Chef winkt ab - Bauern vor Bauchlandung?

Flugplatz steckt Bauern im Hals

Publiziert in 14 / 2004 - Erschienen am 15. Juli 2004
[K] Mitte der 30er Jahre enteignen die Faschisten den Schludernser Bauern 40 Hektar Grund. Der Flugplatz entsteht. Sechzig Jahre später,1999, geht er in den Landesbesitz über. Das Land, sprich Landeshauptmann Luis Durnwalder, hätte nun die Möglichkeit, die Fläche zurückzugeben. Er blockt ab und sagte dazu in einem Interview: „Wir würden nicht mehr damit fertig, wenn wir alles faschistische Unrecht wiedergutmachen müssten.“ Seit Mai 2004 ist der Flugplatz der Verwaltung der Laimburg unterstellt. von Magdalena Dietl Sapelza [/K] Die Schludernser sind aufgeschreckt und fühlen sich übergangen. Die landeseigene Versuchsanstalt Laimburg ist mit der Verwaltung des ehemaligen Flugplatzareals auf der Schludernser Ebene betraut worden. Erstmals soll ein Versuchsfeld angelegt werden. Die Rede ist von drei bis zehn Hektar Fläche, die aufbereitet werden sollen. Befürchtungen werden geäußert, dass etappenweise auf der ganzen Fläche nutzbringende Intessivkulturen der Laimburg aus dem Boden schießen könnten. Die Schludernser Bauern machen mobil. Sie wollen mitreden. Seit 1999 fordern die Gemeindeverwalter eine Zurückgabe der Gründe an die Gemeinde, als Wiedergutmachung für faschistisches Unrecht. Sie verweisen auf Wahlkampfversprechungen vergangener Jahre. Rückendeckung erhalten die Schludernser unter anderem von Bauernbundfunktionären, von der SVP-Orts- und Bezirksleitung, von SVP-Landtagsabegordneten und von den deutschsprachigen Oppositionsparteien. Grundtenor: Die im Faschismus enteigneten Gründe müssten die Bauern eigentlich gratis zurückbekommen. Die Forderungen und die Solidaritätsbekundungen scheinen Landeshauptmann Luis Durnwalder wenig zu beeindrucken. Er hat im Land das Sagen und spielt auf Zeit. Vermutungen erhalten immer mehr Nahrung, er spekuliere damit, dass die Schludernser sich in Streitigkeiten verheddern könnten und kein ausgereiftes schlüssiges Konzept zur Flugplatznutzung zustande brächten. Schludernser Stimmen: „Wenn wir durcheinander gebracht werden und die Flugplatzgeschichte irgendwann einschläft, hat er gewonnen“. [F] Rückgabe angedacht [/F] Von einer Rückgabe an die Erben der einstigen Besitzer rückte man in der Schludernser Gemeindestube ab, weil das ein schwieriges Unterfangen und mit vielen Problemen verbunden sei. Viele einstige Enteignete sind heute nicht mehr in der Landwirtschaft tätig oder sind weggezogen. Ein Rekurs einstiger Besitzer vor Gericht, wie es beispielsweise beim Militärflugplatz bei St. Georgen der Fall ist, ist in Schluderns derzeit kein Thema. Die Bauern setzen auf Verhandlungen und fordern vehement: Das Areal muss der Landwirtschaft im Dorfe zugeführt werden. Das weckt die Sorgen der heutigen Nicht-Bauern, aber ebenfalls Betroffene der einstigen Enteignung. Sie befürchten, dass sie den Kürzeren ziehen könnten. Sprengstoff für den sozialen Frieden? Durchgespielt wurde die Möglichkeit eines käuflichen Erwerbs. Abgesehen vom Widerwillen, dem Land den Grund teuer abkaufen zu müssen, kam man zum Schluss: Bei einer Ausschreibung durch das Land könnten ortsfremde Spekulanten die Nase vorne haben. Als gerechteste Lösung wird eine Rückgabe an die gesamte Dorfgemeinschaft, also an die Gemeinde , gesehen, die dann ihrerseits entscheidet, wie das Areal im Sinne aller am besten genutzt werden könnte. [F] „Campo di Fortuna“ [/F] Mitte der dreißiger Jahre besetzen Arbeitertrupps die Felder in der Schludernser Ebene. Sie kommen aus allen Teilen Italiens. Die einen sind mit Geländeausmessungen beschäftigt, die anderen mit Erdbewegungsarbeiten. Die „Hochwiesen werden abgetragen und das Material wird in Richtung Puni verschoben. Die verängstigten Eigentümer müssen ohnmächtig zuschauen, wie Wege verlegt, Marksteine entfernt und Wasserwaale zugeschüttet werden. Der italienische Staat hat sich den Grund in einem Willkürakt angeeignet und 128 Grundparzellen zu einer einzigen zusammengefasst. Jegliche Protestaktion oder Gegenwehr wäre angesichts der Männer mit Gewehrkolben selbstmörderisch gewesen. An die 90 Schludernser Bauern verlieren über Nacht 40 Hektar Grund. Vielen wird die Existenzgrundlage entzogen. Der Flugplatz mit dem Namen "campo di fortuna" entsteht. Schon bald werden Militär-Übungen abgehalten. Vereinzelt landen Fallschirmspringer. 1943 soll der Flugplatz Teil der Alpenfestung werden. Faschisten und Nationalsozialisten arbeiten gemeinsam daran. Das Projekt scheitert vor dem Ende des II. Weltkrieges. [F] "Pappenstiel" [/F] „Die haben diktiert und fertig war“, sagt der 86-jährige Franz Klotz. „Die Stimmung war gedrückt. Wir waren rechtlos“. Die Bevölkerung lebt fast ausschließlich von der Landwirtschaft. Für viele Kleinbauern, die ihre Familien mit zwei drei Kühen mehr schlecht als recht ernähren können, bedeutet der Verlust der Grundstücke Hunger und Not. Viele machen sich auf Arbeitssuche im Ausland. Schludernser arbeiten beispielsweise im Harzgebirge in Eisenbergwerken und Waffenschmieden. Die Enteignungsentschädigungen lassen vier Jahre auf sich warten. Die faschistischen Sachverständigen haben die Schätzwerte äußerst niedrig angelegt - 10 bis 20 Prozent des effektiven Marktwertes. Das entsprechende Enteignungsdekret wird 1939 ausgestellt. „Für sein Grundstück konnte manch einer nur eine gute Kuh kaufen“, erinnert sich Franz Klotz, „für die Kuh hatte er dann aber kein Futter mehr, weil es ihm nicht möglich war, ein Ersatz-Grundstück zu erwerben.“ Die galoppierende Geldentwertung trägt das ihre dazu bei. Viele nehmen den „Pappenstiel“ und sehen in der Auswanderung im Zuge der Option die Möglichkeit, dem Unrecht in Richtung bessere Zukunft zu entfliehen. [F] Die Betrogenen [/F] Mit einer Entschädigung können erstmals nur jene Eigentümer rechnen, deren Besitzverhältnisse klar sind. Für alle anderen heißt es warten, bis zu zwanzig Jahre und mehr. Betroffen ist zum Beispiel die Familie Raffeiner. Nach dem Tod der Mutter kurz vor der Enteignung sind der Witwer und die neun minderjährigen Kinder Miteigentümer des geerbten Grundstückes. Ihr Fall wird auf die lange Bank geschoben. „Wir haben erst 1962 Bescheid bekommen, dass wir mit einem Rechtsanwalt nach Trient kommen sollten, um das Geld abzuholen“, erzählt Gertrud Raffeiner Theiner, „Die Entschädigung, die man uns zuerkannt hatte, war nichts mehr wert, es hätte nicht einmal die Fahrt herausgeschaut, geschweige denn der Rechtsanwalt.“ Wie der Familie Raffeiner ergeht es mehreren Familien. Viele verzichten in der Folge notgedrungen auf die Entschädigung. [F] Pachtverträge [/F] In der Nachkriegszeit wurde es um den Flugplatz ruhig. Relativ günstige Pachtverträge mit dem Staat machte eine Nutzung des Areals für Bauern längerfristig möglich. Sechsjahresverträge konnten abgeschlossen werden. Die Bewässerung erfolgte mittels Wasser-Einleitungen aus den angrenzenden Waalen. Aufgrund der Größe der Fläche mit unebenen Stellen blieben in heißen Sommern oftmals größere Teile im Trockenen. Die Erträge waren witterungsabhängig. Die Pächter nahmen es als höhere Gewalt hin. Über Jahre hinweg waren dies die Bauern des Gemeinschaftsstalles Schluderns, der inzwischen aufgelöst ist. Seit das Land das Sagen hat, erhalten die Bauern, zusammengeschlossen im Bodenverbesserungskonsortium Schluderns, nur noch jährliche Konzessionen. Das verhindert längst notwendige Investitionen was Bodenverbesserung und Bewässerungssystem betrifft. 33 Bauern nutzen derzeit den Flugplatz. [F] Ernüchterung [/F] Bei Gemeindeverwaltern und Bauernvertretern machte sich bei der jüngsten Aussprache am 2. Juli 2004 mit dem Landeshauptmann Luis Durnwalder Ernüchterung breit. "Euch von der Gemeinde geht es einen Dreck an, was das Land mit dem Flugplatz tut". Diese Aussage, bestätigt von mehreren Verhandlungspartnern, blieb den Schludernsern im Halse stecken. Sie lässt die Interpretation zu: Das Land hat null Interesse, die Liegenschaft zurückzugeben. Die Stimmung ist seither angespannt, wenngleich den Bauern die Zusammenarbeit mit der Laimburg in Aussicht gestellt wurde. Mit einem Teil als Versuchsfeld könnten die Schludernser Bauern leben. Was die übrige Fläche betrifft, möchten sie ein Mitspracherecht. Ein Konzept soll weiterhelfen und langfristige Pachtverträge ermöglichen. In Gesprächen mit Vertretern der Laimburg wollen die Bauernvertreter einen Konsens finden. Es bleibt ihnen nichts anderes übrig. Über Gut-oder Schlechtwetter entscheidet letztendlich auch dort der Landeshauptmann. Bislang liegt vieles im Dunkeln. Und die Schludernser befürchten, dass sie nach dem einstigen faschistischen Willkürakt nun ein zweites Mal über den Tisch gezogen werden könnten. Dieses Mal von den eigenen Volksvertretern.
Magdalena Dietl Sapelza
Vinschger Sonderausgabe

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