Daheim bleiben, solange es geht
Publiziert in 32 / 2013 - Erschienen am 18. September 2013
Das Malser Alten- und Pflegeheim baut die Tagespflege aus und will im „alten Altersheim“ neue Idee umsetzen
Mals - Der Ausbau der Tagespflege, die künftige Nutzung des „alten Altersheims“, das betreute Wohnen und teils neue Formen in der Pflege und Betreuung älterer Mitmenschen sind die Schwerpunkte, mit denen sich die Führungskräfte des Martinsheims in Mals seit einiger Zeit beschäftigen. Am 9. September wurden das entsprechende Konzept sowie die Pläne und Ideen öffentlich vorgestellt. Das Konzept „Altern im Dreiländereck“ kann auch als „Erbe“ der scheidenden Präsidentin Brigitte Höller bezeichnet werden, die bei der Vorstellung aus zeitlichen Gründen nicht dabei sein konnte. Neben Gemeindepolitikern und Ärzten konnte Vizepräsident Christian Folie auch Führungskräfte der Sozialdienste der Bezirksgemeinschaft begrüßen, bisherige und neu ernannte Verwaltungsratsmitglieder des Martinsheims, die Direktorin des Landesamtes für Senioren und Sozialsprengel, Brigitte Waldner, sowie den Pflegedirektor Robert Peer. Landesrat Richard Theiner freute sich, dass der Druck auf die Alten- und Pflegeheime Hand in Hand mit der Einführung der Pflegesicherung stark nachgelassen hat. Über 10.000 Personen werden derzeit in Südtirol zu Hause gepflegt, entweder von Familienangehörigen oder von Betreuerinnen („badanti“). Man habe laut Theiner von allem Anfang versucht, das Wohl der pflegedürftigen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. „Alte Leute gehen nicht gern in ein Heim. Sie wollen zu Hause bleiben, solange es geht,“ sagte der Landesrat. Allerdings zeige sich immer stärker, dass pflegende Angehörige oft überlastet sind, „und es gilt daher, auch diese zu unterstützen.“ Gelingen könne dies, „wenn das bestehende soziale Netzwerk noch enger gespannt wird.“ Es gehe darum, abgestimmte Lösungen zwischen allen Partnern und Trägern von Diensten zu finden, und zwar von der Bezirksgemeinschaft und den Gemeinden bis hin zu den Ärzten und Freiwilligen.“ Eifersüchteleien seien fehl am Platz. Theiner zeigte sich zuversichtlich, dass der Netzwerkgedanke in einer so aufgeschlossenen Gemeinde, wie es Mals sei, Früchte tragen wird.
Tagespflege wird ausgebaut
Das Martinsheim verfügt derzeit über 82 Betten. Im Tagespflegeheim werden Seniorinnen und Senioren aus den Mitgliedsgemeinden Mals, Glurns. Taufers i. M. und Graun aufgenommen. Bei den betreuten Personen handelt es sich um ältere Menschen, die infolge körperlicher oder psychischer Gebrechen nicht mehr alleine in ihrer Wohnung leben können oder die eine Betreuung brauchen. Für die Gäste des Tagespflegeheims werden Beschäftigungsprogramme erstellt. Für die Verpflegung sorgt das Küchenteam im Martinsheim. Derzeit wird die Tagespflege zweimal wöchentlich angeboten, wobei jeweils bis zu 9 Personen entweder ganz- oder halbtags betreut werden. „Ab dem nächsten Jahr wird die Tagespflege an 5 Tagen pro Woche angeboten, und zwar für mehr Personen als bisher“, kündigte die Direktorin Roswitha Rinner an. Bis 2016 wird die Tagespflege noch weiter ausgebaut. Eine der Ziele der Tagespflege ist es, älteren Menschen den gewohnten Lebensraum möglichst lange zu erhalten. Dank der Tagespflege können Ängste und Vorbehalte dem Alten- und Pflegeheim gegenüber abgebaut werden. Weiters werden pflegende Angehörige entlastet. Um diesen entgegenzukommen, ist es laut Rinner notwendig, einen kostengünstigen Beförderungsdienst einzurichten, weil die Anfahrtswege im Oberen Vinschgau lang sind. Im Herbst 2013 wird im Martinsheim eine Gesprächsgruppe für pflegende Angehörige eingerichtet. Ziel ist es, Erfahrungen auszutauschen und voneinander zu lernen.
Neue Pläne für „altes Altersheim“
Das „alte Altersheim“ in Mals soll reaktiviert und weiterhin für soziale Zwecke genutzt werden. Nach der Inbetriebnahme des neuen Alten- und Pflegeheims im Jahr 2004 stand das große Gebäude, das aus dem 16. Jahrhundert stammt, für etliche Jahre ungenutzt da. 2010 wurden auf Initiative des Bürgerheims von Schlanders Umbau- und Instandhaltungsarbeiten durchgeführt, um das Gebäude als Ausweichquartier während des Umbaus des Bürgerheims zu nutzen. Die Gäste aus Schlanders werden voraussichtlich im Herbst ins Bürgerheim zurückkehren, sodass das „alte Altersheim“ wieder frei wird. Geht es nach den Wünschen des Martinheims, soll das Gebäude, das drei Stockwerke und einen zweistöckigen Anbau mit einem Gesamtvolumen von 9.000 Kubikmetern umfasst und nur ca. 500 Meter vom Martinsheim entfernt ist, für verschiedene Zwecke und Raumkonzepte im Bereich Wohnen und Tagesbegleitung genutzt werden. Zwei konkrete Schwerpunkte stehen fest: Aktivierung des Tagespflegeheims und Ausbau der ambulanten Betreuung. Auch eine Einbindung des Tourismus in die Tagesbetreuung wird ins Auge gefasst. Mit dem Angebot des betreuten Wohnens für Seniorinnen und Senioren sowie auch für Menschen mit Behinderung, für die eine regelmäßige Begleitung notwendig, aber eine Aufnahme in einem Alten- und Pflegeheim noch nicht erforderlich ist, soll eine Lücke im derzeitigen Betreuungsnetz geschlossen werden. Bedarfserhebungen im Obervinschgau haben ergeben, dass im „alten Altersheim“ Gemeinschaftsräume für tagesbegleitende und tagesstrukturierende Angebote geschaffen werden sollen sowie kleinstrukturierte Wohneinheiten für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung. „Für die Umsetzung dieses Vorhabens braucht es zuverlässige Partner“, sagte die Direktorin. Mit dem ESF-Projekt „Assistenzplattform für behinderte und alte Menschen konnten als Projektpartner sowohl die GWR (Genossenschaft für Weiterbildung und Regionalentwicklung) als auch die Bezirksgemeinschaft und die Gemeinden Stilfs und Mals gewonnen werden. Ob das Vorhaben Wirklichkeit wird, hängt von den Finanzierungsmöglichkeiten ab. Das Martinsheim hofft, dass 2014 die Planung finanziert wird.
Würdevolles Altern in gewohntem Ambiente
„Die Pflege alter und bedürftiger Menschen betrifft die ganze Familie“, sagte Universitätsprofessor Klaus Garber, der im Namen der Gruppe, die das Konzept „Altern im Dreiländereck“ erarbeitet hat, dessen Ziele vorstellte. Pflegende Angehörige stehen oft vor großen persönlichen und emotionalen Herausforderungen. Garber: „Dem Martinsheim ist es daher ein wichtiges Anliegen, seine Dienstleistungen und Angebote im Zusammenhang mit dieser Herausforderung zu erweitern.“ Das Konzept sieht unter anderem ein Beratungsangebot vor. Es geht nicht um Beratung im klassischen Sinn, sondern darum, betroffenen alten Menschen sowie auch pflegenden Angehörigen möglichst praktische Orientierungshilfen anzubieten, wobei auch über das bestehende Sozial-, Gesundheits- und Freiwilligennetz informiert wird. Der Einsatz der Freiwilligen - im Martinsheim sind es ca. 70 an der Zahl - ist laut Christian Folie nicht hoch genug einzuschätzen: „Die Freiwilligen sind wie Zeitfenster zum Leben.“ Wie Garber anmerkte, suchen pflegende Angehörige oft relativ spät Hilfe. Als einen der Vorteile von nicht stationären Betreuungsangeboten nannte Garber die Tatsache, dass ältere Menschen, die daheim bleiben können, zufriedener sind und körperlich und geistig länger fit bleiben: „In einer fremden Umgebung schaltet das Hirn oft schlagartig um.“ Die Kosten für Personal und Infrastrukturen könnten im Vergleich zu stationären Betreuungen gering gehalten werden. Aber auch Schattenseiten bei der Pflege zu Hause ließ Garber nicht unerwähnt: einschneidende Veränderungen in der Familie, Überforderung pflegender Angehöriger oder gar das Zerbrechen von Familien. Eine Fachkompetenzgruppe soll die genannte Beratergruppe begleiten. Für 2014 kündigte Garber erste Ausbildungsblöcke für die Beratergruppe an sowie den schrittweisen Start mit dem Beratungsangebot. 2015 sollen auch Projekte mit Partnern des Dreiländerecks (Graubünden und Oberes Gericht) sollen geplant werden. Es handle sich nicht um ein starres, sondern „lebendiges“ Konzept: „Wichtig ist eine kontinuierliche Anpassung an die neuen Erfordernisse mit großem Augenmerk auf die Netzwerkbildung zwischen öffentlichen Einrichtungen, privaten Betrieben und Freiwilligen-Organisationen.“
Sepp

Josef Laner