Endlos-Thema Kaunertal
Beschluss soll widerrufen und erneut dem Umweltbeirat vorgelegt werden.
Graun - Eine ganze Reihe von Themen wurde am 14. März bei einer sehr gut besuchten Bürgerversammlung mit Landeshauptmann Arno Kompatscher im Vereinssaal in Graun aufs Tapet gebracht. Aufhorchen ließ Kompatscher mit der Ankündigung, „dass die Landesregierung den Widerruf des Beschlusses, mit dem die skitechnische Anbindung von Langtaufers an das Kaunertaler Gletscherskigebiet abgelehnt wurde, einleiten wird, weil es einen Rechtsmangel gibt.“ (siehe weiter unten). Kompatscher hatte sich vorgenommen, während der laufenden Legislaturperiode in allen Gemeinden bei Bürgerversammlungen dabei zu sein. Jene in Graun war die 88ste, im Vinschgau fehlen jetzt nur noch die Gemeinden Mals und Schluderns. Über bisher getätigte und noch geplante Vorhaben in allen Fraktionen der Gemeinde informierten eingangs Bürgermeister Heinrich Noggler, die Vizebürgermeisterin Andrea Frank und die Referenten Tobias Folie, Josef Thöni und Franz Prieth. Zu den wichtigsten Vorhaben gehören der Neubau des Sitzes für das Weiße Kreuz in Graun, die Erweiterung der Erlebnisschule in Langtaufers, der Umbau des Hallenbades in Graun, die Neugestaltung bzw. Aufwertung des Turm-Areals, der Bau weiterer Seniorenwohnungen, ein Projekt für betreutes und begleitetes Wohnen, die Beteiligung am SPRAR-Programm für die Aufnahmen von 8 Asylbewerbern (Familien), die Aufwertung der Etschquelle, das Museums-Konzept Graun, Wohnbau-Projekte in Reschen und weiteren Fraktionen, die Erweiterung des Sportplatzes in St. Valentin, der Bau eines Kreisverkehr in St. Valentin, das Dorfplatz-Projekt in Reschen, ein neuer Trinkwasser-Speicher in St. Valentin, der Neubau der Weisskugelhütte an einem anderen Standort und viele weitere größere und kleinere, aber deswegen nicht unwichtigere Vorhaben.
„Hier passiert viel“
Kompatscher, der sich im Vorfeld der Bürgerversammlung zu einer Aussprache mit dem Gemeindeausschuss getroffen hatte, bescheinigte der Verwaltung und dem Gemeinderat, „gute Arbeit zu leisten und vieles umzusetzen.“ Rückblickend auf die bisherige Arbeit der Landesregierung und seine Tätigkeit als Landeshauptmann verwies er unter anderem auf das mit Österreich abgesicherte Finanzabkommen mit dem Staat Italien sowie auf „gewaltige Steuersenkungen“. „Wir haben Vollbeschäftigung und Südtirol rangiert auf einer Statistik, die 276 Regionen in Europa beleuchtet hat, auf Platz 20.“ Wenngleich es nicht allen Menschen im Land gut gehe, „sind wir insgesamt nicht schlecht unterwegs.“ Zu verdanken sei dies vor allem dem Fleiß der Menschen, aber auch „den nicht schlechten Rahmenbedingungen, die wir geschaffen haben.“ Das solle aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch etliche „Baustellen“ gibt. Kompatscher nannte etwa den Bereich Gesundheit.
Konkrete Zusagen
Auch mit konkreten Zusagen für einige Vorhaben in der Gemeinde wartete der Landeshauptmann auf. Was die Aufräumarbeiten und Schutzmaßnahmen betrifft, die nach den Lawinenabgängen im Jänner in Langtaufers dringend notwendig sind, sicherte er zu, „dass Landesrat Arnold Schuler in wenigen Tagen die Situation mit Beamten und Technikern begutachten wird, um möglichst rasch und unbürokratisch helfen zu können.“ Das betreffe sowohl die Aufräumarbeiten mit landeseigenen Maschinen und Mitarbeitern, als auch die Lawinenschutzmaßnahmen, für welche insgesamt bis zu 2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden sollen. Ein Teil der Arbeiten soll heuer im Herbst ausgeführt werden, der Rest im nächsten Jahr. Auf ca. 7,5 Millionen Euro belaufen sich die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen im Bereich der Galerien zwischen St. Valentin und Graun, wobei allerdings erst 2021 mit einem Baubeginn zu rechnen ist. Seine Unterstützung zugesagt hat Kompatscher auch für das Projekt Turm-Areal. Bei aller Tragik und Dramatik der Seestauung sei die Geschichte rund um den Grauner Turm äußerst interessant und sollte erzählt werden. In punkto ANAS-Häuser sicherte Kompatscher zu, dass jenes in Reschen heuer übergehen wird, jenes in St. Valentin aber wolle die Staatsstraßenverwaltung selbst nutzen, „und das müssen wir ihr jetzt ausreden.“
„Causa Kaunertal“
Patrik Eller brachte die Ablehnung der skitechnischen Verbindung von Langtaufers mit dem Kaunertal aufs Tapet. Er wollte wissen, „was wir hier in der Gemeinde Graun falsch gemacht haben“ und warum die Landesregierung das Vorhaben trotz des Aufzeigens vieler positiver Gesichtspunkte und Aspekte nicht gutgeheißen habe. Kompatscher sagte, dass das Projekt kritische Aspekte bezüglich Landschafts- und Umweltschutz aufgewiesen habe und dass die positiven Auswirkungen nicht ausreichend bzw. überzeugend dargestellt worden seien. Eingeräumt hat er, dass es einen Rechtsmangel gegeben habe, „sodass die Landesregierung den Beschluss im sogenannten Selbstschutzweg widerrufen wird.“ Der Grund dafür sei, dass sich ein Mitglied des Umweltbeirates bereits vor der Abgabe des Gutachtens öffentlich gegen das Projekt geäußert habe und daher „befangen“ gewesen sein soll. Laut dem Rechtsamt des Landes könnte dies dazu führen, dass das Gericht einen Rekurs gegen den Beschluss annehmen könnte. Das ist übrigens schon einmal vorgekommen, und zwar beim Vorhaben, die Skizonen Kastelruth und Seiseralm zu verbinden. Im Anschluss an den Widerruf soll das Projekt erneut dem Umweltbeirat und dann wieder der Landesregierung vorgelegt werden. Das betreffende Mitglied ist im derzeitigen Umweltbeirat nicht mehr vertreten.
Verfahren ändern
Wie Landesrat Richard Theiner dem der Vinschger auf Anfrage erklärte, gehe er nicht davon aus, dass sich inhaltlich etwas ändern wird. Bei der Versammlung in Graun kündigte Kompatscher an, dass im Zuge des nächsten Omnibus-Gesetzes, das im Sommer verabschiedet werden soll, eine Änderung des Genehmigungsverfahrens ins Auge gefasst wird. „Zusätzlich zum Gutachten des Umweltbeirates soll von einer eigenen Kommission ein weiteres Gutachten zum sozioökonomischen Aspekt erstellt werden“, so der Landeshauptmann. Kommen beide Gutachten zum selben Schluss, unabhängig ob ja oder nein, sei die Sache klar. Die Politik solle nur mehr dann ins Spiel kommen, „wenn ein Gutachten positiv und eines negativ ist.“ In der „Causa Kaunertal“ sind nun mehrere Fragen offen: Kann die Oberländer Gletscherbahnen AG für die neue Bewertung weitere Unterlagen bzw. Verbesserungsvorschläge einbringen? Wird es möglich sein, das Vorhaben im Anschluss an die Verabschiedung des Omnibus-Gesetzes nach dem geänderten Genehmigungsverfahren behandeln zu lassen? Eine Diskussionsteilnehmerin gab zu bedenken, dass bei der Verbindung der Skigebiete Schöneben und Haider Alm viel Wald geschlägert werde, während man in Langtaufers sinngemäß keinen Stein verrücken dürfe. Andreas Lechthaler, der Präsident der Schöneben AG, dankte dem Landeshauptmann und der Landesregierung für die Genehmigung der Verbindung Schöneben-Haider Alm: „Das ist ein großes Projekt, das uns hier im Oberland wirtschaftlich weiterbringen wird.“
Viel zu lange Wartezeiten
Nur beipflichten konnte Kompatscher der Kritik an den immer noch viel zu langen Wartezeiten für ärztliche Untersuchungen. Auch mit einem konkreten Fall wurde er konfrontiert: „In der Zeitspanne vom 2. Februar bis zum 1. Dezember für eine Schilddrüsenuntersuchung kann vieles passieren.“ Kompatscher gab zu, dass sich das Problem mit den langen Wartezeiten verschlechtert hat. Als maßgebliche Gründe dafür nannte er den gravierenden Fachärztemangel sowie das Fehlen eines wirklich funktionierenden Vormerkungs- sowie Vernetzungssystems: „Die Kirchtürme in den Gesundheitsbezirken sind noch ziemlich hoch und werden weiterhin gepflegt.“ Als weitere Probleme im Gesundheitswesen nannte er die Notaufnahmen in Bozen und Meran sowie den sich anbahnenden Hausärztemangel. Wie es bei der Versammlung mehrfach hieß, müssen Bürger aus der Gemeinde Graun wegen der Reduzierung der Patientenanzahl zu Hausärzten anderer Gemeinden wechseln. Was die derzeitige Arzneimittel-Ausgabestelle betrifft, sicherte Kompatscher zu, dass diese so lange bleiben wird, bis sie wieder als reguläre Apotheke weitergeführt werden kann, was allerdings nicht leicht sein dürfte.
„Flucht“ in die Schweiz
Angesprochen wurde auch das Problem, dass viele Fachkräfte, die von heimischen Betrieben ausgebildet wurden, zum Arbeiten in die benachbarte Schweiz gehen, „weil man dort rasch einen Tausender mehr verdient, während wir hier gezwungen sind, Einwanderer einzustellen.“ Der Mangel an Fachkräften wird laut Kompatscher in Südtirol künftig in vielen Bereichen noch viel stärker zu spüren sein, weil die Arbeitskräfte der geburtenstarken Jahrgänge bald in den Ruhestand gehen werden. Die Nähe zur „starken“ Schweiz komme für den Obervinschgau erschwerend dazu. In Südtirol werde man in Zukunft gezwungen sein, „Leute von außen zu holen.“ Zum Problem der Verkehrsbelastungen im Oberland - die Hauptdurchzugsstraße führt mitten durch St. Valentin, Graun und Reschen - meinte der Landeshauptmann, dass sich das Verkehrsproblem nicht mit Straßenbauprojekten lösen lasse, sondern nur mit Regelungen wie etwa der Unterbindung des Schwerverkehrs, der nicht als Ziel- und Quellverkehr einzuordnen ist. Außerdem sei der öffentliche Verkehr noch weiter auszubauen. Auch der Grundsatz der Vermeidung von Verkehr dürfe nicht aus den Augen verloren werden. In Sachen Bahnverbindung Mals-Scoul bzw. Mals-Landeck sicherte Kompatscher auf Nachfrage von Bürgermeister Noggler zu, dass beide Varianten geprüft werden.
Für besseren Busersatzdienst
Eine Diskussionsteilnehmerin verwies auf Probleme im Zusammenhang mit dem Busersatzdienst, der während der derzeitigen Teilsperre der Vinschger Bahn (Meran bis Töll) eingerichtet wurde. Es sei zu hoffen, dass der Ersatzdienst bei den künftigen Sperrzeiten, zu denen es bei den weiteren Arbeiten zu Elektrifizierung der Bahn im Vinschgau kommen wird, besser funktioniert. Kompatscher zeigte sich des Problems bewusst: „Es braucht nicht nur einen guten Ersatzdienst, sondern insgesamt einen Busdienst im Land, der funktioniert.“
„Schlechter Asphalt“
Offen zugegeben hat Kompatscher, „dass wir ein ernstes und großes Problem mit der Qualität des Asphalts in Südtirol haben, wobei die Ursache oft im Straßenunterbau liegt“. Wie ein guter Asphalt aussieht, „kann man sich gleich hinter der Grenze ansehen“, meinte ein Bürger. An Diskussionsfreude fehlte es Bevölkerung bei der Versammlung nicht. Es war der Landeshauptmann selbst, der nach ca. Stunden meinte: „Liebe Leute, es ist 23 Uhr.“