Zu Gast in Stilfs
Ein Dorf wird zur Werkstatt
Ein Dorf wird zur Werkstatt
Die frisch gebackenen „Stilzer Grolzer“ fanden reißenden Absatz.
Daria Habicher (links) mit Nadine Angerer

„Das hätte ich mir nie gedacht“

Viele haben gestaunt, was die „Stilzerinnen“ und „Stilzer“ alles können und was sie haben.

Publiziert in 17 / 2023 - Erschienen am 26. September 2023

Stilfs - Dem Motto „Zu Gast in Stilfs – Entdecken, Genießen, Staunen“ wurde der Streumarkt, der am 16. September seine erste Auflage erlebte, mehr als gerecht. Den ganzen Tag über strömten Besucherinnen und Besucher aus nah und fern in das liebliche Haufendorf. Zum Staunen, Entdecken und Genießen gab es reichlich. „Ich war noch nie Stilfs und bin überrascht, wie schön es hier ist und was die Leute hier alles können und machen.“ Solche und ähnliche Äußerungen waren in allen Gassen, entlang der schmalen Wege und auf den Plätzen und Plätzchen im steilen „Stilz“ zu hören. Wer einen näheren Einblick in das Innenleben des Dorfes gewinnen wollte, hatte dazu an rund 20 „Stilzer“ Standlen die Möglichkeit. Von Patzleida bis Kramatsch im Altdorf konnte man hautnah miterleben, welche Handwerkskünste in Stilfs bis heute überlebt haben, welche neuen Schaffensformen findige Stilfserinnen und Stilfser entwickelt haben, welche landwirtschaftlichen Produkte angebaut und veredelt werden und wie vielseitig und zum Teil einzigartig das künstlerische Schaffen der gastfreundlichen Dorfgemeinschaft ist. Insgesamt konnte man 42 Markt- oder Schaustände, Werkstätten und Ateliers besuchen. Das Ziel des Streumarktes, bei dem auch 10 Vereine mitwirkten, war es, das Augenmerk vor allem auf die „immateriellen“ Maßnahmen zu legen, die im Rahmen des PNRR-Projektes „Stilfs - Resilienz erzählen“ umgesetzt werden sollen.

„Altes bewahren und Neues einflechten“
Die Kernbotschaft der Veranstaltung wurde dem Publikum mit besonderen Installationen vermittelt, die zugleich als Wegweiser durch die Gassen, Wege, Treppenaufstiege und Abstiege dienten: Mit alten Koffern, gefüllt und geschmückt mit Blumen wurde symbolhaft ausgedrückt, dass es einerseits darum geht, altes Wissen, Können und andere „Schätze“ zu bewahren und zugleich offen und kreativ für Neues zu sein. An einer der Installationen war zum Beispiel zu lesen: „Altes bewahren und es mit dem Neuen einflechten.“ Wie das konkret funktionieren kann, wurde an vielen Ständen in den Gassen, aber auch in Städeln, Häusern, Stuben und Ateliers vorgeführt, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind. Mit Lageplänen in der Hand und einem Staunen im Gesicht erwanderten die Besucherinnen und Besucher das Haufendorf. Mit einem raschen Vorbeigehen oder Hinschauen war es nicht getan. Für die alternative Hausapotheke und das Anfertigen von Kraxen galt das ebenso wie für das Weben, die Verarbeitung von Flachs, das Wildbartbinden, das „Kliabm“ von Lärchenschindeln, die Anfertigung von Holzpuppen, das Schnitzen von „Klaubauf-Lorvn“, die Herstellung von Körben und Flechtarbeiten oder das Seifensieden. Auch über Gegenstände, die aus Abfallprodukten angefertigt worden waren, konnte man staunen, über die Welt des Anbaus und der Verwendung von Bergkräutern oder über Kunstwerke in- und außerhalb von Gebäudemauern. Außerdem war im ganzen Dorf verstreut passende Musik zu hören. Auf dem Platz vor der Kirche zum Beispiel spielte die -Band „Kraut und Ruabm“ der Werkstatt für Menschen mit Behinderung von Prad auf. Zusätzlich zu den Ohren kamen auch die Gaumen voll auf ihre Kosten. Neben zwei Gastbetrieben warteten auch der Schafzuchtverein Edelweiß, die Bauernjugend Stilfs und der ASV Stilfs Raiffeisen mit allerlei Köstlichkeiten und Spezialitäten auf, die vorwiegend mit hochwertigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen zubereitet worden waren. Geradezu reißenden Absatz fanden die „Stilzer Grolzer“, die in einer Schauküche im Haus der Dorfgemeinschaft von einem Frauen-Team vor vor Ort zubereitet und ausgegeben wurden. Die „Grolzer“ sind eine Bauerspeise, wie es sie nur in Stilfs gibt. Äußerlich gleichen die „Grozler“ Schupfnudeln. Auch mit dem Rezept hielten die Frauen nicht hinter dem Berg. Zu den Hauptzutaten gehören Mehl, Zucker, Eier und Rahm. Zuerst wird alles gemischt, bevor die „Grolzer“ geformt und sodann im Öl ausgebacken werden. Abgerundet wurde der besondere Markt- und Festtag, für den sich das kleine Dorf fein herausgeputzt hatte, mit Informationen rund um das PNRR-Projekt, geführten Dorfrundgängen und einem Kurzlehrgang zum Thema „Photovoltaik auf alten Dächern“, organsiert von Eurac Research. Neben den kunterbunten Angeboten an Kunsthandwerk, Kunst und regionalen landwirtschaftlichen Produkten waren die Besucherinnen und Besucher auch von der „Stilzer“ Gastfreundschaft positiv überrascht. Einen großen Dank zollt die PNRR-Projektgruppe den beteiligten Vereinen, den vielen Familien und Einzelpersonen sowie den Ausstellerinnen und Ausstellern, die dazu beitragen haben, den Streumarkt zu einem Erlebnis zu machen, das bei allen Spuren hinterlässt, nicht zuletzt auch bei jenen, die in Stilfs nur für einen Tag zu Gast waren.


„Wir freuen uns bereits auf nächstes Jahr“

der Vinschger: Frau Daria Habicher, welches Gesamtresümee ziehen Sie als Koordinatorin der PNRR-Projektgruppe nach der ersten Auflage des Streumarktes?
Daria Habicher: Ich darf hier für das gesamte Organisationsteam sprechen: Wir und zahlreiche Mitwirkende aus dem Dorf haben uns fest bemüht, diesen Tag zu einem ganz besonderen zu machen. Wir hatten Ideen, Bilder und Vorstellungen im Kopf, die schließlich sogar übertroffen worden sind. Kurzum: Wir freuen uns bereits auf nächstes Jahr!

Wie viele Besucherinnen und Besucher sind zur Veranstaltung gekommen?
Das ist schwer zu sagen, der Shuttle-Fahrer, der eigens für den Markt engagiert wurde und quasi ununterbrochen die Strecke von Gomagoi (Parkplatz bei der Festung) nach Stilfs fuhr, meinte, dass er bei 800 Personen aufgehört hätte zu zählen, allein Michael vom Hotel Traube hat rund 400 Schnitzel gebraten. Wir gehen davon aus, dass zwischen 2.500 und 3.000 Interessierte den Weg nach Stilfs gefunden haben. Überraschend viele – laut Rückmeldungen und angesichts deren Outfits – auch zu Fuß von Prad, mit dem E-Bike oder mit dem öffentlichen Bus, der auch stets prall gefüllt war.

Wird es in Zukunft weitere Streumärkte in Stilfs geben?
Jawohl, es wird laut PNRR-Projektplan noch zwei Streumärkte geben, also 2024 und 2025, immer Mitte September. Doch damit ist dann hoffentlich nicht genug. Im besten Falle gelingt es, ein Format auf die Beine zu stellen, welches auch nach 2025 bestehen bleibt und sozusagen von Stilfs nicht mehr wegzudenken ist. Der Grundstein wurde jedenfalls gelegt: Wir schätzen das tatkräftige Mitwirken zahlreicher Vereine sowie von Stilfserinnen und Stilfser, denn ohne sie wäre der Markt in dieser einzigartigen und besonderen Form nicht realisierbar gewesen.

Wie sind die Rückmeldungen aus der Bevölkerung zum Streumarkt?
Es ist tatsächlich so, dass wir bisher nur Positives gehört haben, sei es von Gästen von außen als auch von Stilfserinnen und Stilfsern: Die Atmosphäre, die Authentizität, die Herzlichkeit, die vielen Talente. Dass so viele Menschen nach Stilfs kommen, sodass es beispielsweise zwei Shuttles gebraucht hätte und es sogar noch mehr Gastro vertragen hätte, hätte sich niemand gedacht. Bei der nächsten Ausgabe werden wir, wo nötig, nachbessern. Auch neue Ideen und Vorschläge sind natürlich immer herzlich willkommen.

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Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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