Dann seid ihre eine der ersten Gemeinden…

Publiziert in 44 / 2014 - Erschienen am 11. Dezember 2014
„In der Ruhe liegt die Kraft“ Die Stilfser Verwalter haben aus dem engsten Rathaus des Vinschgaus heraus zum Sprung ins Internetzeitalter angesetzt. Stilfs - In „Stils“ - wie die „Stilser“ sagen - geht’s rund. An der wichtigsten Dorfzufahrt wird derzeit an drei Baustellen gleichzeitig gearbeitet. Sämtliche freien Flächen und sämtliche freien Parkplätze auf und an der Schmiedbrücke über den Tramentanbach werden als Stapel- und Lagerplätze genützt. Es wird ab- und umgeladen, um die Baustellen vor und nach dem Rathaus auf Gastaun beliefern zu können. Geschickt versteckt unter der genannten Brücke liegt die modernste und schnellste Verbindung in die weite Welt, der „Stilser“ Knotenpunkt fürs Internet. Zumindest können Stilfs Dorf, Stilfs Höfe, Gomagoi, Trafoi, Stilfser Brücke, Außersulden, Sulden und Stilfserjoch nach außen kommunizieren: „Wir haben Landschaft, die Stilfserjochstraße, drei Skigebiete, wir haben spektakuläres Brauchtum, eine Festung und den höchsten Berg, wir liegen im Nationalpark Stilfserjoch, haben aber einen bescheidenen, finanziellen Spielraum.“ der Vinschger: Seit dem letzten Gespräch im Juni 2011 sind wieder 63 Personen abgewandert. Demnach hat man immer noch keine wirkungsvollen Maßnahmen gegen die Abwanderung gefunden? Hartwig Tschenett: Es kommen wieder Familien zurück. In Stilfs Dorf bauen derzeit zwei Familien, die schon abgewandert waren. Eine weitere kommt nach Stilfser Brücke zurück. Wir hoffen, dass wir die Abwanderung zumindest stoppen können, wenn schon nicht eine Trendwende eintritt. Konkrete Maßnahmen habt ihr aber keine getroffen? Man sieht‘s, wenn man durchs Dorf geht. Sind wir mal froh, dass gebaut wird! Außerdem ist uns gelungen, alte Kubatur anzukaufen, die sehr günstig zu erwerben wäre. Bis 18. Dezember können sich Interessierte melden, die die Voraussetzungen für sozialen oder geförderten Wohnbau haben. Wir hoffen, dass dieses Programm anläuft. Wir haben uns auch überlegt, eventuell eine kleine Zone in Pazleida auszuweisen. Nicht alle wollen ins Dorf, nicht alle wollen sanieren. Die genannten Familien wären aber auch ohne Zutun der Verwaltung zurück gekommen. Wir haben alles getan, um ihnen weiter zu helfen. Was ist aus den Analysen des Züricher Architekten Gion Caminada geworden? Hat der denn, wie angekündigt, ­Lösungsvorschläge gegen die Abwanderung unterbreitet? Nein, aber wir sind immer noch in Kontakt. Nur hat der im Augenblick auch viel zu tun. Er ist begeistert von Stilfs. Es ist ein besonderes Dorf. Das sagen auch die 50 Arbeiter, die derzeit hier an drei Baustellen arbeiten müssen (lacht). Es fällt schon auf, dass in der Tagespresse kaum etwas über Stilfs berichtet wird. Ja, das kam auch im Gemeindeausschuss zur Sprache und ich hab immer gesagt, dass ich sehr froh bin, wenn man von uns ganz wenig hört. Ich bin erstens nicht erpicht, in der Zeitung zu sein, zweitens glaube ich, es ist ein großer Wert, wenn man ungestört und gelassen arbeiten kann. In der Ruhe liegt die Kraft, glaub ich. Aber es kommt eine neue Verwaltungsperiode und da könnte es wohl von Vorteil sein, wenn den Leuten bewusst ist, dass es den Bürgermeister gibt. Die kennen mich schon trotzdem. Die letzte Nennung der Gemeinde oder einer Fraktion war eine Buchvorstellung in Sulden am 9. September. Inzwischen ist aber einiges geschehen. Wir haben in Stilfs den Jugendraum, die Leichenkapelle und in Sulden den neuen Friedhof eröffnet und segnen lassen. Wir haben ein sehr gutes Einvernehmen im Ausschuss. Alle arbeiten eigenverantwortlich. Tatsächlich sind wir auch angesprochen worden, dass wir wenig vorkommen. Da habe ich immer gesagt, seid froh nicht vorzukommen, das ist ein Zeichen, dass wir ruhig und solid arbeiten. Was würden Sie als das bedeutendste Projekt bezeichnen, das bisher verwirklicht worden ist, die ganze Gemeinde betreffend? Ganz wichtig ist für uns ist, dass die Seilbahnen sowohl in Sulden, als auch in Trafoi investiert haben. Dass etwas weitergegangen ist. Dies ist auch ein ganz starkes Zeichen nach außen, dass die Seilbahnen, der Tourismus und unsere Gemeinde leben. Das Tourismusentwicklungskonzept haben wir in kürzester Zeit ausgearbeitet und die vorige Landesregierung hat es beschlossen. Welchen Anteil daran hat die Gemeindeverwaltung? Wir haben mitgeholfen, wo wir helfen konnten, natürlich nicht finanziell, aber bei den Vorbereitungen und bei Sitzungen auf Landesebene. Da sind wir stolz und froh. Und was noch gut ist, ist das schnelle Internet, die Verlegung des Glasfaserkabels. Da sind wir sehr weit. Wer in Stilfs wollte, konnte schon anschließen. Der PoP (Point of Presence, Einwählknoten, Anm.d.R. ) steht an der Schmiedbrücke. Stilfser Brücke und Gomagoi sind ebenfalls angeschlossen. In Trafoi sind wir auch sehr weit und in Sulden werden wir das nächste Jahr hinein fahren. Das Projekt ist in Ausarbeitung. Und das alles ist nur möglich gewesen durch die hervorragende Zusammenarbeit mit dem E-Werk Stilfs. Das ist sicherlich positiv. Wie sieht es mit dem größten öffentlichen Bauprojekt aus, mit dem Rathausprojekt? Mitte Februar sprach man von startklar und lobte das Sieger-Projekt. Was ist passiert seither? Das Rathausprojekt ist sehr weit gediehen. Der Architekt ist dabei, das Ausführungsprojekt zu machen. Wir haben geplant, es in der letzten Gemeinderatssitzung vor Jahresende zu genehmigen. Dann würden wir im nächsten Jahr sofort mit den Ausschreibungen starten und mit dem Bau beginnen. Ein Wort zu den Fraktionen. Hat sich in Sachen Kraftwerk am Suldenbach etwas ergeben? Das ist leider nicht gelungen. Da sind wir auch sehr enttäuscht. Solange aber die Situation im Park ist, wie sie ist, besteht leider nur geringe Hoffnung. Was gibt es sonst Neues aus Sulden? Wir haben in dieser Periode die Trinkwasserleitungen ziemlich erneuert, den Friedhof erweitert und segnen lassen, die Stromnotleitung unter die Erde gebracht, den Hauptsammler der Seilbahn errichtet und die Abwasserleitungen verlegt. Gibt es noch das Problem mit der Tennishalle? Daran haben wir gearbeitet. Inzwischen sind die Schulden bei der Raiffeisenlandesbank getilgt. Das Fernheizwerk hat das Gebäude übernommen und man ist im Moment dabei, die Situation – es bestehen ja noch drei Vereine – zu bereinigen. Ich mache niemandem einen Vorwurf. Wir haben einige Sitzungen in Bozen gehabt und wir sind an einem guten Punkt, die Geschichte endlich, endlich aufzuarbeiten. Es gibt einen detaillierten Plan, auch die restlichen Schulden abzuarbeiten. Von Trafoi habe ich am 3. September das letzte Mal gelesen und zwar von der Belastung des Goldseesteiges durch Biker. Gibt’s sonst keine Probleme? Der Goldseesteig ist natürlich ein Highlight, nicht nur für Wanderer. Aber es gibt da Stellen, die einfach nicht für beide Interessensgruppen gemacht sind. Wir als Gemeindeverwalter haben uns damit auseinandergesetzt und eine eigene Versammlung gemacht mit den Trafoiern. Wir wollten ja nicht über die Köpfe hinweg entscheiden. Es gibt halt solche, die sagen, den Goldseeweg für Biker sperren, und solche, die sagen, wir können auf keinen Gast verzichten. Tatsächlich sind die Nächtigungszahlen rückläufig und wir Verwalter können da nicht noch Steine in den Weg legen. Was wir besser machen müssen, ist die zeitliche Regelung, die Kontrollen. Aber das ist schwierig. Wir haben versprochen, sobald das Joch aufgeht, die Leute besser zu informieren. Andere Sorgen haben die Trafoier nicht? Gab es da nicht Probleme mit einem öffentlichen Parkplatz? Die gibt’s leider immer noch. Wir haben Probleme mit der Projektvalidierung. Das Gelände ist leider instabil und wir kommen da nicht weiter. Sorgen macht uns auch die Zufahrtsstraße zu den Hl. Drei Brunnen. Ein Schutzzaun ist errichtet worden; an einer besseren Lösung wird gearbeitet. Soweit die negativen Seiten. Positiv für Trafoi sind die Sanierung der Quellen und das erste Baulos für die Sanierung auch der Trinkwasserleitung. Thema Maut auf der Jochstraße oder Eintrittskarte, wie Sie und der Bürgermeister von Bormio die Abgabe einmal genannt haben. Damit hängt wohl auch das Schicksal der einzigen Vinschger K.K.-Festung in Gomagoi zusammen. Das ist mittlerweile ein Trauerspiel. Der Kreisverkehr ist immerhin gemacht. Der ist gemacht und darüber sind wir auch sehr froh. Da ja alle Straßen, die von einem Kreisverkehr abgehen, gleichwertig sind, ist damit auch die Stilfserjochstraße aufgewertet worden, eines unsere wichtigsten Güter in der Gemeinde. Aber mit der Maut kommen wir einfach nicht weiter. Sinn macht nur, wenn - wie ich von Anfang an gesagt habe - sie alle drei angrenzenden Gebiete wollen. Das ist uns nicht gelungen. Wo hakt es? Jemand muss sich bewegen. Ihr habt am meisten Anteile an der Straße. Es ist eine schwierige Materie. Die Landesregierung hatte ja schon den Preis der Vignetten bekannt gegeben. Irgendwann hat sie aber alles zurückgezogen. Der Grund… (Schulterzucken). Die Landesräte Mussner und Theiner wollten mir zwar die Arbeitsgruppe übergeben, aber es hilft nichts. Eine Maut oder einen Eintritt ins - vielleicht zukünftige - Weltnaturerbe kann nur die Landesregierung einrichten. Dazu ist in der Gemeinde Bormio die ANAS Straßenbetreiber. Auf einer Staatsstraße kann niemand eine Vignette ausgeben; das geht nur auf konzessionierten Straßen, Beispiel Autobahn. Auch der Vergleich mit der Timmelsjochstraße hinkt. Auch dort zahlt man nur, wenn man über die Passhöhe fährt. Wenn man in Passeier vor dem Pass umdreht, zahlt man auch nichts. Und die Festung? Wieder eine Enttäuschung. Die frühere Landesregierung hatte 2012 1,9 Millionen Euro bereitgestellt und mit der Parkplatzgestaltung schon angefangen. Die neue Landesregierung hat Projekte nach Prioritäten gereiht und wir kommen erst wieder ab 2019 an die Reihe. Da sind wir sehr enttäuscht. Der Ortler Sammlerverein ist sehr aktiv und wir haben auch interveniert, dass es nicht angeht, alles auf 2019 zu verschieben. Zum Thema passen auch das Sommerskigebiet Stilfserjoch und dessen Aufwertung. Dazu haben sich kürzlich die Landesrätin Martha Stocker und zwei Tschenett‘s geäußert, ein Hotelier und ein Schuldirektor, aber nicht der Bürgermeister Tschenett. Ich hatte einen anderen Termin. Aber die Situation ist dort problematisch. Man bekommt Bauchweh... auch als Gemeinde. Wir haben das Joch nicht aus den Augen verloren. Aber es ist schwierig. Obwohl das Verhältnis zur Gemeinde Bormio sehr gut ist, ist es schwierig, dort oben etwas zu unternehmen. Wir haben schon Treffen gehabt mit Albrecht Plangger und dem ­Marteller Bürgermeister Georg Altstätter wegen der Gelder im Mailänder Abkommen. Es gibt schon Hoffnung, dass sich etwas tut, vorausgesetzt, mehrere Gemeinden arbeiten Grenzen übergreifend zusammen. Es gelingt uns nicht, ein Konzept zu entwickeln, in dem sich alle finden. Ihr seid doch Grundbesitzer. Könnt ihr nicht sanften Druck ausüben? Alles schon probiert. Die Situa­tion ist einfach verworren. Da sind Mehrheitsverhältnisse… Ich sehe schwarz. Es wird sich nur dann zum Positiven wenden, wenn das Joch mit einer Stimme spricht und man sich nicht gegenseitig ausspielt. Was sollten die Bürger nach der ersten Amtszeit von Bürgermeister Tschenett sagen? Er hat sich ehrlich bemüht, etwas weiterzubringen, sollen sie sagen. Er hat versucht, für alle da zu sein. Interview: Günther Schöpf
Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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