Die Churburger „Wirtschaftsrede“
Rückschau auf 30 Jahre Wirtschaftsgespräche mit Erwin Wegmann, Alexander von Egen, Johannes Graf Trapp, Isabel Mühlfenzl und Hans Hinterhuber (v.l.).

Entspannter Rückblick und viel versprechender Ausblick

Publiziert in 36 / 2015 - Erschienen am 14. Oktober 2015
Rückbesinnung, Standortbestimmung, Wohltätigkeit durch Kunst, biografische Spurensuche und Musik prägten die 30. Churburger Wirtschaftsgespräche. Schluderns - Der Unterhaltungswert der 30. Wirtschaftsgespräche auf der Churburg in Schluderns war ausgesprochen hoch. Das begann mit den Erklärungen, warum auf der Einladung nur Landeshauptmann Arno Kompatscher namentlich angeführt war, aber weder Gastgeber, noch Bürgermeister. „Ich war in Alaska“, erklärte Johannes Graf Trapp, „und hätte von einem Eisbären gefressen werden können.“ Das allgemeine Schmunzeln der im Saal versammelten Burgherren und -damen, Wirtschaftsprofessoren, Vinschger Politiker und Vertreter der Sponsoren im Ahnen-Saal wurde lauter, als der Graf eine dorfpolitische Anspielung wagte: „Auch Erwin Wegmann wusste vor einem Monat nicht, ob er noch im Bürgermeistersessel sitzen würde.“ Bürgermeister Wegmann drehte den Spieß um: „Du bist, wie du bist.“ Es folgte ein freundschaftlicher Händedruck, die Erkenntnis, dass es ein Glück sei, die Churburg auf Gemeindegebiet zu haben und ein Kompliment an den Grafen, dass er seit 30 Jahren „immer die aktuellsten und brisantesten Themen im Oberen Vinschgau aufgegriffen hat.“ Die Anfänge Für seine Rückschau auf 30 Jahre Wirtschaftsgespräche mit 159 namhaften Referenten aus ganz Europa hatte sich Graf Trapp mit der Wirtschaftsjournalistin Isabel Mühlfenzl, dem Bozner Wirtschaftsmediator Alexander von Egen als Mann der ersten Stunde und dem ehemaligen Montan-Experten, Professor für Unternehmensführung und Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität Bocconi in Mailand, Hans Hinterhuber, umgeben. Ihm sei es zu verdanken, dass es die Wirtschaftsgespräche gibt. Er habe 1985 den Studenten Hansjörg Alber „Möglichkeiten der Ansiedlung von Betrieben im Oberen Vinschgau“ untersuchen lassen, erzählte Graf Trapp. Da man auch etwas über konkrete Wirkungen der Wirtschaftsgespräche wissen wollte, zitierte Trapp drei Beispiele. Erstens habe der Enel-Konzern die Stromversorgung stabilisiert, zweitens sei die Gewerbeoberschule in Schlanders entstanden und drittens habe die Firma HOPPE in Laas eine Niederlassung gegründet. Hinterhubers diplomatische Antwort mit persönlicher Bewertung der Gespräche auf der Churburg „Du hast damals das Nützliche für den Vinschgau mit dem Angenehmen für dich verbunden“ wurde mit Schmunzeln und Applaus quittiert. Die wirtschaftsgeschichtlichen Hintergründe im Obervinschgau durfte Alexander von Egen vortragen. In Glurns hätten sich die Handelswege gekreuzt. Kloster Marienberg - Abt Markus Spanier war unter den Zuhörern - sei damals und heute wieder ein geistig-kulturelles Zentrum. Von jeher die weltliche Schaltzentrale sei die Churburg gewesen, eingebettet in eine gesegnete Landschaft, betonte von Egen. Die Aussichten Um die Churburg zu erreichen, musste Landeshauptmann Arno Kompatscher zweieinhalb Stunden im Auto sitzen. Seine Rede war der wichtigste Punkt der Tagesordnung und hatte mehrere Vinschger Unternehmer und Verbandsvertreter in die Trapp‘sche Burg gelockt. Im Grunde sollte durch den obersten Bürger des Landes einmal mehr der vorausschauende Charakter der Wirtschaftsgespräche unterstrichen und fortgesetzt werden. Bei seinem Versuch, „Entwicklungslinien für Südtirol in den Raum“ zu stellen, griff ­Kompatscher auf die Krisenjahre zurück, die das System Südtirol „ganz gut“ überstanden habe. Nun gehe es um Eigentum- und Arbeitsplatzsicherung. „Wir haben es mit Steuersenkungen versucht und haben auf die Ausbildung gesetzt“, erinnerte der Landeshauptmann. Als großen Erfolg schätzte er die neue Kompetenz des Landes ein, die Lehrerausbildung selbst gestalten zu können. Es habe „sehr laute“ Gespräche mit Ministerpräsident Renzi gegeben, um die Hürden für die Lehrlingsbeschäftigung aus dem Weg zu räumen. Als Tourismus- und vor allem als Exportland sei es wichtig, einheitlich unter der Dachmarke „Südtirol“ auf allen Märkten aufzutreten. Ein wichtiger Schritt sei der Anschluss an Forschung und Entwicklung durch die Errichtung eines Technologieparks. Erreichbarkeit Als „Opfer der überbordenden Mobilität“ ging Kompatscher auf den Trend unter der Jugend ein, kein eigenes Auto mehr zu besitzen: „Wir haben zwar ein gut ausgebautes Nahverkehrsnetz, aber es geht auch um die Anbindung nach außen.“ Über den Brennerbasistunnel und die schnelle Verbindung nach Österreich kam Kompatscher auf Straßenbauprojekte im Vinschgau, auf die Elektrifizierung der Vinschgerbahn und auf die „Durchbindung Bozen-Mals“ zu sprechen. Ganz besonders konzentriert lauschten im Saal nicht nur Landesrat Richard Theiner, HGV-Präsident Manfred Pinzger und Bezirkspräsident Andreas Tappeiner, als der Satz fiel: „Wir müssen an die Schweiz anbinden. Ein Antrag auf Anbindung soll demnächst gestellt werden. Dabei schließen wir uns dem ‚Juncker-Plan‘ an, der ‚Investitionsoffensive für Europa‘.“ Es folgten Ausführungen über die Bedeutung eines eigenen Flughafens in Südtirol und um die Anbindung an die internationalen Märkte. Dabei versuchte der Landeshauptmann zu relativieren: 84 Millionen Euro würden jährlich für Bus-Verbindungen, 69 Millionen Euro für das Bahnnetz und fünf Millionen für den Flughafen ausgegeben. Kunst, Noblesse & Musik Der Standortbestimmung des Landeshauptmannes folgten die Eröffnung der Ausstellung ­„Bettler König Condottiere“ (siehe eigenen Bericht) und die kulinarische Aufrüstung in der Wärterstube. Zum Buffet wurden „adelige Tropfen“ aus den Kellern der Gräfin Isabella Bossi Fedrigotti - einer Cousine von Johannes Graf Trapp - und Graf Luca ­Visconti di Modrone serviert. Beide verfolgten mit großem Interesse das „30-Jährige“ der Wirtschaftsgespräche und die Filmdokumentation des Publizisten und Historikers Sebastian Marseiler über Elvira, die „letzte Gräfin Hendl“, die in „nobler Dürftigkeit“ 1998 in Schloss Kastelbell verstorben ist. Im Sinne des Wortes klang die Jubiläumsveranstaltung mit Klaviermusik aus. Marlies Nussbaumer-Eibensteiner aus Innsbruck spielte mit ihrer Tochter Elisabeth auf dem historischen Hammerflügel von Johann Georg Gröber (1775 -1849). Günther Schöpf
Günther Schöpf
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Vinschger Sonderausgabe

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