„Bürgermeister für Gesundheit verantwortlich“
Publiziert in 25 / 2016 - Erschienen am 6. Juli 2016
Walter Clauser: „Kaum Probleme mit Verordnung.“
Malser Gemeinderat lehnt Aufhebung der Durchführungsverordnung ab.
Malosco/Mals - Als der Gemeinderat von Malosco im Oberen Nonstal im Trentino im Dezember 2010 mehrheitlich eine Durchführungsverordnung zur Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln verabschiedete, sorgte die Kleingemeinde für Schlagzeilen. Es war bis dahin noch nie vorgekommen, dass mit einer Gemeinde-Verordnung die Verwendung von „giftigen“ und „sehr giftigen“ Pflanzenschutzmitteln verboten und ein Abstand von 50 Metern zu Wohngebieten, öffentlichen Flächen, Gärten usw. festgeschrieben wurde. Die örtlichen Bauernvertreter haben die Verordnung zwar beim Verwaltungsgericht in Trient und in letzter Instanz auch beim Staatsrat in Rom angefochten, doch die Verordnung hielt in allen wesentlichen Punkten rechtlich stand. Das Ziel der Verordnung ist es, die Gesundheit der Bürger zu schützen, die ursprüngliche Landschaft zu erhalten und dem Ausbreiten intensiver Bewirtschaftung, wie es Apfel- oder Kirschanlagen sind, einen Riegel vorzuschieben. Auch dem Tourismus der Gemeinde könnte eine Ausbreitung intensiver Landwirtschaftsformen schaden, heißt es in Malosco. Im Urteil des Staatsrates wird unter anderem darauf verwiesen, dass die Verordnung auf den Grundsatz der Gesundheitsvorsorge aufbaue.
Wie ist die Lage derzeit?
„Dass die Gesundheit an erster Stelle stehen muss, daran gibt es wohl keine Zweifel“, sagte Walter Clauser, der Bürgermeister von Malosco, dem der Vinschger. Der Bürgermeister sei für die Gesundheit der Bürger verantwortlich. Clauser ist übrigens erst seit gut einem Jahr der erste Bürger der Kleingemeinde. Die Verordnung war unter seinem Vorgänger Adriano Marini verabschiedet worden. Clauser hatte sich bei der Abstimmung 2010 übrigens der Stimme enthalten. Auf die Frage, wie es sich in Malosco mit der Verordnung derzeit lebt, meinte Clauser: „Ich bin grundsätzlich dafür, dass man zusammenschaut und einander respektiert.“ Er sei ein Befürworter des biologischen Anbaus, bringe aber auch Verständnis dafür auf, dass Landwirte versuchen, ihre Flächen möglichst wirtschaftlich zu bearbeiten. Auf die Frage, ob es im Zusammenhang mit der Verordnung gezielte Kontrollen gibt und ob auch Strafen ausgestellt werden, meinte Walter Clauser: „Seit meinem Antritt als Bürgermeister gab es weder Kontrollen noch Strafen. Wir haben diesbezüglich keine Probleme.“ Erfreut zeigte er sich darüber, dass in Malosco kürzlich ein Biogartenbetrieb entstanden ist.
Nur zwei Landwirte
Landwirte gibt es in der ca. 320 Einwohner zählenden Gemeinde nur zwei. Sie waren es, die gegen die Verordnung rekurriert hatten. Einer von ihnen hatte eine kleine Kirschanlage angelegt. Insgesamt beläuft sich die Fläche der Apfel- bzw. Kirschanlagen im Gemeindegebiet laut Clauser derzeit auf nur zwei bis drei Hektar. Die Gemeinde, die insgesamt 6,8 km² umfasst, liegt auf einer Höhe von knapp 1.050 Metern. Die Wiesen und Grünflächen im tiefer gelegenen Bereich sind noch zum großen Teil so, wie sie seit jeher waren, wenngleich es um die Viehwirtschaft nicht mehr gut steht. Viele Wiesen werden von Bauern der Umgebung gemäht. Ein ganz anderes Bild bietet sich in Gegenden des Nonstals, die etwas tiefer gelegen sind. Dort haben die Äpfel- und Kirschanlagen die Dörfer buchstäblich „umzingelt.“ Es ist vor allem eine solche Entwicklung, die viele Bürger von Malosco offensichtlich nicht wollen. Übrigens: auch in Gemeinden im Nonstal ist es vorgekommen, dass landwirtschaftliche Flächen von Bauern bewirtschaftet werden, die von auswärts gekommen sind, so etwa in Rumo oder Mollaro.
Rekurs gegen
Malser Verordnung
Gegen die Pflanzenschutzmittel-Verordnung der Gemeinde Mals haben 43 Grundeigentümer kurz vor dem Ablauf der 60-Tage-Frist Rekurs beim Verwaltungsgericht eingelegt. Es wird die Zuständigkeit der Gemeinde in Frage gestellt, „die mit ihrer Verordnung weit über die Bestimmungen des Landes, des Staates und der EU in dieser Materie hinaus geht.“ Bürgermeister Ulrich Veith kündigte an, dass sich die Gemeinde auf das Verfahren einlassen wird. Einen Beschlussantrag der 5 Gemeinderatsmitglieder der Offenen Gemeindeliste Mals (Gerold Frank, Ruth Kofler, Peppi Stecher, Sibille Tschenett und Johann Ziernheld), zur Aufhebung der Durchführungsverordnung wurde bei der Gemeinderatssitzung am 29. Juni von allen anwesenden SVP-Räten abgelehnt. Im Beschlussantrag war u.a. auf das Urteil Nr. 706/2016 des Landesgerichtes Bozen verwiesen worden. Das Landesgericht habe „zwar betreffend die damalige Volksabstimmung aber allgemeingültig über das Verbot bestimmter Pflanzenschutzmittel durch Gemeinden festgestellt und erklärt, dass ‘die Gemeinde Mals keine Verordnungskompetenz für die Einführung des (...) vorgesehenen Generalverbots hatte und hat’”.
„In Malosco gab
es rechtlichen Spielraum”
Auch mit dem „Fall Malosco”, der für die Verordnung in der Gemeinde Mals als legitimierender Präzedenzfall bemüht worden sei, habe sich das Gericht befasst und dazu festgestellt: „Das soeben auszugsweise zitierte Urteil des Staatsrates hatte die Verordnung der Gemeinde Malosco aus dem Jahr 2010, mit welcher unter anderem auf dem Gemeindegebiet ein Verbot der Ausbringung sehr toxischer und toxischer Pflanzenschutzmittel verfügt worden war, für rechtmäßig erachtet. Dabei ist jedoch zu erwähnen, dass der Fall der Gemeinde Malosco speziell war, zumal die dort bewertete Gemeindeverordnung zu einem Zeitpunkt verabschiedet worden war, als das Gesetzesvertretende Dekret 2012 Nr. 150 noch nicht in Kraft war. Es bestand somit zum damaligen Zeitpunkt ein rechtlicher Spielraum, der es der Gemeinde erlaubte, in Anwendung des Vorsorgeprinzips tätig zu werden. Anders verhält es sich im vorliegenden Fall, wo eine Reihe von einschlägigen Bestimmungen die Materie der Verwendung und Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln erschöpfend regeln.” Spätestens seit dem Dekret 150/2012 über die Umsetzung der einschlägigen EU-Richtlinie „haben die Gemeinden keine Zuständigkeit, sich unter Berufung auf das Vorsorgeprinzip über den Gesetzgeber hinwegzusetzen”, heißt es im Antrag weiter. Die Durchführungsverordnung nehme zwar einen anderen Weg, als die ursprüngliche Volksabstimmung, „jedoch ist das Ziel dasselbe: Es wird in Abweichung zum Gesetzgeber die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln geregelt.” Zumal die Gemeinde Mals wisse, „dass die Durchführungsverordnung die Wirkung hat, etwas zu verbieten, was vom Gesetzgeber erlaubt ist”, müsse sie umgehend reagieren, „um nicht in gröbster Fahrlässigkeit - oder sogar mit Vorsatz - in Kauf zu nehmen, dass aufgrund der unzulässigen Gemeindeverordnung wirtschaftliche Schäden in der Landwirtschaft entstehen, welche später in erster Linie zwar gegenüber der Gemeinde geltend gemacht werden könnten, sicherlich aber daraufhin im Regresswege auch gegenüber jenen Mitgliedern des Gemeinderates, des Gemeindeausschusses und der Gemeindebehörden, die trotz der Kenntnis über die Unzuständigkeit der Gemeinde die Entstehung von Schäden zu Lasten von Dritten bzw. der Gemeinde in Kauf nehmen.”
„Sehe keinen
Bedarf für Aufhebung”
Bürgermeister Ulrich Veith sagte, dass er keinen Bedarf sehe, die Verordnung aufzuheben: „Im Gegenteil. Der Schutz der Gesundheit wird immer dringender. In Südtirol werden immer mehr giftige Spritzmittel eingesetzt.” Veith verwies erneut auf die Ziele der Verordnung. Die Gemeindeverwaltung sei verpflichtet, im Sinne des Vorsorgeprinzips Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie von Pflanzen und Umwelt zu setzen. In der Malser Verordnung wird auch auf die italienische Verfassung verwiesen, welche die Gesundheit als Grundrecht vorsieht, sowie auf die Charta der Grundrechte der EU. - Eines steht fest: Das Urteil des Verwaltungsgerichtes im Zusammenhang mit dem Rekurs gegen die Malser Verordnung wird schon jetzt von allen Seiten mit großer Spannung erwartet.
Sepp
Josef Laner