Alarm! Wald in Not
Andreas Platter bei seinen ­Ausführungen am Bergsee.

Alarmstufe Rot. Es geht um unsere Sicherheit

Publiziert in 34 / 2013 - Erschienen am 2. Oktober 2013
Diesmal kamen die Warnrufe nicht von den Forststationen, sondern von den Verwaltern der Fraktions- und Gemeindewälder. Es ist gerade noch fünf vor Zwölf für weite Teile des Schutzwaldes. Burgeis - „Wir haben alle die gleichen Probleme und es kann nicht sein, dass jeder von uns immer das Rad neu erfinden muss“, erklärte Armin Plagg, Vorsteher der Verwaltung bürgerlicher Nutzungsrechte in Mals, als er an der Talstation der Watles-Bahn die 20 Teilnehmer seines „Pilotprojektes“ begrüßte. Unter Problemen, die allen Waldbesitzern zunehmend Sorgen machen, verstanden die Intitiatoren des Treffens, Vorsteher Plagg und Mitverwalter Friedl Noggler, in erster Linie die Schutzwaldsanierung und damit verbunden die Lawinenverbauung, der überaltete Lärchenbestand und die Weidetrennung. Vorsätzlich ausgespart worden waren aus der Tagesordnung - aber wie ein roter Faden immer präsent - die Themen Wildbestand und Wilddruck. Dass es eine sehr spezielle Exkursion werden würde, war allen Beteiligten spätestens in der ­Aufforstungszone Rasitsches oberhalb des Schliniger Weilers Lutaschg klar. Vor den Vertretern der Verwaltungen bürgerlicher Nutzungsrechte von Mals, Burgeis, Laatsch, Schleis, Schlinig, Planeil, Ulten-Alsack und der Gemeinde Schluderns berichtete der Malser Forstamtsleiter Stefan Peer, dass seit 40 Jahren versucht werde, in diesem Gebiet die Reste des Waldbestandes zu sanieren und das ehemalige Weidegebiet aufzuforsten. Im Vergleich mit Fotos aus den Nachkriegsjahren seien Erfolge im Baumbestand augenscheinlich, aber es seien auch Fehler gemacht worden. Man hat Lehren gezogen Peer, Forstinspektor Mario Broll und sein Stellvertreter Georg Pircher sprachen diese auch offen und schonungslos an. So sei zum Teil falsches Pflanzmaterial verwendet und die Bäume durch technische Bauten vor Schneeverwehungen nicht genügend geschützt worden. Schnee­brücken, Schneerechen und Dreibeinböcke aus Holz wurden erst nach weiteren Lawinenabgängen Richtung Lutaschg angebracht. 1994 wurde mit 2.600 Laufmetern Zaun das Gebiet vor Beweidung geschützt, zum Leidwesen vieler Viehbauern. Außerdem wurden über 26.000 Bäume, davon 70 Prozent Zirben und 30 Prozent Lärchen, gepflanzt. Als Grund für den hohen Zirbenanteil gegenüber der Pionierpflanze Lärche führte Stefan Peer die Fähigkeit der wintergrünen Zirbe ins Feld, Verwehungen mehr Widerstand zu leisten und den Schnee besser zu verteilen. Peer gab auch zu, dass der Einzelschutz gegen Wildverbiss (ein Drahtnetz um die Baumpflanze) durch Schneeverwehungen so gut wie nutzlos werden kann. Aus dieser Erfahrung heraus seien dann 2012-2013 weitere 216 Laufmeter Schneerechen und Verwehungszäune angebracht worden. Über deren Machart und Verankerungsform informierte Förster Albert Pritzi in seiner Eigenschaft als Koordinator für technische Verbauungen. Die Verbauungskosten pro Hektar wurden mit 132.800 Euro beziffert. Für das Aufforstungsprojekt Rasitsch seien etwa 2,5 Millionen Euro aufgewandt worden, erklärte Peer. Den Fraktionsverwaltern war die Betroffenheit anzusehen. Im Geiste wird sich der eine oder andere sicher überlegt haben, wer das in Zukunft wohl zahlen werde. Es versteht sich, dass es zu Wortwechseln kam und dass anregend, zum Teil aufgeregt in Kleingruppen diskutiert wurde. Fast wie im Mittelalter Die Diskussionen ebbten nicht ab, im Gegenteil, sie kamen so richtig in Schwung, als man von der Plantapatsch-Hütte durch die Flur Tschungai, über das Alweina-Bachl nach Tablaschalk und über Lutesmez zum Bergsee oberhalb Burgeis wanderte. Drastisch führten Stefan Peer und Inspektor Broll den Verwaltern die Problematik der Beweidung vor Augen. „Früher waren der Hirte und seine Helfer oder auch die Bauerskinder mit dem Vieh unterwegs“, erinnerte Broll. „Inzwischen wird das Galtvieh einfach in den Wal getrieben. Fast wie im Mittelalter, kommt mir vor. Hirte kann man sich keinen mehr leisten und so fressen die Tiere kreuz und quer die besten Gräser ab.“ Länger nicht beweidete Grasflächen würden verborsten und die weit verstreuten Tiere außerdem Trittschäden verursachen. „Und uns geht man auf die Nerven, dass zu wenig Weidefläche zur Verfügung stehe und wir abholzen sollen“, warf Armin Plagg ein. Lösungsversuche, durch umzäunte Flächen den Jungwuchs zu sichern, würden am Wilddruck scheitern, wurde angemerkt. Als ob es dazu eine Bestätigung bräuchte, tauchte in einem eingezäunten und aufgeforsteten Bereich ein Hirsch auf. „Gut organisiert!“, rief man scherzhaft den Förstern zu. Aus der Ressource wurde ein Problem In der Burgeiser Naherholungszone Bergsee angekommen wurden die Teilnehmer zuerst mit Grillspezialitäten verwöhnt und dann mit einem Vortrag von Förster Andreas Platter noch einmal wach gerüttelt. Am Beispiel von Waldwirtschaftsplänen dreier Fraktionen wurde die Überalterung vor allem der Lärchenbestände und deren bevorstehender Zusammenbruch aufgezeigt. Die Schutzfunktion gegen Erosion, Lawinen und Steinschlag gehe unter den Nachwirkungen früherer Waldweide beziehungsweise bestehender Weidebelastung zunehmend verloren. Durch die längeren Verjüngungszeiträume werde der jährliche Hiebsatz immer bescheidener. Mario Broll fasste zusammen: „In diesem Zustand ist der Wald nicht mehr Ressource, sondern Problem.“ Platter ließ vor allem aufhorchen, als er auf die Kostenverhältnisse für Schutzwaldpflege, für Wiederherstellung und für die Notwendigkeit technischer Verbauungen einging. Wenn für die Pflege eine bestimmte Summe aufzuwenden sei, würde sich diese bei Wiederherstellungsmaßnahmen verzehnfachen. Kämen technische Verbauungen dazu, betrage der Aufwand das Hundertfache. In der sich anschließenden Diskussion standen die nachhaltige Nutzung und die Sorge um ausbleibende Förderungen im Vordergrund. Inspektor Broll versuchte zu beruhigen: „Wenn wir zusammenstehen und imstande sind, gemeinsam nachhaltige Konzepte vorzulegen, werden wir weiterhin eine Stimme haben im Land, in Mailand, Rom und Brüssel. Natürlich ist der Schutzwald ein öffentliches Problem, aber wir können kaum mit öffentlichen Beiträgen rechnen, wenn wir nicht die Hausaufgaben machen und dazu gehören Aufforstung, Weidetrennung und Wildregelung.“ Infos 38.900 Hektar Wald werden im Vinschgau (ohne Schnals) vom Forstamt Schlanders betreut. Davon wurden 7.000 Hektar Lärchenwald kartiert und 1.400 Hektar in einem sehr bedenklichen Zustand befunden. Die von der Forststation Mals betreute Waldfläche im Umfang von 12.500 Hektar liegt in den Fraktionen Mals, Burgeis, Laatsch, Schleis, Schlinig, Tartsch, Matsch, Planeil, Ulten-Alsack, im Einzugsgebiet der Interessentschaft Plawenn und in den Gemeinden Schluderns, Glurns und Taufers im Münstertal. Den Waldanteil der Eigenverwaltung Mals in der Gemeinde Stilfs wird von der Forststation Prad, der in Tschengls von der Forststation Schlanders betreut. Günther Schöpf
Günther Schöpf
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Vinschger Sonderausgabe

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