Haus des Getreides
Der Grundstein für eine breite Diskussion ist gelegt
Vor dem Rathaus in Mals (v.l.): Konrad Meßner, Ulrich Veith, Michelle Steiner, Tanja Scheuer, Johannes Dickel und Alexander Agethle.
Als möglicher Standort für die eventuelle Errichtung des Hauses des Getreides ist das Hafner-Haus im Ortskern von Mals im Gespräch.

Hehre Idee in Mals

Studentisches Praxisprojekt zur Wiederbelebung des Getreideanbaus vorgestellt. 

Publiziert in 44 / 2018 - Erschienen am 18. Dezember 2018

Mals - Es handelt sich derzeit zwar „nur“ um eine Idee, doch diese könnte es im Falle einer Umsetzung in sich haben. Es geht um den Vorschlag, in Mals ein Haus des Getreides zu errichten. Die Vision: „Das Haus des Getreides ist die treibende Kraft im Vinschgau, um den Getreideanbau wiederzubeleben. Es soll ein Ort geschaffen werden, an dem Menschen sowohl die Geschichte des Getreides im Vinschgau als auch das Potential des Getreideanbaus erleben können.“ Die Mission ist es, „im Vinschgau das beste Getreide anzubauen und die Region nachhaltig zu bewirtschaften. Menschen sollen die Möglichkeit haben, die Entwicklung zu erleben und regionale Produkte zu genießen.“ Diese hehren Ziele sind in einem studentischen Praxisprojekt festgeschrieben, dessen Ergebnisse kürzlich im Rathaus in Mals vorgestellt wurden. 

Einst Kornkammer Tirols

Es handelt sich um ein Projekt, das 11 Studierende des Studiengangs Management & Recht am Management Center Innsbruck (MCI) in der Zeit von März bis Juli 2018 unter der Leitung von Professor Johannes Dickel in Zusammenarbeit mit Konrad Meßner erarbeitet haben. Meßner erinnerte einleitend an die Zeit, als der Obervinschgau noch als die Kornkammer Tirols galt. Mit dem Thema Getreide beschäftige er sich schon seit 2006. Nachdem das Projekt Kornkammer Vinschgau „nicht funktioniert hat“, treibe ihn seit nunmehr über 4 Jahren die Idee des Haus des Getreides in Mals um. „Es braucht einen Kraftort, der sich intensiv mit Getreide beschäftigt und das Thema besetzt“, sagte Meßner, und zwar unter der Miteinbeziehung vieler Akteure und Beteiligten. Alle Bereiche sollten und könnten profitieren. Heimisches Brot aus heimischem Getreide: Das sei einer der Grundgedanken, auf dem das Haus des Getreides aufgebaut werden könnte. Dass die Umsetzung der Idee ein ganz anderes Kapitel ist, weiß Meßner: „Wir verfügen jetzt aber über eine qualifizierte und wertvolle Diskussionsgrundlage.“

Wertvolle Diskussionsgrundlage

Professor Dickel schickte voraus, „dass es uns am MCI bei Projekten dieser Art um reale Problemstellungen geht.“ Die Idee eines Hauses des Getreides sei sofort auf Zuspruch gestoßen: „Der Vorschlag wurde von den Studenten erstgereiht ausgewählt.“ Ausgehend von Erhebungen der derzeitigen Situation, einer Analyse möglicher Partner und Beteiligter sowie von Interviews mit Experten haben die Studierenden auch eine Marketingstrategie entworfen und Empfehlungen für eine eventuelle Umsetzung formuliert.Tanja Scheuer und Michelle Steiner stellten im Namen der beteiligten Studierenden die Arbeitsschritte und Ergebnisse im Detail vor. Ziel sei es gewesen, die wesentlichen Eckpunkte für die mögliche Realisierung der Idee eines Hauses des Getreides in Mals zu beschreiben, eine Diskussionsgrundlage für die vertiefte Auseinandersetzung und die Entscheidungsfindung zu erarbeiten und einen Beitrag zu einer langfristigen, nachhaltigen Entwicklung der Kulturregion Obervinschgau in Verbindung mit Getreide zu leisten.

Fokusgruppe tagte in Plawenn

Einer der wichtigsten Arbeitsschritte war das Treffen einer Fokusgruppe Ende Mai im Ansitz Plawenn. Daran teilgenommen hatten David Fabi (Architektur-Student), Christoph Hohenegger (Biobauer), Konrad Meßner (Regionalentwickler), Urban Rinner (Generalsekretär der Bezirksgemeinschaft), Ludwig Thoma von der Bezirksgemeinschaft (verantwortlich für die Leader-Programme) und Christina Unterthurner (IDM Südtirol). Nicht teilgenommen haben Bauernbund-Bezirksobmann Raimund Prugger und Peter Schuster, Innungsmeister der Bäcker im Vinschgau. Als Referenzprojekte hatten sich die Studierenden mit dem Textilen Zentrum Haslach in Oberösterreich, dem HAND.WERK.HAUS Salzkammergut und dem Werkraum Bregenzerwald befasst. „Alle Referenzprojekte sind als Verein organisiert und finanzieren sich aus selbst erwirtschafteten Mitteln und externen Förderungen. Durch effiziente Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern konnten die Projekte erfolgreich umgesetzt und Nutzen gestiftet werden“, so Scheuer und Steiner.

Viele Interessensgruppen

Die Liste der möglichen Interessensgruppen (Stakeholder) für das Haus des Getreides ist lang. Sie reicht von Landwirten, Tourismustreibenden und Schulen bis hin zu Besuchern, Handwerkern und Dienstleistern. In der Marktleistungsstrategie werden ebenfalls viele Ansätze bzw. Vorschläge aufgelistet: eine dauerhafte Ausstellung zur Geschichte des Getreideanbaus im Vinschgau und zum Prozess vom Korn bis zum Laib; ein Ernährungszentrum, das Informationen und Vorträge zu Ernährungstrends, gesunder Ernährung sowie Allergien anbietet; eine Ausgabe von hochwertigem und heimischem Saatgut zum Anbau an Landwirte; ein „Hofladen“ mit Produkten rund um das Thema Getreide (z.B. Bier, Kosmetik, Brot); Back- und Kochkurse; Bastel-, Bierbrau- und Naturkosmetik-Workshops; 5-Sinne Getreide-Erlebnis (Sehen, Tasten, Hören, Schmecken und Riechen); „geschützte geografische Angabe“ (g.g.A.) für das Vinschgerle und das Vinschger Paarl. 

EU-weites Alleinstellungsmerkmal

Das Haus des Getreides könnte mit einem entsprechenden Marketing als „EinKorn – Einzigartige Kornkompetenz im Herzen Europas“ etabliert werden, als das einzige Haus des Getreides in Europa und wahrscheinlich weltweit. Die Getreidetradition und -kompetenz des Vinschgau könnte sichtbar in den Fokus gerückt werden. Neben emotionalen Vorteilen wie Traditionspflege, Stolz, Bekanntheit, Ansehen, Identifikation mit der Region, Selbstbewusstsein und Genuss kämen auch wirtschaftliche dazu: Förderung der Wirtschaft und des Tourismus, Belebung des Dorfkerns und andere mehr. Es geht grundsätzlich darum, „sich auf die traditionellen Stärken und einzigartigen Kompetenzen auf dem Gebiet des Getreideanbaus und der -verarbeitung im Vinschgau zu besinnen und mit authentischen und gesunden Produkten und Dienstleistungen die Identifikation der Bewohner mit dem Land zu erhöhen und eine positive, qualitätsvolle und ausgewogene Wirtschaftsentwicklung zu fördern.“ 

Genossenschaft als Rechtsform

Als Rechtsform für die Umsetzung des Hauses des Getreides wird die Form der Genossenschaft vorgeschlagen. Finanziert werden sollte das Vorhaben mit öffentlichen Zuschüssen und selbst erwirtschafteten Mitteln: Bei der Errichtung müssten hauptsächlich externe Finanzmittel eingesetzt werden, „während der laufende Betrieb überwiegend aus selbst erwirtschafteten Mitteln bestritten werden kann.“ Zu den wichtigsten Anspruchsgruppen des Hauses werden Schulen, der Handel, Dienstleister, Landwirte und der Tourismus gezählt. „Diesen muss der Nutzen des Hauses des Getreides überzeugend vermittelt werden.“ Zielgruppen seien Einheimische, Landwirte, Bäcker, Schüler und Touristen. Im Maßnahmenplan zur Umsetzung wird die Gründung eines Promotorenkomitees angeregt. Als zweiter Schritt wird eine Abstimmung bzw. Entscheidung auf Gemeindeebene vorgeschlagen. Bürgermeister Ulrich Veith lobte die Arbeit der Studierenden. 

„Spannendes Thema“

Das Thema sei ein sehr spannendes. Sicher ist sich Veith, „dass das Vorhaben bei der Bevölkerung auf sehr große, ja uneingeschränkte Akzeptanz stoßen würde.“ Schade sei, „dass der Bauernbund und die Bäckerinnung bei wichtigen Treffen bisher nicht vertreten waren.“ Zusammen mit Konrad Meßner und Alexander Agethle stimmte er darin überein, „dass die Bauern und Bäcker zu überzeugen sind und unbedingt mit ins Boot geholt werden müssten.“ Agethle gab sich überzeugt, dass das Vorhaben nur dann gelingen kann, wenn sich eine Person findet, die sich voll und ganz und mit Leidenschaft der Umsetzung des Projektes widmet. Zusammenfassend hielten Professor Dickel und die zwei Studentinnen fest, dass die regionale Wirtschaft in vielfältiger Weise vom Haus des Getreides profitieren könnte. Die Etablierung eines Promotionskomitees und die Unterstützung des Projektes seitens des Bürgermeisters „sind die erfolgskritischen nächsten Schritte für eine mögliche Umsetzung.“

Wo könnte das Haus entstehen?

Als möglicher Standort für das eventuelle Haus des Getreides ist das sogenannte Hafner-Haus im Ortskern in Mals im Gespräch. „Die Gemeinde bemüht sich seit Jahren, dieses Haus zu kaufen“, sagte Veith. Gescheitert sei das Vorhaben bisher am Preis. Laut Veith gebe es neben dem Hafner-Haus noch viele weitere interessante Gebäude in Mals, wo eventuell ein Haus des Getreides untergebracht werden könnte. 

Josef Laner
Josef Laner

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