Daten-Ferrari fürs Oberland?
Publiziert in 22 / 2004 - Erschienen am 18. November 2004
[K] Der obere Vinschgau, lange Zeit als unterentwickeltes Gebiet an diversen Fördertöpfen hängend, hängt noch nicht mit modernster Technik am WorldWideWeb. Für die Telecom ist der obere Teil des Tales anscheinend wirtschaftlich nicht interessant genug. Die Anbindung soll nun kommen. Auf Umwegen.
von Hubert Wehrle [/K]
Jeder, der mit elektronischer Datenverarbeitung zu tun hat, kennt die Vorteile des Breitbandnetzes, auch ADSL genannt. ADSL wird nicht flächendeckend in Südtirol angeboten. Bewohner, die in Gemeinden an Südtirols Peripherie leben, sind dadurch stark benachteiligt wie Mals, oder Schluderns.
[F] Fehlendes Breitbandnetz [/F]
Die Bevölkerung fragt sich schon seit langem warum das so ist und ab wann sie ADSL nutzen kann.
Doch nicht nur privaten Haushalten fehlt das Breitbandnetz, sondern auch allen Büros, die mit großen Datenmengen arbeiten und diese verschicken müssen. Wirtschaftsberater, Geometer und auch die Gemeindeverwaltungen selbst haben erhebliche Nachteile bei der Übertragung von Daten gegenüber ihren Kollegen in Schlanders, Meran oder Bozen.Ein ganz gravierendes Beispiel ist die Oberschule in Mals.
An einer ISDN-Leitung hängen 12 Verwaltungscomputer und 260 Didaktikcomputer für die Schüler und außerdem auch noch das Katasteramt, das Grundbuchamt und das Schulamt. Ein sinnvolles Arbeiten mit dem Internet ist für die Schüler so gut wie ausgeschlossen.
Was ist eigentlich ADSL? Welche Vorteile bietet es und wie funktioniert ADSL? ADSL ist eine Breitbandtechnologie und steht für "asymetric digital subsciber line". Es existiert seit 1987. Ursprünglich sollten digitale TV Signale mit ADSL über die Telefonleitung übertragen werden. Ein ADSL-Modem trennt Sprache und Daten, das heißt, der Benutzer kann über die Telefonleitung telefonieren und gleichzeitig im Internet surfen, und das 24 Stunden am Tag. Mit ADSL können ungleich größere Datenmengen übermittelt werden als mit der herkömmlichen ISDN Leitung. Die kleinste ADSL Klasse kann 600 Kilobite/Sekunde übertragen, ISDN maximal 128 Kilobite/Sekunde. Die Kosten entsprechen denen, die bei einem Ortsgespräch entstehen.
[F] Wirtschafltiche Interessen [/F]
Aus welchem Grund wartet die Bevölkerung des Oberen Vinschgaus noch immer auf die Vernetzung mit dem Breitbandnetz? Es sind rein wirtschaftliche Interessen, die die Vernetzung verhindern. Technisch gesehen ist ein ADSL-Anschluss überhaupt kein Problem. Es muss nur ein spezielles ADSL-Equipment in jeder Telefonzentrale angeschlossen werden. Allerdings sind die Geräte sehr teuer und daher müssen erhebliche Summen investiert werden. Der Besitzer der Zentralen, die Telecom Italia SPA, will nicht nur investieren, sondern an der Verkabelung auch verdienen. Der Telecom Italia SPA gehören aber nicht nur die Telefonzentralen, sondern auch die Kabelstränge, die von den Zentralen hinunter nach Meran zur Hauptzentrale führen Diese Kabel sollen an andere Anbieter vermietet werden. Im Moment ist die Telecom noch in der Lage, den Preis für die Anmietung der Kabel zu diktieren. Es kann kein Wettbewerb mit anderen Anbietern stattfinden, denn es nützt keinem Mitbewerber etwas, wenn er günstige Tarife nur bis zur nächsten Telefonzentrale der Telecom anbieten kann und dann wieder von der Preisvorgabe der Telecom abhängig ist.
[F] Bürgerinitiativen [/F]
Bisher hatten auch die inzwischen gegründeten Bürgerinitiativen, wie zum Beispiel die Initiative "ADSL Obervinschgau" oder " ADSL Vinschgau", bei ihren Gesprächen mit der Telecom keinen Erfolg, obwohl Unterschriftensammlungen gezeigt haben, dass es zweifelsohne eine große Nachfrage bei der Bevölkerung nach ADSL gibt. Die Bürgerinitiativen haben auch mit der Landesregierung in Bozen Kontakt aufgenommen und ihrem Unmut Luft gemacht.
Das Land hat reagiert und in einer Grundsatzabstimmung im April 2004 beschlossen, dass bis zum Jahr 2008 alle Betriebe mit mehr als drei Mitarbeitern, 95% aller Beriebe mit weniger als drei Mitarbeitern und 90% aller privaten Haushalte die Möglichkeit haben müssen, ADSL zu nutzen. Die Verhandlungen mit der Telekom als Besitzer der benötigten Kabel und Zentralen waren langwierig und schwierig, aber der Abteilungsdirektor der Abteilung 9 Informatik Hellmuth Ladurner, meint: " Bis Jänner 2005 können wir der Bevölkerung im Oberen Vinschgau das Ergebnis der Gespräche mitteilen, und wir hoffen, bis Mitte 2005 ADSL auch in Mals anbieten zu können".
[F] Lösungen [/F]
Auf das Land allein will sich der Bürgermeister von Mals Josef Noggler nicht verlassen. Zusammen mit privaten Anbietern und Informatikspezialisten hat die Gemeinde nach Lösungen gesucht, um schnell und flächendeckend ADSL anbieten zu können. Mit der Brennercom glaubt Noggler einen Partner gefunden zu haben, der eine technische und auch kostengünstige Lösung des Problems anbietet, ohne die Kabelverbindungen und Telefonzentralen der Telecom zu benötigen. Die Richtfunktechnik der Brennercom ermöglicht es, ADSL über einen Richtfunkstrahl zu übertragen. Techniker der Brennercom sind zur Zeit damit beschäftigt, Messungen in Mals und Umgebung durchzuführen, damit das System optimal funktionieren kann. Es ist geplant, im Rathaus von Mals eine Empfängerstation einzurichten, da das Rathaus schon mit einem Glasfaserkabel vernetzt ist, welches dem Land gehört. Es wurde mit dem Ausbau der Vinschger Bahn verlegt. Über Antennen sind die Kunden dann mit der Empfängerstation verbunden. Das System hat eine Reichweite von ca. 4-5 km. Ein weiterer großer Vorteil ist die unkomplizierte Installation, bei der keine Grabungsarbeiten zum Kunden vorgenommen werden müssen. Noggler: "Wir wollen unbedingt mindestens zwei Anbieter, einfach um einen richtigen Wettbewerb zu haben. Ganz sicher wirkt sich so ein Wettbewerb günstig auf die Preisgestaltung aus."
[F] Wettbewerb [/F]
Karl Manfredi, Geschäftsführer der Brennercom, ist überzeugt, dass das Richtfunksystem der Brennercom das System der Zukunft ist, weil ein geographisch begrenztes Gebiet schnell und ohne großen technischen Aufwand versorgt werden kann. "Weite Teile der Stadt Bozen, das Bozner Unterland und die Stadt Trient werden bereits von uns mit ADSL über Richtfunk versorgt", erklärt Manfredi. "Die Übertragungsgeschwindigkeit über Richtfunk beträgt bis zu 155 Megabit/Sekunde, die eines Kupferkabels beträgt maximal 2 Megabit/Sekunde. Dabei ist die Strahlung des Richtfunks etwa 100 mal geringer als die elektromagnetische Strahlung eines Mobiltelefons. Die Höhe der Strahlung ist vergleichbar mit der einer Glühbirne. Wir brauchen durch die niederen Strahlungswerte keine besondere Betreibergenehmigung."
Noggler: "Wenn alles passt, und davon gehen wir davon aus, dass das Richtfunksystem schon im Frühjahr in Betrieb gehen kann, und wir können unabhängig vom Land und der Telecom ADSL anbieten. Andere Gemeinden wie etwa Glurns, zeigen ebenso starkes Interesse an diesem System. Mit der Kapazität des Richtfunksystems wird der Empfang von digitalem Radio und Fernsehen in der Zukunft ohne technischen und baulichen Maßnahmen möglich sein. Wir investieren mit dem Richtfunksystem auch in die Zukunft der Gemeinde. Das Land stellt uns einen Golf in die Garage, wir haben aber einen Ferrari."