Die Mega-Watter
Publiziert in 4 / 2004 - Erschienen am 26. Februar 2004
[F] Die Pusterer haben´s vorgemacht. Der Vinschgau zieht stark nach. Die Sinnhaftigkeit von Hackschnitzelanlagen, auch in großem Stil, steht außer Streit. Biomasse, Umweltschutz, einheimischer Brennstoff, kleine Kreisläufe und volkswirtschaftliche Aspekte sind ausschlaggebend. Und für die Abnehmer auch Komfort und der Preis.
von Erwin Bernhart
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Das Surren und Dröhnen im Heizraum neben dem Keller gehört der Vergangenheit an. Der Ölkessel hat ausgedient. Und der Kamin aus dem Heizraum raucht nicht mehr. Ein Wärmetauscher, kaum größer als ein Handtuch und nicht breiter als ein Heizkörper tut´s auch. Öl tanken überflüssig. Abgefrorene Ölleitungen, zum Vergessen. Dies ist für viele im Vinschgau bereits Wirklichkeit. Vor allem für jene, die an einer Hackschnitzelanlage angebunden sind.
Die mit Holz gesegneten Pusterer haben den Braten bereits früher gerochen und mehrere große Hackschnitzelwerke gebaut. Der Vinschgau, vor allem der methangasfreie obere und mittlere Teil des Tales, zieht nach. Mit großen megawatt-schweren und von den Gemeinden vorangetriebenen Meilern. Private, kleinere Anlagen gibt es bereits viele, die auch ganze Dorfteile mitheizen. Die Hackschnitzel kommen überwiegend aus dem Tal selbst. Importe gibt es aus der Schweiz und von Österreich.
[F] Der Laaser Meiler [/F]
In Laas wurde jüngst angefeuert, im Hackgutmeiler neben der Umfahrungsstraße. In einem Betonungetüm. “Dass wir etwas für die Außengestaltung tun müssen, darüber sind wir uns einig. Wie die Verkleidung sein wird, ist noch nicht sicher,” meint der Laaser BM Andreas Tappeiner. Das mit zwei Kesseln bestückte Werk ist das Neueste in Punkto Biomasse im Tal. Und die Laaser haben von den Nachbargemeinden gelernt. Das Vor- und das Rücklaufrohr wurden mit nur einer Ummantelung verlegt, Platz sparend und optimal wärmegedämmt. 9.000 Kubikmeter Hackschnitzel fasst der Vorratssilo. Diese stattliche Dimension sieht man dem Werk bereits von außen an. Die zwei Kessel sollen den unterschiedlichen Bedarf für den Sommer und für den Winter decken. Der Zwei-Megawatt-Kessel soll den Laasern und den Eyrsern das warme Wasser im Sommer liefern und der Fünf-Megawatt-Kessel soll den Winter mit Wasser und Heizung abdecken. Vom eigenen Wald kommt noch kaum Holz in die Hackschnitzelsilos. Das soll sich laut Tappeiner in nächster Zukunft ändern. Schätzungen zufolgen könnte rund ein Viertel des Verbrauches aus Laaser Fraktionswäldern gedeckt werden. Die Marmorfachschule, das Altersheim, die Gemeindegebäude und rund 70 private Abnehmer hängen bereits am Netz und werden mit Wärme versorgt. 484 abgeschlossene Wärmelieferverträge zwischen Laas, und Eyrs hat man in der Tasche. Sukzessive soll angeschlossen werden. Um die Führung der Genossenschaft von der Gemeindeverwaltung zu entflechten, hat BM Tappeiner die Obmannschaft an Ferdinand Hauser abgegeben.
[F] Stadt und Land [/F]
Seit knapp zweieinhalb Jahren ist Schluderns am Netz. Seit Juni 2003 wird Glurns mit Wärme versorgt, von Schluderns aus. “Stadt und Land haben hier einen Weg gefunden, ihre Bürger mit sauberer und selbst produzierter Energie zu versorgen,” ist dem Hochglanzprospekt der “SEG”, der Schludernser Energiegenossenschaft, die mittlerweile Energiegenossenschaft Schluderns-Glurns heißt, zu entnehmen. Von zwei jeweils 1,6 Megawatt-Kesseln werden rund 480 Anschlüsse bedient. In Schluderns hat man mit der Hoppe einen großen Abnehmer, der auch im Sommer mit Prozesswärme bedient werden kann. Ein großes Problem haben die Schludernser: Sie haben das Silovolumen mit 2.700 Kubikmetern entschieden zu klein dimensioniert. Der günstige Hackschnitzel-einkauf muss so derzeit im Freien gelagert werden. Nachbessern will man.
[F] Der andere Weg [/F]
Georg Wunderer, Präsident des E-Werkes Prad, ist einen anderen Weg gegangen. Als Stromproduzenten, mit gutem Ruf auch über die Gemeindegrenzen hinaus, sind die Prader über eine Kraft-Wärme-Koppelung zu Wärme gekommen. Der Einstieg in die Wärmelieferung war eine logische Folge. Mittlerweile habenauch Prad und Sulden jeweils eine Hackschnitzelanlage.
In Mals werden zwei Anlagen von der Gemeinde betrieben. Eine für das Schwimmbad und eine für das Altersheim. Private sind längs der Fernwärmetrasse angeschlossen.
[F] Latsch und Smog [/F]
In Latsch ist man noch beim Sammeln von möglichen Kunden, um eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Anlage aufstellen zu können. Die Vorverträge sollten bereits seit Ende Dezember des vergangenen Jahres unter Dach und Fach sein. Die magere Ausbeute von hundert Vorverträgen hat den Sonderbetrieb der Gemeinde Latsch (SGW) veranlasst, die Frist zu verlängern und die “Unentschlossenen” nochmals zu kontaktieren. Derzeit treibt die SGW das Projekt voran. Doch noch ist nicht geklärt, wer denn eigentlich das Projekt Fernwärme verwirklichen soll: Die stromerzeugende SGW oder eine Genossenschaft. Im Vorvertrag heißt es: “Sollte sich herausstellen, dass das Projekt Fernwärme von einer Genossenschaft verwirklicht werden, so übernimmt diese vorliegenden Vertrag vollinhaltlich.” Und auch der Standort ist noch fraglich. Die magere Ausbeute mag auch daran liegen, dass die SGW bei einem guten Teil der Latscher Bevölkerung keinen guten Ruf genießt. Das Projekt Fernwärme könnte für die SGW zu einem Offenbarungseid werden, wenn nicht vorzeitig umgeschwenkt wird. Die Latscher wollen innerhalb 15. März eine Entscheidung treffen. Und an dem Tag soll in einer Bürgerversammlung über den Stand der Dinge informiert werden. Als Standort eines möglichen Werkes wird die Latscher Industriezone favorisiert. Für den “Luftkurort Latsch” wäre ein Hackschnitzelwerk, abgesehen vom angestrebten ökonomischen Aspekt, der Luftqualität zuträglich. Im Winter hängen aufgrund der häufigen Immersionswetterlagen und des absperrenden Tarscher Schuttkegels über Latsch Smogschwaden.
Schlanders ist noch unschlüssig,
[F] Naturnser Knebelvertrag [/F]
In Naturns läuft die 1,4 Megawatt-Anlage mit Hackschnitzel seit 1998. Zwischen Mittelschule und Schwimmbad eingeklemmt versorgt die Anlage ausschließlich die gemeindeeigenen Gebäude. Die Naturnser dürfen keine Privaten mit Wärme versorgen. Der Methangasleitung wurde höchste Priorität zugemessen. Damit das Gas auch in entlegene Dörfer strömen konnte, ließen sich die Burggräfler Gemeinden auf einen Deal mit den Gasversorgern ein, der heute als Zwangsjacke empfunden wird. Die Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt hatte mit den Gasversorgern einen Vertrag ausgehandelt, in dem den Gemeinden untersagt wurde, Fernwärmeleitungen auf öffentlichen Trassen zu errichten oder zuzulassen. Bis zum Jahr 2020 soll der Knebelvertrag gelten. “Allerdings sind Bestrebungen im Gange, diese Konvention frühzeitig aufzulösen. Im Sinne der Liberalisierung,” so der Naturnser Assessor Zeno Christanell. Derzeit wollen die Naturnser erweitern. Das neue Altersheim und das Jugendzentrum sollen auch in den Genuss von Fernwärme kommen. Die Gemeinde Naturns hat eine Art Energie-Contracting mit einer Firma vor Ort abgeschlossen, die die Wartung der Anlagen und auch die Lieferung der Hackschnitzel übernommen hat. Die Gemeinde selbst übt nur noch Kontrollfunktion aus.
In Naturns surren noch private Gas- und Ölkessel in den Kellern, auch in Latsch und Schlanders und in anderen Gemeinden. Etwas länger als die Pusterer brauchen die Vinschger halt.
[K] Energiekosten - Wärme
in Euro pro Kilowattstunde
(0,025 Euro werden als Beitrag für alternative Energie vom Staat als Steuernachlass abgezogen, 10% Mehrwertsteuer kommen für Privat-Verbraucher dazu)
Laas 0,087 Euro
Schluderns 0,078 Euro
Prad 0,071 Euro (bereinigt)
Latsch (voraussichtlich) 0,090 Euro [/K]
Erwin Bernhart