Viele „kalte“ Betten
HGV-Chef Manfred Pinzger

Hotel- und Gastgewerbe hat schweren Stand

Publiziert in 26 / 2013 - Erschienen am 17. Juli 2013
Manfred Pinzger über Probleme und Chancen in der ­Tourismusbranche. Vetzan - Seit etwas mehr als zwei Monaten ist der Gastwirt Manfred Pinzger Präsident des Hoteliers- und Gastwirteverbandes HGV. Er ist 53 Jahre alt und nur um 4 Jahre älter als der „Vinschgerhof“ in ­Vetzan, wo er aufgewachsen ist und der 2014 das 50-Jährige feiert. Pinzger war lange Zeit SVP-Gemeinderat und -verwalter in Schlanders. Der Höhepunkt seiner politischen Karriere war die Wahl zum Senator im Jahr 2006. 2008 wurde er als Senator wiedergewählt. Bei den Parlamentswahlen 2013 verzichtete er auf eine erneute Kandidatur. Im HGV hatte er bis zur Wahl als Präsident verschiedenste Funktionen auf Gemeinde-, Bezirks- und Landesebene ausgeübt. der Vinschger: An was erinnern Sie sich, wenn Sie an die „Gasthauszeiten“ von früher denken? Manfred Pinzger: Es war alles einfacher und feiner. Meine Eltern saßen oft stundenlang bei den Gästen. Geselligkeit und Gemütlichkeit waren damals mehr als nur schöne Worte. Es war alles viel persön­licher und nicht so reserviert wie heutzutage. Aber auch die Gäste von heute mögen es, wenn sich die Gastgeber Zeit für sie nehmen. Auch das Verhalten der Gäste hat sich geändert. Früher bildeten sich unter den Gästen sofort gesellige Gruppen. Heute ist dies weniger der Fall. Beim Wandern und Biken kommt man dann schon eher mit den Gästen ins Gespräch. Unsere wöchentliche „Weinverkostung“ im eigenen Weinkeller ist ein weiterer Moment, wo es uns sehr gut gelingt mit den Gästen zu plaudern. Sollte sich nicht auch der Gastwirt selbst mehr ins Zeug legen? Dem Gastwirt bzw. Hotelier von heute fehlt vielfach die Zeit, sich mehr mit dem Gast abzugeben. Ich beobachte das an mir selbst. Jede freie Minute, die ich habe, nutze ich, um Büroarbeit zu verrichten und den Berg an Bürokratie abzubauen. Auch Gästeanfragen sind umgehend zu bearbeiten. Wenn man auf Anfragen nicht sofort reagiert, ist man ohnehin schon weg vom Fenster. Ihr Betrieb steht aber ziemlich gut da. Ich bin sehr froh, dass wir trotz schwieriger Lage auf eine sehr gute Auslastung verweisen dürfen. Wir liegen weit über dem Durchschnitt, jedoch muss man immer das Endresultat analysieren, sprich das was schlussendlich laut Bilanz übrigbleibt. Auslastung alleine sagt relativ wenig aus. Wir haben laufend investiert, erneuert und modernisiert. Hätten wir nichts unternommen, hätte uns die Zeit längst eingeholt. Vinschgauweit ist es mit der Bettenauslastung aber nicht besonders gut bestellt. Der Durchschnitt liegt bei ca. 120 Tagen. Das ist absolut zu wenig. Auch die erzielten Preise für Übernachtung mit Frühstück liegen 20% unter dem Landesschnitt. Im Vinschgau wird 50,80 Euro laut letzter Erhebung kassiert und im Burggrafenamt wird für dieselbe Leistung 70,00 Euro eingehoben. Es sind vor allem dies die Punkte, an denen es zu arbeiten gilt. Derzeit hört man vermehrt auch Touristiker jammern, und zwar nicht nur im Vinschgau. Kommt nach fetten Jahren jetzt die Dürre? Dürre ist vielleicht ein starkes Wort, aber für das Jahr 2013 zeichnet sich bereits jetzt definitiv ein großes Minus bei den Nächtigungen ab. Auch im Vinschgau wird es schwierig werden, die Zahl von ca. zwei Millionen Nächtigungen, die wir vom Reschen bis ­Kastelbell-Tschars in der Regel erreichen, halten zu können. Wo liegen die Gründe für diese Flaute? Die Ursachen sind unterschiedlich und vielschichtig. Ein Grund ist sicher der, dass die Leute einfach weniger Geld haben. Die Preise sind gestiegen, die Löhne nicht. Das gilt vor allem für Einheimische und italienische Gäste. Es ist schon lange nicht mehr so, dass Arbeiter nach Feierabend einkehren, um eine oder mehrere Runden Bier zu trinken. Nicht zu vergessen sind auch Auflagen, die zum Teil überzogen sind. Ich nenne etwa das Ausschankverbot von alkoholischen Getränken an unter 18-Jährige oder die unsinnige Auflage der 1.000-Euro-Bargeldgrenze. Wenn überhaupt, kann diese Auflage für Gäste aus Italien einen Sinn haben, nicht aber für Deutsche oder Schweizer. Um diese Gäste braucht sich der italienische Fiskus wirklich nicht zu kümmern. Auch über zu hohe Steuern und zu hohe Lohnkosten wird in Ihrer Branche oft geklagt. Diese Probleme machen uns tatsächlich sehr zu schaffen. Zwischen 25 und 40 Prozent des Umsatzes entfallen auf die Mitarbeiter, wobei es sich beim Hauptteil davon um Lohnnebenkosten handelt. Unter diesen Umständen ist klar, dass jeder Betrieb nur so viele Mitarbeiter beschäftigt, wie unbedingt notwendig. Das hat andererseits zur Folge, dass die Mitarbeiter zu 100 Prozent gefordert sind. Natürlich erschwert uns auch die Steuerlast das Wirtschaften. Unser Betrieb zum Beispiel zahlt ca. 30.000 Euro IMU. Dieser Betrag muss erst verdient werden. Es gibt viele Gastbetriebe, bei denen unter dem Strich nichts herausschaut. Und wie stehen Sie zu Kurtaxe und Tourismusabgabe? Die Kurtaxe wird mit ab 1. Jänner 2014 eingehoben. Gezahlt wird sie vom Gast, für uns bedeutet sie ein Mehr an Bürokratie. Die Tourismusgabe hingegen ist eine nicht tragbare Zusatzbelastung, die es zu verhindern gilt. Verhindern will der HGV auch die Möglichkeit, dass Betriebe, die Urlaub auf dem Bauernhof anbieten, die Zahl der Wohnungen oder Zimmer aufstocken können. Wir als HGV, und besonders ich sehen diese Betriebe grundsätzlich als Bereicherung. In Berggebieten geht eine Erweiterung für uns in Ordnung. Nicht aber im Tal und nur deshalb, um einigen wenigen einen Gefallen zu tun. Das wäre ein unlauterer Wettbewerb zu Lasten jener, die nicht in den Genuss der Vorteile und Förderungen kommen, wie sie für Betriebe mit Urlaub auf dem Bauernhof bestehen. Wir brauchen eine Politik mit Vernunft. Es geht nicht an, dass einzelne Bereiche weiterhin, gerade in diesen schwierigen Zeiten, bevorteilt werden, hingegen die große Mehrheit der Steuerzahler immer mehr zur Kasse gebeten wird. Erst kürzlich haben die vier Landtagsabgeordneten der Freiheitlichen in dieser Angelegenheit bei mir vorgesprochen und die Unterstützung zugesagt. Die SVP hat derzeit zwar noch die Mehrheit, muss sich jetzt aber in einigen Bereichen auf die Hinterbeine stellen. Wie beurteilen Sie die derzeitige Gesamtentwicklung der Tourismusbranche im Vinschgau? Unser Tal birgt noch sehr viel Potential. Der Weg, der mit „Vinschgau Marketing“ eingeschlagen wurde, ist zweifellos der richtige. Präsident Matthias Tschenett und Direktor Kurt Sagmeister sind junge und motivierte Führungskräfte, die mit ihrem Team gute Arbeit leisten. Bedauernswert finde ich, dass manche Sachen bei uns im Vinschgau zerredet, ja tot geredet werden. Ein Golfplatz bei Glurns zum Beispiel wäre eine große Aufwertung, aber mittlerweile scheint sich das Vorhaben wieder im Sand verlaufen zu haben. Auch bei den derzeitigen Diskussionen rund um den Zusammenschluss von Skigebieten im Oberland und im benachbarten Nordtirol sollte es gelingen, einen breiten Konsens zu finden. Keiltreiber sind hier fehl am Platz. Speziell im Oberland muss allen bewusst sein, dass der Tourismus das erste Zugpferd der gesamten Wirtschaft ist. Was sind die wichtigsten Ziele, die Sie in Ihrer Amtszeit als HGV-Chef erreichen wollen? Ich wünsche mir, dass das Bewusstsein des Stellenwertes, den der Tourismus in unserem Land hat, in der gesamten Bevölkerung wächst. Wir als Touristiker sind sozusagen an das Land gebunden. Wir können unsere „Produktion“ nicht auslagern. Wir arbeiten hier im Land und tun es gern. Ein zweites großes Ziel ist die Stärkung unserer traditionellen Gasthauskultur, mit der es in den vergangenen Jahren leider ziemlich bergab gegangen ist. Weiters möchten wir die unerträgliche Bürokratie abbauen, weitere Steuerbelastungen verhindern und unseren Mitgliedern einen noch besseren Service bieten, um unsere Betriebe für die zukünftigen Herausforderungen zu stärken. Was stört Sie derzeit am meisten? Es ist festzustellen, dass derzeit im ganzen Land die Auslastung der Betten in den Betrieben rückläufig ist. Wir hatten schon vor einiger Zeit darauf verwiesen und um verstärkte Marketigmaßnahmen ersucht, jedoch ohne großen Erfolg. Die Banken gewähren zudem kaum Kredite für nötige Investitionen, was sich natürlich auf die Wettbewerbsfähigkeit im Alpenraum negativ auswirken wird. Ein weiteres Problem ist die überdimensionale Kontrolltätigkeit der verschiedensten Organe. Hier wird oft mit sehr unterschiedlichen Maßstäben gemessen. Und ich meine hier nicht nur die Steuerkontrollen. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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