wobei ihn eine riesige Ortler-Lawine verschüttete. Viele Rettungsdienste und andere Mannschaften haben den Pfarrer wochenlang ohne Erfolg gesucht. Es war am 20. April 1960, als Fritz Reinstadler, Wegmacher und Bergführer aus Sulden, mit seinem „Mohrele“ zur Arbeit ging, als sein Hund wieder auf die Lawine lief und in wenigen Minuten die Stelle fand, wo der Pfarrer in den Schneemassen begraben war. Das war für Fritz wie eine Erleuchtung: Er ging gleich ans Werk und machte sich auf die Suche nach Schäferhunden. Er informierte Ariele Marangoni (CAI Rettungschef) der CAI Bergrettung der Provinz Bozen von seinem Vorhaben. Durch den General der Finanzwache Mellano und Oberst Musto wurde erreicht, dass am 10.8.1960 drei Schäferhunde zur Verfügung gestellt wurden: „Bell“, „Giolan“ und „Stolz“. Es handelte sich um etwas ältere Hunde, welche die Finanz­wache für ihre Zwecke nicht mehr einsetzen konnte. Die BRD-Männer Manfred und Robert Reinstadler übernahmen den Hund „Stolz“, Ernst Reinstadler bekam „Giolan“. „Bell“ blieb beim Fritz. Der erste Kurs wurde mit Hilfe­ eines Instruktors aus der Schweiz, Siegfried Reissinger, vom 11. bis 14.12.1960 gehalten. Fritz kontaktiert auch das Institut für Schnee und Lawinen in Davos (Schweiz). Am 6.2.1961 erreicht Fritz mit „Bell“ den ersten großen Erfolg, als eine Frau aus Deutschland (Hildegard Mues) in der Nähe von ­Sulden unter die Lawine kommt. „Bell“ findet die Stelle der Verschüttung in kurzer Zeit. Die Frau liegt etwa 3 Meter tief im Schnee. Sie wird lebend geborgen. Anwesend sind auch die BRD-Männer mit den Hunden „Stolz“ und „Giolan“. Diese Rettungsaktion ging durch alle Medien und die CAI/BRD-Behörden in Bozen und Mailand haben für die ­Lawinenhunde-Schule großes Interesse gezeigt. Der „Alto Adige“ schrieb am 7.2.1961 schrieb: „L`impiego di cani da valanga a Solda costituisce il primo esperimento del genere in Italia“ („Der Einsatz von ­Lawinenhunden in Sulden ist das erste Experiment dieser Art in Italien“). Die BRD/CAI-Behörden erlauben daraufhin die Lawinenhundeschule vorläufig nur als Experiment. Ich habe beim ersten Kurs 1961 nur zugeschaut. An meinen tödlich verunglückten Vorgänger denkend und an die große Notwendigkeit der Gründung einer Hundeschule in Sulden, habe ich mich ent­schlossen, dem Bergrettungsdienst und der Lawinenhundeschule beizutreten. Fritz freute sich über diesen meinem Entschluss und er sah meine zukünftige Arbeit in der Organisation der Lawinenhundeschule und in der Ausbildung meiner Schäferhunde (im Laufe der Jahre waren es 5). 1964 wurde die offizielle Gründung der Schule auf Provinzebene endlich von den BRD-Behörden erlaubt. Der CAI/BRD Chef Ariele Marangoni hielt eine diesbezüglich Aussprache auch mit dem Leiter der Bergführer von Sulden, Bruno Reinstadler. So wurde am 19.4.1964 der erste Kurs auf Provinzebene offiziell begonnen. Es nahmen daran 7 Hunde mit ihren Führern teil. Der Journalist Mauro Fattor und Verfasser der Fest-Publikation zum 30-jährigen Bestehen der Schule („Volume edito in occasione del trentesimo anniversario di fondazione della Scuola Nazionale Unità cinofile da valanga del C.N.S.A.S. – Corpo nazionale Soccorso Alpino e Speleologico“) schreibt in ­dieser Publikation: „Tra gli allievi anche il parroco di Solda, Don Josef Hurton: questo corso segna il suo ingresso ufficiale nel Corpo Soccorso Alpino del quale diventerà ben presto una delle colonne portanti.“ („Unter den Schülern befindet sich auch der Pfarrer von Sulden, Josef Hurton: dieser Kurs stellt seinen offiziellen Eintritt in den BRD des CAI dar, in dem er schnell zu einer der tragenden Säulen wird.“) Leiter des 1. Kurses ist Fritz Reinstadler. Er ernennt als Instrukteure: Ludwig BIaas (Reschen), Livio Zamboni (Sterzing) und Hermann Pircher (Sulden). 1966 wird die Lawinenhundeschule durch On. Bruno Toniolo (Chef der CAI Bergrettungsdienste in Italien) zur nationalen Schule erhoben. Der erste Kurs auf nationaler Ebene wurde von 1. bis 7. Dezember 1966 abgehalten. Teilnehmer: 18 Hunde und 17 Hundeführer. Leiter des Kurses ist Fritz Reinstadler. Von 1961 bis 1964 wurden ebenfalls Kurse abgehalten, aber diese galten für die Bozner CAI-Zentrale als Periode der Experimente. Es standen große Probleme vor uns: Wo werden die Hunde während des Kurses unterbebracht? Wir brauchen ein Büchlein über die Ausbildung der Hunde in zwei Sprachen, wir müssen zu den Kursen Fachleute für die Abende im „Haus der Berge“ einladen. Mit Fritz und seinem Cousin Ernst (Sayonara) mussten wir sofort ans Werk gehen. Fritz besorgte einige Unterlagen aus der Schweiz und aus Österreich. Ernst und ich arbeiteten 6 Monate lang an der Erstellung des Büchleins „Der Lawinenhund und sein Führer“. Fritz korrigierte und überwachte die Arbeit. Das Handbuch erschien 1971 in zwei Sprachen unter den Namen von Fritz (Josef Hurton und Ernst Reinstadler als Mitarbeiter). Für die Unterkunft der Hunde stellte ich die Pfarrwiese zur Verfügung. Es wurden 30 Hundeboxen bestellt und aufgestellt. Alle Programme und die Ein­ladungen mussten zweisprachig verfasst und gedruckt werden. Die Tagesprogramme der Kurse zu erstellen war meine Arbeit. Die Vorträge mussten schon 1 Jahr vorher gesichert werden. Zu den wichtigsten gehörten die Ausführungen der Tierärztin Dr. Elfriede Prinegg aus Meran. Sie überwachte die Kurse. Später übernahm diese Arbeit die Ärztinnengruppe von Bozen. Es kamen veschiedene Fachleute als Relatoren. Die Ausbildung der Instrukteure übernahm Fritz selbst, wozu auch Fach­leute aus der Schweiz und Öster­reich eingeladen wurden. Der Kurs begann immer mit einer hl.Messe in der Pfarr­kirche und endete auch mit einer Dankmesse. In allen unseren Bemühungen standen uns unsere Vorsteher in Bozen zur Seite: Cav. Ariele Marangoni und der Provinz­sekretär Geom. Aldo Rossi, der während der Kurse in Sulden anwesend war und mit Ernst einige finanzielle Angelegenheiten der Schule erledigte. Der Journalist Mauro Fattor schreibt in seinem oben genannten Buch (übersetzt auf Deutsch): „Josef Hurton entwickelt in dieser Zeit eine eingehende Tätigkeit der Information, Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung der ­öffentlichen Meinung, die sich als sehr wertvoll herausstellt. Von ihm stammen auch die ersten Filmdokumente. Und dann sind noch die indirekten Vorteile zu nennen: diese außergewöhnliche Pfarrer als Helfer weckt das Interesse der großen nationalen Zeitungen und des Fernsehens in gehörigem Ausmaß, sodass das Ansehen und der Bekanntheitsgrad der Lawinenhundeschule von Sulden und der Tätigkeit der Bergrettung insgesamt erheblich wachsen. Im Spannungsfeld zwischen ­alpiner Technik und christlicher Nächstenliebe ist Josef Hurton zweifellos ein beispielgebendes Vorbild der Moderne.“ Die nationalen Kurse werden ausgebaut, was die Organi­sation und die Didaktik anbelangt. Dazu kommt die harte Arbeit auf den Lawinen. Bei den Abenden hinzugefügt werden Unterrichtsstunden, Ski­touren mit Hund, Abtransport der Hunde mit Akia und Sessellift, Verwendung der Sonde auf der Lawine und Rettung mit Hubschraubern. Unter der Vor­tragenden sind auch Gen. Aldo Daz, Dr. Palmieri, Dr. Lettrari und andere. 1974 besuchen 47 Hunde mit ihren Führern die Kurse. ln diesem Jähr gibt Fritz Reinstadler aus persönlichen Gründen­ die Leitung der Schule auf und zieht sich zurück. Fritz war ein begabter Leiter mit ausgeprägter Menschenkenntnis und Freundlichkeit. Sein Abgang hat die Mitarbeiter der Schule, die Teilnehmer und auch die ­Behörden hart getroffen. Die Neuwahl war nicht leicht. Als Übergangslösung nimmt Instruktor Livio Zamboni die Leitung an, aber bald darauf wird Hermann Pircher zum neuen Leiter gewählt. Hermann kann sich auf eine gut organisierte Schule mit erstklassigen Instrukteuren stützen. Diese ­waren: Finanzoffizier Carlo­ Arici, Livio Zamboni und Francesco Dalla Valle. Später ernennt Pircher noch folgende Instrukteure: ­Carabinieri-Offizier Vincenzo­ Passeri, ­Riccardo Borney (Aosta),Virgilio delle ­Vedove, Herbert Kössler, Manlio ­Briatore, Heinrich Aichner und Enzo Vezzoli. Damit die Schule in strengen Bahnen bleibt, schlägt ­Hermann Pircher der zentralen Leitung vor, die Statuten zu ergänzen, damit die Hundeführer mit ihren Hunden öfters im Jahr an Kursen teilnehmen sollen. Der große Verdienst von ­Leiter Pircher war die Einführung der Kurse für Katastrophen­fälle und die Suche im Wald und Gelände. Diese Einrichtung kommt bald zur Geltung bei dem Erdbeben am 23. November 1980 in Irpinia. Innerhalb von 24 Stunden starten die Hundeführer Hermann ­Pircher mit ­„Ketty“, Virgilio delle ­Vedove mit „Roby“, Carlo Orsi mit ­„Mungo“, Carmen Lunelli mit „Cee“, Renato Bordon mit „Nube“ und Herbert Kössler als Experte und Helfer. 1983 tritt Hermann Pircher als Leiter der Schule zurück. Sein Nachfolger ist General Daz. Unter dessen Leitung werden neue Statuten erarbeitet und die Zusammenarbeit mit den Hubschraubern des IV. Armeekorps wird intensiviert. Nach 4 Jahren folgt Enzo Vezzoli als Leiter. Kurz danach wird die Lawinenhundeschule in Sulden aufgelöst und nach Santa Catarina (Bormio) verlegt. Die Obrigkeit hat entschieden, dass die Schule rotationsmäßig periodisch den Sitz ändern soll. Es war eine gute Entscheidung. Die ­Lawinenhundeschule von Sulden hat 26 Jahre lang gut funktioniert. Es wurden einige hundert Hundeführer und Lawinenhunde ausgebildet für Südtirol und für das ganze Staatsgebiet. Durch unsere Instrukteure wurden neue Schulen eröffnet (Carabinieri, Finanzwache). Auch der Alpenverein hatte inzwischen seine eigene Schule. Wir können mit Freude auf ein gelungenes Werk zurückblicken­, das zur Rettung von Menschen gegründet wurde und das auch heute noch auf Staatsebene weiter funktioniert. Heute haben wir in Sulden ­einen aktiven nationalen Instruktor, Markus Reinstadler, und einige gute Hundeführer und Hunde. Markus war ein guter Schüler von Hermann Pircher. Er organisiert jedes Jahr Kurse auf Provinzebene und sein Enthusiasmus beflügelt viele, auch im Ausland, an diesen Kursen für Lawinenhunde teilzunehmen. Markus war mit einigen Hunde­führern und Hunden auch im Katastrophengebiet Avellino anwesend. Detail am Rande: Josef Hurton hat übrigens auch zwei Filme über Lawinenhunde gedreht, einen im Jahr 1969 im Auftrag des CAI Mailand und einen weiteren 1973 für den Sender Bozen der RAI. In den 70 Jahren hat in Sulden außerdem ein internationaler Kongress zum Thema Lawinenrettung stattgefunden, wobei auch die damals neuesten Rettungsgeräte aus mehreren Ländern Europas und sogar aus Amerika vorgestellt wurden. von Josef Hurton, Seelsorger in Sulden

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