Andreas Hofer Spanienlegionär aus Glurns
Mit leichtem Granatwerfer hatten sich Soldaten der Division Littorio in kämpferische Pose gebracht. Der Zigaretten drehende Soldat rechts im Bild machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. (Nachlass Sandri, Südtiroler Landesarchiv, Ausstellungskatalog)

Andreas Hofer ist in Spanien gefallen

Publiziert in 6 / 2008 - Erschienen am 20. Februar 2008
Die bisher größte Fotodokumentation zum Spanischen Bürgerkrieg 1936 – 1939 wurde in Sterzing entdeckt. 4000 Bilder waren in einer Holzkiste verstaut und neben einer Mülltonne abgelegt worden. Ein glücklicher Zufall wollte es, dass die Historikerin ­Samantha Schneider die Bilder fand. Sie übergab sie dem Südtiroler Landesarchiv, wo sie vom Mitarbeiter Andrea Di Michele ausgewertet wurden. Anhand von Uniformen und Abzeichen identifizierte Di ­Michele nicht nur die Einheit der abgebildeten Soldaten, sondern stieß mit Hilfe eines ehemaligen Offiziers dieser Einheit auch auf den Fotografen. Ans Tageslicht kam die erstaun­liche Geschichte des Meraners Wilhelm Schreffler, der sich ab März 1935 Guglielmo Sandri nannte, als Oberleutnant zwischen 11. Februar 1937 bis zum Ende des Bürgerkrieges den „Kampf gegen Kommunisten und Bolschewisten“ in Spanien mit dem Fotoapparat begleitete und 1979 in Sterzing als Italiener mit ungewöhnlichen Deutschkenntnissen starb. Bei seinen Recherchen stieß Di Michele auch auf den Namen von Andreas Hofer aus Glurns, der als „Caporal Maggiore del 1o Reggimento Frecce Azzurre“ am 27. März 1938 bei „Mirablanca Teruel“ verwundet wurde und im Feldlazarett verstarb. von Günther Schöpf Am 22. Mai 1938 titelte die Tageszeitung „La Provincia di Bolzano”: Legionari atesini nella luce della gloria (Südtiroler Legionäre im Ruhmeslicht) und widmete mehrere Seiten einer Ehrung von Südtiroler Gefallenen in Abessinien und Spanien. Dazu war sogar der Parteisekretär in die Stadt gekommen. Über Andreas Hofer aus Glurns steht unter anderem zu lesen: „Nach seinem Militärdienst wollte er noch einmal dem faschistischen Vaterland dienen und bemühte sich, im Namen Roms für eine tief empfundene Idee weiterzukämpfen. Ruhmreich schlug er sich in der Verteidigung der schwarzen Wimpel des Faschismus, in deren Schatten er gekämpft hatte. Im Triumph von Malaga, im Ruhm von Guadalajara, an der Front von Teruel und in der Schlacht von Aragon, in jedem Wagnis, in jeder Aktion war er erster der ersten. Für seinen disziplinierten Geist, seinen männlichen Mut wurde er feierlich ausgezeichnet. Er fiel unter Lerida, als er schon siegesgewiss, das Meer vor Augen, Francos Fahnen küsste.“ Für Andreas Pankraz Hofer, geboren am 11. Mai 1915, gab es keinen der üblichen Gründe, in Spanien für Mussolinis Größe die Knochen hinzuhalten. Er hatte mit der „kommunistischen Gefahr“ in Spanien und dem italienischem Nationalismus nichts am Hut; er war weder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, noch stammte er aus einer sozial schwachen Familie. Im Gegenteil, dem ältesten Sohn des Kronenwirtes von Glurns, des Metzgermeisters und Landwirts Karl Hofer und seiner Frau Josephine Niederegger aus Prad stand eine wirtschaftlich mehr als gesicherte Existenz bevor. Außerdem gehörte Andreas zu den ganz wenigen, die eine dreijährige Handelsschule besucht hatten. Am 20. Mai 1935 wurde er aus dem regulären Militärdienst entlassen. Ob er als „Bersagliere“ in Neapel gedient hatte, wie sein um vier Jahre jüngerer Bruder Simon erzählte, konnte dem Matrikelblatt, das Archiv-Mitarbeiter Di Michel im Staatsarchiv entdeckt hatte, nicht entnommen werden. Laut der Registrierung ist Hofer, der Deutsch und ein „Italiano alloglotto“, ein anders lautendes Italienisch, sprach, am 5. Oktober 1936 zum 35. Infanterie-Regiment einberufen worden, laut Bruder Simon in Glurns hat er sich freiwillig gemeldet, „weil da etwas mit dem Vater war“; er wisse aber nicht, „was der Bruder angestellt“ habe. Aber eingerückt sei auch, weil man sehr viel Geld verdienen konnte. Der in Urbino lehrende Alfonso Botti schreibt im Ausstellungskatalog „Legionari“ von 1.060 Lire bei der Abfahrt, 73 Lire Tagessold, weitere 707 Lire nach vier Monaten und zusätzlich 713 Pesetas monatlich für einen Oberleutnant. Ein gewöhnlicher Soldat erhielt 20 Lire und 150 Pesetas Tagessold. Im Falle von Andreas Hofer registriert am 23. Juli 1940 die Militärdienststelle in Bozen den Betrag von Lire 1.320 netto für den „freiwilligen Dienst im Ausland“. Dies entspricht in etwa dem heutigen Wert von 1.056 Euro; der Kronenwirt von Glurns hätte sich damals eine gute Kuh kaufen können. Andreas Hofer wurde am 5. Jänner 1937 als Soldat des „1. Reggimento Fanteria Frecce Azzurre“ in Neapel nach Spanien eingeschifft und betrat sieben Tage später national-spanischen Boden im Kriegshafen von Cadiz. „Die blauen Pfeile“ scheinen von Anfang an eine gemischt italienisch-spanische Brigade gewesen zu sein, deren Führung immer umstritten war und die zusammen mit vier weiteren Divisionen den CTV, den „Corpo Truppe Volontarie“, bildeten. Drei Divisionen bestanden aus schwach ausgebildeten, zum Teil fanatisierten Milizionären der „Camicie Nere“, der Schwarzhemden, die vierte, die Division Littorio, zu der auch Fotograf Wilhelm Schreffler alias Guglielmo Sandri aus Meran gehörte, bestand aus Armeeangehörigen und war „auf höherem Befehl im Einsatz“. Folgt man dem Bericht der „Provincia di Bolzano“ war Andreas Hofer unter den Siegern von Malaga. Mit Hilfe italienische Kriegsschiffe und der Luftwaffe war die Stadt sturmreif geschossen worden. Die neuartigen Panzerfahrzeuge der Italiener und ihre schwarzen Uniformen mit Totenkopf an der Mütze sollen Panik ausgelöst haben. Nach nur drei Tagen war die zweitgrößte Stadt Andalusiens eingenommen. Der „Blitzkrieg von Malaga“ hatte nur geringe militärische Bedeutung, für die Faschisten war er aber der ersehnte Sieg und der Beweis für die Kriegstauglichkeit der Verbände. Noch erfüllt von der Begeisterung über ihren Sieg beteiligten sich 30.000 italienische Legionäre an der Schlacht um die Hauptstadt Madrid und erlitten prompt eine fürchterliche Niederlage bei Guadalajara. Bei schlechter Sicht bekämpften sich das Bataillon Garibaldi und Gruppen der Division „Schwarze Flammen“ gegenseitig und rangen einen Tag lang um den Besitz eines Landhauses. Als es am 18. März zu einem republikanischen Gegenangriff kam, lösten sich die faschistischen Verbände in heilloser Flucht auf. Über 500 Soldaten (andere Quellen sprechen von bis zu 2.000) sollen dabei gefallen sein, 4.000 wurden verwundet, 300 kamen in Gefangenschaft. Es kam zu Desertierungen und zu Exekutionen jener Schwarzhemden, die sich selbst verstümmelt hatten, um nicht weiterkämpfen zu müssen. Mussolinis Außenminister Galeazzo Graf Ciano verbreitete indes Siegesmeldungen und vertuschte das Debakel der Truppe. Die Bozner „Alpenzeitung“ (deutsche Ausgabe der „Provincia“) schrieb vom „Ruhm von Guadalajara“. Nach der Besetzung des Nordens hatte Generalissimus Franco die Eroberung des Südens angeordnet und dabei versucht, die Italiener möglichst fern zu halten. Bei der Schlacht von Teruel (Aragon) nutzte er nur deren Artillerie und Luftwaffe. Benito Mussolini war aufs höchste verärgert und erreichte ab Mitte März 1938, dass die „Freiwilligen“ aus Italien wieder zur Vorhut der Angriffstruppen gehörten. Heimlich hatte er seine Truppen mit frischen Kräften und Waffen versorgen lassen; sie sollten unbedingt als erste die Mittelmeerküste erreichen. Vor Tortosa stieß das italienische Korps aber noch einmal auf erbitterten Widerstand. Am Sonntag, 27. März 1938 – die „Blauen Pfeile“ hatten den Sieg vor Augen, Aragon war befreit, die Republikaner leisteten nur mehr vereinzelt Widerstand – wurde „Andrea Hofer“ aus Glurns von einer Gewehrkugel getroffen. Im „Feldspital A“ seiner Einheit wurde ein „Einschuss an der rechten Schläfe mit Austritt von Gehirn“ festgestellt. Stunden später erlag der Unteroffizier der schweren Verletzung. Beigesetzt wurde Hofer im Grab Nummer 78 des kleinen Dorfes Valdealgorfa, in der aragonesischen Provinz Teruel (Mitteilung des Kriegsministeriums vom 19. Juni 1943). Es ist anzunehmen, dass sich das Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn auch während des Krieges nicht gelegt hatte. Es gibt keine Nachrichten aus Spanien, keine persönlichen Briefe des Sohnes an seine Eltern in Glurns, nicht einmal an seine Schwester Gertrud, mit der Andreas sehr verbunden war. Neffe Karl, hat auch bei den Verwandten in Bozen und Laas weder Fotos, noch Briefe von seinem Onkel Andreas auftreiben können.
Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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