„Boudalaar“
In Kürze beginnt die große Aufschüttung
Der Grauner Bürgermeister Franz Prieth
Diese Grafiken zeigen, wie stark sich die Absenkung des Wasserspiegels von 1.475 auf 1.472 Meter über dem Meer auf die Wasseroberfläche auswirkt.
Der Mündungsbereich des Karlinbachs wird derzeit ausgebaggert. Der Flinz wird provisorisch angehäuft und später im Zuge der Aufschüttung auf dem Seeboden ausgebracht.
Die braune Fläche skizziert den Bereich des Seebodens, aus dem das Material ausgehoben wird, die grüne veranschaulicht den aufzuschüttenden Damm, über den künftig die Straße (roter Strich) und der Radweg verlaufen sollen.

Bald geht es los

Über 2,5 Millionen Kubikmeter Erdmaterial werden bewegt. „Vorspiel“ im Mündungsbereich des Karlinbachs.

Publiziert in 5 / 2023 - Erschienen am 14. März 2023

Graun - Schon seit etlichen Tagen sind im Mündungsbereich der Karlinbachs in Graun moderne Großbagger im Einsatz. Sie tragen die meterhohe Flinzschicht ab und schütten sie zu Dämmen auf. Von rund 100.000 Kubikmeter Geschiebematerial, das der Karlinbach im Laufe vieler Jahre von Langtaufers zum Ufer des Reschenstausees gespült hat, wird der Mündungsbereich befreit. 100.000 Kubikmeter entsprechen in etwa dem Volumen von 200 Einfamilienhäusern. „So kann man sich vorstellen, welches Ausmaß die Aufschüttungsarbeiten haben, die Ende März entlang der Galerien beginnen und bei denen im heurigen und nächsten Frühjahr insgesamt über 2,5 Millionen Kubikmeter bewegt werden“, sagte der Grauner Bürgermeister Franz Prieth (im Bild) dem der Vinschger. Die derzeit laufende Räumung der Karlinbach-Mündung habe mit dem Aufschüttungsprojekt nicht direkt zu tun, sondern sei einer der positiven Synergie-Effekte des Mammutprojekts. Franz Prieth: „Die Alperia Vipower AG führt die Arbeiten im Mündungsbereich auf eigene Kosten durch. Für den Schotter, der neben dem Flinz ausgehoben wird, bekommt die Gemeinde sogar einen Geldbetrag.“ Noch wichtiger für die Gemeinde sei aber der Aspekt der Sicherheit, „denn wenn der See voll ist, staut er sich weit über den Mündungsbereich zurück und wir hätte das Wasser im schlimmsten Fall sogar in den Häusern rund um das Gemeindehaus mit Feuerwehhalle und Bauhof.“ Der ausgebaggerte Flinz wird im Zuge der Aufschüttung gleichmäßig auf dem Seeboden ausgebracht.

„Es geht um die Sicherheit“

Umgesetzt wird das Aufschüttungsprojekt aus Gründen der Sicherheit. Ziel ist, den rund 1,5 Kilometer langen Straßenabschnitt entlang der Galerien dauerhaft vor Lawinen, Muren und Steinschlägen abzusichern, indem sowohl die Straße als auch der parallel dazu verlaufende Radweg rund 60 Meter in Richtung See verlegt werden. „Wir hatten fast jährlich Straßensperren, auch im Vorjahr ging eine Mure ab“, sagt der Bürgermeister. Eine Sanierung der Galerien wäre nicht nur mit gewaltigen Kosten verbunden gewesen, sondern es hätten zusätzliche freie Straßenabschnitte verbaut werden müssen. Das Aufschüttungsprojekt fußt auf einer im Vorjahr unterzeichneten Vereinbarung zwischen der Gemeinde Graun, der Agentur für Bevölkerungsschutz, dem Betreiber des Stausees (Alperia Vipower AG) und dem Land (Ressort für Infrastruktur und Mobilität, Abteilung Tiefbau). Dass die Umsetzung in Kürze beginnen kann, ist auch darauf zurückzuführen, dass die Gemeinde Graun die Planung übernommen und dafür fast 175.000 Euro hingeblättert hat. „Ein Glücksfall für uns war es, dass wir die Firma ‚Pohl + Partner’ für die Projektierung gewinnen konnten“, blickt der Bürgermeister zurück. Siegfried Pohl habe bei der Projektierung auf seine Erfahrungen zurückgreifen können, die er bereits bei den Aufschüttungen in den 1980er Jahren gemacht hat. Außerdem sei es Siegfried Pohl gelungen, mit dem Ingenieur Giovanni Bosco aus Palermo einen anerkannten Fachmann und Experten mit ins Boot zu holen.

Wasserspiegel sinkt auf 1.472 Meter

Die Alperia Vipower hatte schon vor Monaten begonnen, den Stausee abzusenken. Bis zum Beginn der Arbeiten soll der Wasserspiegel auf ca. 1.472 Meter über dem Meer sinken. Der See wird somit „boudalaar“, wie sich der Bürgermeister in seiner Oberländer Mundart ausdrückt. Und zwar nicht nur während der heurigen Arbeitsphase, sondern auch im nächsten Frühjahr. Laut der genannten Vereinbarung erfolgt die Aufschüttung in den Jahren 2023 und 2024, und zwar jeweils im Zeitabschnitt zwischen Mitte April und Ende Mai. Die Bauleitung übernimmt die Agentur für Bevölkerungsschutz. Für die Aufschüttung stellt das Land rund 11 Millionen Euro an Steuergeld bereit, für die Verlegung der Straße und des Radweges, die 2025 erfolgen soll, weitere rund 11 Millionen Euro.

Bietergemeinschaft mit 6 Firmen

Die Aufschüttungsarbeiten wurden mittlerweile über die Vergabeagentur des Landes ausgeschrieben und vergeben. Den Zuschlag sicherte sich eine Bietergemeinschaft von 6 Südtiroler Firmen, unter denen sich auch die 3 Vinschger Unternehmen befinden: Mair Josef & Co. KG, Hofer Tiefbau GmbH und Marx AG. Franz Prieth geht davon aus, dass die Arbeiten Ende März beginnen. Es dürften ca. 60 Schwerfahrzeuge, darunter modernste Großbagger und Muldenkipper, auffahren. Der Aushub erfolgt laut Projekt auf einer Fläche von ca. 75 Hektar des Seebodens. Aufgeschüttet wird bis zu einer Quote von 1.500 Metern über dem Meer. Der Damm, auf dem künftig die Straße und der Radweg verlaufen sollen, wird geschätzte 2,550 Millionen Kubikmeter Aushubmaterial „schlucken“. Das Stauvolumen des Sees bleibt unverändert. Läuft alles nach Plan, werden während der zwei Arbeitsphasen rund 30.000 Kubikmeter pro Tag bewegt.

Belastungen wird es sicher geben

Dass Arbeiten dieser Ausmaße zu bestimmten Belastungen führen werden, Stichwort Staubentwicklung, liegt auf der Hand. „Es wird zwangsläufig zu Belastungen kommen, aber wenn wir uns vor Augen führen, was wir mit diesem Projekt am Ende erreichen, halte ich sie für ‚aushaltbar’. Wir werden nicht nur eine sichere Straße haben, sondern auch eine ‚lieblichere’ Gemeinde, denn zumindest der Großteil der klotzigen Galerien, die das Landschaftsbild seit jeher beeinträchtigen, werden abgetragen.“ Vieles hänge in punkto Belastungen vom Wetter während der Arbeitsphasen ab. Der Bürgermeister - und nicht nur er - hofft, dass die Bevölkerung und auch die Gäste nicht allzu großen Belastungen ausgesetzt werden.

Gute Zusammenarbeit mit Land und Alperia

Dass das Großprojekt überhaupt umgesetzt werden kann, ist laut Franz Prieth nur dank der guten Zusammenarbeit mit dem Land, speziell mit dem Landesrat Daniel Alfreider, der Alperia und weiteren Partnern möglich. Nach dem Neubau des Druckstollens, der in St. Valentin auf der Haide das Dorf unterquert, habe die Alperia auch im Zusammenhang mit dem Aufschüttungsprojekt ihr Entgegenkommen gezeigt. Wie es in der Vereinbarung heißt, steht der Alperia für die Absenkung des Stausees keine Entschädigung zu. Außerdem nutzt die Alperia den Zeitraum der Absenkung dafür, an einem der zwei Entlastungsstollen zwei neue, zusätzliche Schleusen mit einem neuen Schleusenturm zu errichten. Franz Prieth: „Das wäre aus rein sicherheitstechnischen Gründen zwar nicht notwendig, aber es ist eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme, die wir natürlich sehr begrüßen.“ Gesichert sei übrigens auch die eventuelle Bereitstellung von Wasser aus dem Stausee für die Frostberegnung im Vinschgau. Worauf die Gemeinde Graun nach wie vor drängt, ist die Erneuerung des Druckstollens im Abschnitt vom Stausee bis zur Rohrbrücke („Ponte Canale“) in St. Valentin.

Was geschieht mit Fischen und Seglern?

Zu den „direkt Betroffenen“ der Aufschüttung gehören auch die Fische. Im Reschensee leben Bach- und Regenbogenforellen, Marmorierte Forellen, Seeforellen, Saiblinge, Renken und Barsche. Bei einer Aussprache mit den Fischereibetreibern sei diesen laut dem Bürgermeister zugesichert worden, ihre Anliegen ernst zu nehmen und den Fischbestand möglichst zu schützen. Außerdem habe man beim „konstruktiven“ Treffen auch über mögliche Umweltausgleichsmaßnahmen gesprochen, die zum Teil schon zeitnah umgesetzt werden sollen. Betroffen von der Aufschüttung sind natürlich auch die Mitglieder des Segelvereins Reschensee und viele weitere Segelfreunde. Man könne laut dem Bürgermeister nur hoffen, dass der Wasserstand nach dem jeweiligen Ende der Arbeiten wieder möglichst rasch steigt. Dasselbe gelte auch für das Ausflugsschiff „Hubertus“, das zurzeit eingepackt am Seeufer „schläft“.

Bürgerversammlung am 15. März

Um die Bevölkerung über die Aufschüttung und die von der Alperia geplanten Maßnahmen aus erster Hand zu informieren, lädt die Gemeindeverwaltung am 15. März um 19.30 Uhr zu einer Bürgerversammlung in das Vereinshaus in Graun ein. Erwartet werden Landesrat Daniel Alfreider mit seinen Technikern sowie Vertreter der Alperia Vipower AG.

Josef Laner
Josef Laner

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.