205 Mal Ja und 207 Mal Nein
Nach einer ersten Bürgerbefragung vor 4 Jahren wurden die Tarscher am 23. Juli erneut zur Urne gerufen.

205 Mal Ja und 207 Mal Nein

Publiziert in 15 / 2006 - Erschienen am 26. Juli 2006
Latsch/Tarsch – „Das ist das Katastrophalste, was passieren konnte.“ So kommentierte der Präsident der Latscher Skicenter GmbH, Thomas Rinner, das äußerst knappe Ergebnis, mit dem sich die Tarscher am 23. Juli in einer Bürgerbefragung gegen den Zusammenschluss des Skigebietes Tarscher Alm mit der Schwemmalm in Ulten ausgesprochen hatten. Von den 559 Abstimmungsberechtigten (alle Tarscher ab 16 Jahre) waren 74,6 Prozent zur Wahl gegangen. 205 Bürger stimmten für den Zusammenschluss, 207 dagegen. 4 Stimmzettel waren weiß, einer ungültig. In Prozent ausgedrückt sagten 49,16 Prozent Ja und 49,64 Prozent Nein. Bei einer Befragung am 3. Februar 2002 war ein Zusammenschluss mit über 60 Prozent abgelehnt worden. „Das Okay aus Tarsch ist nicht gekommen und für uns als Skicenter ist die Sache somit erledigt,“ sagte Thomas Rinner unmittelbar nach der Auszählung der Stimmen. Die Politik habe versagt und die Fraktionsverwaltung habe sich vor der Verantwortung gedrückt. Die Chance, das Skigebiet zu erweitern und zu einem späteren Zeitpunkt mit Ulten zusammenzuschließen, sei vertan worden. Für Rinner ist es unverständlich, „dass 200 Leute über einen Wirtschaftssektor entscheiden, der nicht nur für die ganze Gemeinde bedeutend ist, sondern für den ganzen mittleren Vinschgau.“ Vielen Betrieben, die speziell vom Wintertourismus profitieren, dürfte ein böses Aufwachen ins Haus stehen. „Für mich ist klar, dass nun ein Liquidator eingesetzt und der Betrieb nach der Sommersaison mit Stichdatum 31. Oktober 2006 eingestellt wird,“ sagte Thomas Rinner. Für Ernst Sachsalber, den Präsidenten der Fraktionsverwaltung Tarsch, der zu den Zusammenschluss-Befürwortern gehört, war die Angelegenheit am Tag nach der Bürgerbefragung noch offen: „Das Schlimmste ist, dass weder ein klares Nein, noch ein klares Ja herausgekommen ist. Es gibt zwar 2 Stimmen mehr, die Nein gesagt haben, doch prozentmäßig ist auch bei den Neinstimmen die 50-Prozent-Marke nicht erreicht worden.“ Aus diesem Grund „wird nun die Fraktionsverwaltung am 25. Juli eine Entscheidung treffen,“ kündigte Sachsalber am 24. Juli kurz vor Redaktionsschluss an. Er ließ durchblicken, dass dabei auch zugunsten des Zusammenschlusses entschieden werden könnte. Dass nun die Fraktionsverwatung zu entscheiden habe, meinte am Tag nach der Abstimmung auch der Latscher Bürgermeister Karl Weiss: „Die Befragung brachte fast ein Patt und schon allein das deutet auf ein gespanntes Verhältnis zwischen der Gesellschaft und der Fraktion als Grundbesitzer hin.“ Außerdem gehen die Meinungen auch innerhalb der fünfköpfigen Fraktionsverwaltung auseinander, denn zwei Verwalter (Heinrich Pirhofer und Daniel Schöpf) sind gegen den Zusammenschluss. Auf die Frage, wie es nun weitergehen soll, meinte Karl Weiss: „Man kann ja auch einmal schauen, was passiert, wenn das Skigebiet nicht mehr in Betrieb ist. Die Gesellschaft könnte nach Alternativen suchen, etwa in der Form eines Sommerbetriebes.“ Keinen Sinn habe es, „etwas aufzuzwingen, denn das ist immer eine ungute Geschichte. Die Zeiten sind jetzt offensichtlich anders als vor 30 Jahren, als das Skigebiet stark gewünscht wurde.“ Zu schauen gilt es laut Weiss auch, wie sich die Diskussion rund um einen etwaigen Zusammenschluss Sulden-Martell entwickelt, „Martell ist ja nicht so weit von Latsch entfernt.“ Starke Zweifel hege er darüber, ob die privaten Geldgeber im Falle einer positiven Abstimmung in Tarsch das Geld tatsächlich auf den Tisch gelegt hätten. „Ohne Zusammenschluss kein Überleben“ 10 Tage vor der Bürgerbefragung hatte die Fraktionsverwaltung Tarsch zu einer Informationsversammlung eingeladen. „Ohne einen Zusammenschluss mit der Schwemmalm in Ulten kann das Skigebiet Tarscher Alm in Latsch nicht überleben,“ sagten damals nicht nur Skicenter-Präsident Thomas Rinner und Geschäftsführer Georg Pegger, sondern auch Bürgermeister Karl Weiss und Fraktionsvorsteher Ernst Sachsalber. Letzterer hatte im voll besetzten Saal der Vereinshauses Sigmunt Angerer über die Forderungen der Fraktion an die Skicenter informiert: keine Erweiterung der bestehenden Parkplätze (mit Ausnahme eines etwaigen Wendeplatzes für Busse), Übertragung der Zirmruanhütte an die Fraktion ab November 2006, Übereinkommen bezüglich der Wassernutzung bzw. genauer Nachweis über die Wasserentnahme sowie eine jährliche Entschädigungssumme für die Nutzung von Weiden, Wäldern und anderen Flächen im Ausmaß von insgesamt knapp 30.000 Euro. Die Skicenter GmbH hatte sich vorab bereit erklärt, alle Forderungen bedingungslos anzunehmen. „Wir stehen heute mit unserer Vision am Abgrund, es hängt von euch Tarschern ab, ob wir die nächste Wintersaison öffnen können oder ob wir zusperren müssen,“ meinte Thomas Rinner auf der Versammlung. Nur wenn die Aussicht besteht, das Skigebiet mit Ulten zu verbinden, was frühestes 2013 denkbar sei, habe die Tarscher Alm eine Überlebenschance. Aus derzeit 3,5 Kilometern an Pisten könnten 35 werden. Nur eine Erweiterung auf Latscher Seite sei zu wenig. „Entweder ordentlich oder gar nicht,“ sagte auch Georg Pegger. Sowohl er als auch der Präsident verwiesen auf den „Vorstoß aus Sulden.“ Wie mehrfach berichtet, wird seit einiger Zeit auch über eine Anbindung des Skigebietes Sulden mit Hintermartell diskutiert. Dass die Konkurrenz nicht schläft, meinte auch Bürgermeister Karl Weiss. Die Gemeinde sei bereit, mit einer Million Euro mitzuhelfen und auch eine moralische Unterstützung zu leisten, um der Skicenter GmbH die Chance zu geben, „weiter zu kommen“. Für das eigentliche Kapital hätten die Betriebe bzw. die privaten Geldgeber aufzukommen. „Den Verkehr haben wir alle, nicht nur die Tarscher, und auch das Geld, das die Gemeinde zu geben bereit ist, ist das Geld aller Bürger,“ führte Karl Weiss bei der Info-Versammlung weiter aus: „Ohne den Zusammenschluss mit Ulten kommt gar nichts und schon die ersten 6 bis 7 Millionen Euro für die Erweiterung wären umsonst.“ Sollte für das Skigebiet, das es seit 28 Jahren gibt, das Aus kommen, „könnte dafür morgen den Tarschern die Schuld gegeben werden.“ Bei der Diskussion stellte sich heraus, dass die Tarscher Bürger geteilter Meinung sind. Ängste und Befürchtungen wurden vor allem in Bezug auf den Verkehr und den Wasserbedarf für die Beschneiung geäußert. Auf Zweifel darüber, ob die so genannten Geldgeber tatsächlich bereit sind, zu investieren, oder ob es sich nur um „Geld auf dem Papier“ handle, wurden laut. Diese geteilten Meinungen fanden 10 Tage später in der Bürgerbefragung ihren Niederschlag. Unter den Kritikern auf der Versammlung befanden sich auch Mitglieder der Umweltschutzgruppe Vinschgau. Deren Vorsitzender Peter Gasser warnte vor schweren ökologischen und wirtschaftlichen Folgen eines Zusammenschlusses mit Ulten. Im Vinschgau sei derzeit ein Verdrängungswettbewerb unter den Skigebieten zu beobachten. Sulden habe „massive wirtschaftliche Probleme,“ die Haider Alm sei beim „Absaufen“. Die Frage, ob Latsch die richtige Gemeinde für ein Skigebiet sei, müsse man sich schon stellen dürfen. Ein Zusammenschluss mit Ulten erachtet Gasser als „nicht machbar“. Ernst Sachsalber drängte auf der Versammlung zwar auf eine Entscheidung, aber dazu ließen sich die Tarscher nicht hinreißen. „Wir wurden gerufen, um informiert zu werden und nicht, um eine Entscheidung zu treffen,“ hieß es mehrfach. Entschieden haben die Bürger 10 Tage nachher. Das Referat Natur und Umwelt im AVS hatte noch vor der Befragung alle geplanten oder gewünschten Zusammenschlüsse von Skigebieten (Ulten–Latsch,Sulden–Martell, Langtaufers–Kaunertal) klar abgelehnt.
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.