Wie der Karl auf den Senf kam
Gertraud und Karl Luggin testen ihre fünf Qualitätssenfe.

Der erste Vinschger „Senfbauer“

Publiziert in 26 / 2011 - Erschienen am 6. Juli 2011
Laas/Glurns – Inmitten von Gründlandwiesen, jungen Apfelplantagen und Kirschanbauflächen gibt es in Glurns neuerdings auch zwei „gelbe“ Äcker. Es handelt sich nicht um Raps, wie so manche vermuten. Was auf diesen Äckern derzeit blüht, ist Senf. Buchstäblich auf den Senf gekommen ist Karl Luggin vom Kandlwaalhof in Laas. Fünf Senfsorten stellt der findige Biobauer zusammen mit seiner Familie her. Die Palette reicht vom süßlichen „Marillen Bio Senf“ über den aromatischen „Gartenkräuter-Senf“ bis hin zum pikanten „Bauern-Senf.“ von Sepp Laner Wie kommt jemand dazu, im Vinschgau Senf anzubauen? Karl Luggin: „Erstmals in den Sinn kam mir diese Idee 2004. Bei der damaligen Auflage von ‚Marmor & Marillen’ hieß es, dass wir mit möglichst lokalen Produkten aufwarten sollen.“ Gedacht, getan: Karl Luggin besorgte sich Grundsenf in ­Österreich und begann, diesem Grundprodukt eigene landwirtschaftliche Erzeugnisse beizumengen: Vinschger Marille, Palabirne, Kräuter, Apfelwein und Apfelessig. Um den lokalen Kreislauf in der Herstellung seiner biologischen Qualitätssenfe zu schließen, pachtete Karl Luggin im Vorjahr zwei Äcker in Glurns, die eine Gesamtfläche von rund einem Hektar umfassen. Wo früher Ge­müse angebaut wurde, sät der Bio-Bauer seit 2010 per Hand Senfkörner. Erstaunlich ist, dass das Unkraut, das in den Äckern wucherte, fast gänzlich verschwunden ist, und zwar ohne den Einsatz von Chemie. Das Saatgut, das Luggin von einer Landwirtschaftsschule in Deutschland bezieht, wird bei der Aussaat mit Sand vermengt. Positive Erfahrungen konnten 2010 auch bei der ersten Ernte der weißen und schwarzen Senfkörner gemacht werden. Geerntet wurde der Senf Ende August mit einem Mähdrescher, was laut Luggin reibungslos funktionierte. Für die Auslese der kleinen Kerne wurde eine „Windmühle“ eingesetzt. Weitere Verarbeitungsschritte sind das Trocknen der Körner, das Beimengen von Wasser und Wein sowie das Mahlen. Weil die Senfkerne sehr ölhaltig sind, braucht es für das Mahlen spezielle Mühlen. Bis jetzt lässt Luggin seinen Senf in Österreich mahlen, „ich habe aber vor, den Senf nicht nur hier im Vinschgau anzubauen, sondern ihn in Zukunft auch hier zu mahlen.“ Auch in der Produktpalette an Senfen spiegelt sich der Erfindergeist des Kandlwaal-Bauern wider. Neben drei etwas süßlichen Senfen (Äpfel, Palabirne und Marille) stellen er und seine Familie auch zwei etwas pikantere Sorten her, wobei vorwiegend Gartenkräuter verwendet werden. Senf eignet sich nicht nur als Beilage, sondern kann auch als Gewürz verwendet werden, mit dem man Speisen verfeinern und ihnen eine ganz individuelle Geschmacksnote ver­leihen kann. Der Senf-Ertrag pro Hektar beziffert Luggin mit rund 1.200 Kilogramm. Die Qualitätssenfe seien bei den Konsumenten sehr gefragt. Luggin beabsichtigt, in Zukunft möglicherweise weitere Flächen im Obervinschgau für den Senfanbau zu pachten. Mehr als eine Nische ist der Senfanbau sicher nicht, im Obervinschgau aber in jedem Fall eine, wenn auch kleine Alternative zum Anbau weiterer Apfelplantagen. Wer weiß, ob in Zukunft nicht noch weitere „gelbe“ Senf-Felder anzutreffen sein werden. Der Senf ist übrigens nur eines der letzten „Kinder“, die am Kandlwaalhof in Laas bisher geboren sind. Naturtrüber Apelsaft, ­Trockenobst aller Art, Essige, roter Weirouge-Apfelsaft und viele weitere Bio-Produkte sind schon „groß geworden“. Zu den jüngsten Neuheiten, hergestellt immer nach hauseigenen Rezepten, zählen getrocknete Karotten und Rote Bete. Der Senf gehört übrigens zu den Kreuz­blütlern und ist eine einjährige Pflanze. Senf sät man im Frühjahr, am besten in kalkhaltigen Böden. Die Senfpflanze ist eher anspruchslos. Sie braucht wenig Pflege und wächst sehr schnell. Schon nach wenigen Tagen sind kleine Pflanzensprösslinge zu sehen. Sie erreicht - je nach Art - eine Wuchshöhe von bis zu 1,80 Meter. Der Senf ist in China vermutlich schon vor mehr als 3.000 Jahren bekannt geworden. Man schätzte ihn vor allem als Gewürz. In Arabien fand er später nur als Heilmittel Beachtung. Um etwa 400 v. Chr. verbreitete sich der Senf in Europa. Über die Alpen gebracht wurde er von den Römern. Als erster Vinschger „Senfbauer“ dürfte Karl Luggin in die Geschichte eingehen. Er ist überzeugt, dass sich Senf überall dort gut anbauen lässt, wo auch Korn gedeiht.
Vinschger Sonderausgabe

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