„Eindringling“ aus Südafrika
Am Vinschger Sonnenberg greift das Südafrikanische Greiskraut immer stärker um sich.

Gegen dieses „Kraut“ ist kein Kraut gewachsen

Publiziert in 24 / 2013 - Erschienen am 3. Juli 2013
Südafrikanisches Greiskraut breitet sich immer stärker aus. Auf den Platzerböden werden Behandlungsmethoden getestet. Latsch - Wären ihre Blütenblätter weiß und nicht gelb, könnte man meinen, es handle sich um die Kamille. Was sich aber am ­Vinschger Sonnenberg, speziell hoch über Latsch, seit einigen Jahren im wahrsten Sinne des Wortes breit macht, ist nicht die Kamille, sondern das Südafrikanische Greiskraut. Wie schon der Name verrät, stammt diese Pflanze aus Südafrika. „Es wird angenommen, dass dieses Greiskraut, das zur Familie der Korbblütler gehört, mit ungewaschener Schafwolle über Handelswege nach Europa gekommen ist,“ sagt Forstinspektor Mario Broll. Wie Broll ist auch Marco ­Pietrogiovanna - er leitet die Forstschule Latemar als Direktor und ist in der Abteilung Forstwirtschaft für den Bereich Neophyten in Südtirol zuständig -, überzeugt, dass eine vollständige Ausrottung dieser Pflanzenart aufgrund der bereits erfolgten Verbreitung undenkbar, ja schlichtweg unmöglich ist. In Südtirol ist das Südafrikanische Greiskraut im Unterland anzutreffen, am Tschöggelberg sowie am Vinschger Sonnenberg. Auf den sogenannten Platzerböden am Sonnenberg hoch über Latsch wurde 2012 eine Versuchsfläche angelegt, um herauszufinden, mit welchen Methoden sich eine bestmögliche Eindämmung dieser invasiven Pflanzenart erzielen lässt. Neophyten im Aufwind In den vergangenen 20 bis 30 Jahren hat die Zahl der Neophyten in Europa und natürlich auch in Südtirol besonders stark zugenommen. Marco Pietrogiovanna führt das in erster Linie auf die Zunahme der Handelstätigkeit zurück, vor allem aus China und dem gesamten asiatischen Raum. Als Neophyten bezeichnet man Pflanzen, die sich in einem Gebiet etabliert haben, in dem sie zuvor nicht heimisch waren. Im Gegensatz zu Neophyten wie es etwa die Robinie ist, die an Hängen für stabilisierende Wirkungen sorgt, ist die Ausbreitung des Südafrikanische Greiskrautes mit Problemen behaftet. Wie Broll, Pietrogiovanna und Roman Spechtenhauser, Absolvent des Studiums der Forstwissenschaften an der BOKU Wien und ­Förster in Latsch, in einem Gespräch mit dem der Vinschger bestätigten, kann dieses Greiskraut die einheimische Flora bedrohen. Vor allem empfindliche und wertvolle Trockenrasengesellschaften können in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Folge ist, dass die heimische Artenvielfalt Schaden nimmt oder fast gänzlich verschwindet. Wer derzeit am Sonnenberg bei Latsch unterwegs ist, stößt immer wieder auf die „Eindringlinge“ aus Südafrika. Qualität der Weide nimmt ab Ein weiteres Problem ist die Beeinträchtigung der Qualität von Weideflächen. Das Weidevieh weicht dem Greiskraut nämlich aus. Die Pflanze enthält übrigens Giftstoffe. „Besonders Pferde sind empfindlich,“ weiß Marco ­Pietrogiovanna. Auf den Platzerböden, wo Vieh weidet, wurde das ortsfremde Greiskraut in den Jahren 2004 und 2005 erstmals beobachtet. Die Intensität des Befalls ist unterschiedlich. Auf ebenen Flächen sind wenige und kleinere Pflanzen zu finden, an Hängen ist der Befall stärker: Es gibt eine oder mehrere Pflanzen mit gut entwickelten Büscheln pro Quadratmeter. Das Greiskraut kann bis zu 40 und mehr Zentimeter hoch werden. Eine einzige Pflanze bildet pro Jahr bis zu 30.000 und mehr Samen. Die Verbreitungskapazität und das Invasionsvermögen sind daher enorm. Weidefläche als Testgebiet Als Testgebiet hat die Forstbehörde nicht von ungefähr eine insgesamt rund einen halben Hektar große Weidefläche auf den Platzerböden ausgesucht. „Wenn es schon so gut wie unmöglich ist, alle befallenen Gebiete vom Greiskraut zu befreien, so wollen wir zumindest testen, wie man Weideflächen vor einer weiteren Ausbreitung schützt,“ stimmen Broll, Pietrogiovanna und Spechtenhauser überein. Das im Vorjahr angelegte Versuchsfeld ist in drei Flächen eingeteilt. Jede dieser Flächen umfasst je 9 Unterparzellen, auf denen das Greiskraut in unterschiedlichen Vegetationsstadien gemäht und ausgerissen wird. Broll: „Mit diesen mehrjährigen Tests möchten wir herausfinden, welche Maßnahmen die besten sind, um die Ausbreitung des Greiskrautes einzudämmen.“ Ziel sei es, in Zukunft Maßnahmen setzen zu können, die kostengünstig, praktikabel und umweltfreundlich sind. Wenngleich die ­Untersuchungsergebnisse erst im Laufe des nächsten Jahres vorliegen werden, lässt sich bereits jetzt sagen, dass das Ausreißen vermutlich besser ist als das Mähen. Auf den zwischen 1.155 und 1.170 Meter hoch gelegenen Platzerböden hat die Blütezeit des Greiskrautes nun voll eingesetzt. Die Blütezeit dauert übrigens sehr lange. Sie erstreckt sich bis in den November hinein. Auch Imker involviert Ständig im Kontakt steht die Forstbehörde auch mit den Imkern. „Wir raten ihnen, die Bienenstöcke möglichst nicht in der Nähe von befallenen Gebieten aufzustellen,“ so Pietrogiovanna. Es müsse schließlich vermieden werden, dass die Giftstoffe des Greiskrautes über den Honig in die Nahrungskette gelangen. Natürliche Gegenspieler hat das Greiskraut keine. Erste kleine Erfolge mit Gegenspielern zeichnen sich indessen bei der Bekämpfung der Esskastanien-Gallwespe ab, die ausschließlich die Ess­kastanienbäume befällt. Schon mehrfach wurde in Südtirol die aus China stammende Schlupfwespenart „Torymus sinensis“ ausgesetzt. Das Schlupfwespen-Weibchen sucht gezielt die Gallen auf, in denen sich der Schädling vom Ei bis zum ausgewachsenen Insekt entwickelt, sticht sie an und legt ihre eigenen Eier in die Brutkammern der Kastaniengallwespe ab. In der Folge fressen die Larven der Schlupfwespen den Kastanienschädling auf. Bis sich ein Gleichgewicht zwischen Schädling und Nützling einpendelt, vergehen natürlich etliche Jahren. Weniger lang dürfte es dauern, bis sich das Greiskraut am Vinschger Sonnenberg in Richtung Westen bzw. Norden ausbreitet. Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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