Das Immunssystem spielt verrückt
Der Haut - Lupus, bekannt als Schmetterlingserythem Entnommen aus “Lupus erythematodes”, Herausgeber : M. Schneider

Der einsame Weg mit dem Wolf

Publiziert in 5 / 2003 - Erschienen am 13. März 2003
[K] Hinter der wenig bekannten Krankheit "Lupus erythematodes", abgekürzt LE, steckt eine Störung des gesamten Immunsystems. Zu 90 Prozent sind Frauen betroffen. Die Bezeichnung Lupus, lateinisch Wolf, bürgerte sich schon vor Jahrhunderten ein. Damals glaubte man noch, die Krankheit sei nur auf Hautausschläge beschränkt, die sich unter dem Einfluss der Sonnenstrahlen negativ entwickelten und mit einem Wolfsbiss verglichen wurden. Bis hin zur Diagnose "Lupus" legen Betroffene oftmals "lange einsame Wege mit dem Wolf" zurück. Kürzlich haben sich im Vinschgau Lupus Patientinnen getroffen, um sich auszutauschen. Sie möchten eine Selbsthilfegruppe gründen. von Magdalena Dietl Sapelza [/K] Drei Frauen sitzen sich gegenüber. Was sie verbindet, ist ihre Krankheit "Lupus" und andauernde mehr oder weniger starke Schmerzen an den verschiedensten Körperteilen. Regelmäßig brauchen sie Therapien und Cortisonbehandlungen, um Beschwerden zu lindern. Hinter ihnen liegt ein langer zermürbender Weg bis hin zur richtigen Diagnose, auf dem sie oftmals das Gefühl hatten, nicht ernst genommen zu werden, oder noch schlimmer, eine Simulantin zu sein. Vor allem dieser Umstand stürzte sie in schwere seelische Krisen, ja sogar in die soziale Isolation. Jahrelang wussten sie nicht, was in ihrem Körper verrückt spielt. Ihre ständigen Begleiter waren Müdigkeit, Unwohlsein und immer wieder Schmerzen, die im Körper umher wanderten. Ihre Leistungsfähigkeit war stark eingeschränkt. Ein Arztbesuch reihte sich an den nächsten. Die einzelnen Behandlungen brachten zwar kurzzeitig Linderung, doch die erwartete allgemeine Genesung blieb aus. Seit sie ihre Diagnose Lupus kennen und die Behandlungen darauf abgestimmt werden, haben sie wieder an Lebensqualität gewonnen. Da Lupus-Patienten einen durchwegs gesunden Eindruck machen, ist es für deren Mitmenschen schwer nachvollziehbar, dass sie mit einer heimtückischen Krankheit leben. Ihr Dilemma ist außerdem: Beschwerden werden oftmals lange Zeit als Einzelkrankheiten behandelt, ohne dass der Zusammenhang erkannt wird. Misserfolge sind dadurch vorpro- grammiert. Nicht selten kommt es in der Folge zu Vertrauenskrisen zwischen Vertrauensarzt und Patienten. Diese suchen in ihrer Verzweiflung oft im Alleingang Fachärzte auf, die wiederum ihrerseits Behandlungen einleiten. Das Rad beginnt sich zu drehen. Indirekt entbindet der Patient den Vertrauensarzt seiner Verantwortung, mit fatalen Folgen für sich selbst. Dem Arzt wird die Möglichkeit entzogen, sämtliche Befunde einzusehen und sich ein umfassendes Bild vom Patienten zu machen. " Hier krankt das medizinische System und am Leidensweg der Lupus-Patienten wird das besonders sichtbar", betont Dr. Matthias Furrer vom Krankenhaus in Sta. Maria. Seine Aufgabe als Arzt sieht er in der ganzheitlichen Behandlung. Alle Befunde gehören laut Furrer in die Hand eines einzigen Vertrauensarztes. Dieser hat dann alle Informationen, um den Lupus auch zu erkennen, vorausgesetzt natürlich, er gibt sich auch die entsprechende Mühe. Treten mehrere Verdachtsmomente für Lupus auf, kann er den Patienten zu einem Antikörpertest schicken, der Aufschluss gibt. Tests werden in allen größeren Krankenhäusern gemacht, für den Vinschgau zum Beispiel in Meran. Auf der Hand liegt, dass die Behandlung und Begleitung des Lupus-Kranken auch nur der Vertrauensarzt übernehmen kann, denn der Patient muss dessen Rat und Hilfe laufend in Anspruch nehmen. Entscheidend in diesem Zusammenspiel ist, dass sich Arzt und Patient auch wirklich auf einer Vertrauensbasis begegnen können. [F] Wie lässt sich Lupus beschreiben? [/F] Es handelt sich um eine Störung des Immunsystems. Das körpereigene Abwehrsystem vermag nicht mehr zwischen "eigen" und "fremd" zu unterscheiden und produziert Antikörper, die sich gegen den eigenen Körper richten. Es kann zu Entzündungen fast aller Organen kommen (Haut, Nieren, Magen, Darm, Nerven, Gelenke, Lympfknoten, Milz, Lunge). Am häufigsten ist das Bindegewebe betroffen. Das Krankheitsbild ähnelt dem Rheumatismus. Die Erkrankten haben immer wieder mit verschiedenen Krankheitsschüben zu kämpfen. Auslöser sind Sonnenlicht, körperlich-seelischer Stress, unverträgliche Nahrungsmittel, Medikamente und Infekte. Über Ursache und Entstehung von "Lupus erythematodes" ist noch nichts Genaues bekannt, auch nicht wie er geheilt werden könnte. Die Krankheit kann jeden in jeder Lebensphase treffen. Im Alter, wenn die allgemeine Aktivität abnimmt, kann sie spürbar abklingen. Schwangerschaften sind oftmals mit Risiko behaftet. [F] Erkennungsmerkmale [/F] Elf Kriterien erleichtern die Diagnose. Sie sind international anerkannt. Kann jemand vier davon mit ja beantworten, so könnte das eventuell auf Lupus hindeuten. 1. Sind Sie manchmal unerklärlich müde und abgespannt? 2. Haben Sie öfters Gelenk- und Gliederschmerzen? 3. Ist Ihnen gelegentlich übel ? 4. Tritt bei Ihnen öfters Haarausfall auf? 5. Leiden sie immer wieder an Kopfschmerzen? 6. Schlafen Sie viel und sind trotzdem nicht fit? 7. Sind bei Ihnen manchmal Mund und Augen auffällig trocken? 8. Leiden Sie immer wieder unter erhöhter Temperatur oder unerklärlich hohem Fieber? 9. Beobachten Sie gelegentlich einen schmetterlingsförmigen Ausschlag im Gesicht oder rote Flecken an anderen Körperstellen? 10. Sind Sie lichtempfindlich und vertragen keine Sonne? 11. Waren Sie schon bei vielen Ärzten und keiner konnte eine Erklärung für Ihre Beschwerden finden? [F] Vertrauensarzt muss sämtliche Befunde bekommen [/F] Der Vinschger: Sie betreuen neben den Lupus-Patienten aus dem Münstertal auch viele aus dem Vinschgau. Können Sie uns Zahlen nennen? Dr. Matthias Furrer: Ich kann nur sagen, im Raum Obervinschgau/Münstertal sind es viele, mehr als man meint. Die Dunkelziffer ist hoch. Viele leiden aufgrund einer geringen Anzahl an Antikörpern an leichten Formen. Sie wissen aber nicht, was ihnen fehlt. Zeitweise kämpfen sie gegen verschiedene Schmerzen. Was sie oft noch merken ist, dass bei ihnen Krankheiten mühsamer verlaufen als es bei anderen der Fall ist. Die allgemeinen Antikörpertests können bei diesen Betroffenen oft negativ ausfallen, erst die differenzierte Suche macht den Lupus dann sichtbar. Warum müssen Patienten oftmals einen langen Leidensweg hinter sich bringen, bevor sie wissen was ihnen fehlt? Patienten klagen an, manche Ärzte wüssten zu wenig Bescheid? Das fehlende Wissen der Ärzte ist es sicher nicht, das wäre zu einfach. Ich bin überzeugt, dass sie alle über Lupus Bescheid wissen. Oftmals sind die Patienten auch selber Schuld. Viele wollen den schnellen Erfolg und wechseln voreilig Arzt oder Therapeuten. Mein Rat an Patienten: Machen Sie dem Behandelnden in einem offenen Gespräch klar, dass die Behandlung nicht genügend war. Meine Devise lautet: Ein Vertrauensarzt muss sämtliche Befunde bekommen, um ganzheitlich behandeln zu können. Der Spezialist sollte das Werkzeug für ihn sein. Es wäre längst an der Zeit, darüber zu diskutieren und im medizinischen System etwas zu korrigieren. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Lupus - Patienten? Die Behandlung erfolgt nach zwei Gesichtspunkten: 1) Durch eine medikamentöse Grundtherapie wird die gestörte Immunantwort beeinflusst. 2) In symptomatischen Therapien werden die laufend auftretenden Beschwerden behandelt. Enorm wichtig ist das Verständnis für die Patienten, damit psychischen Problemen entgegen gewirkt werden kann. Zum Trost für Lupus-Patienten kann ich sagen: Man kann gut damit alt werden und es gibt keine Erbfolge. Interview: Magdalena Dietl Sapelza [F] Wer interessiert ist, sich der Selbsthilfegruppe anzuschließen, melde sich unter der Telefonnummer 3491475309 in der Zeit von 12.00 bis 13.00 Uhr. [/F]
Magdalena Dietl Sapelza
Vinschger Sonderausgabe

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