Von Apulien in den Vinschgau
Pasquale Bonfitto fühlt sich in Südtirol rundum wohl
Pasquale Bonftto: „Die Musik bringt die Menschen zusammen, sie verbindet und sie schenkt unendliche Freude.“
Ein historisches Foto: Pasquale Bonfitto im Frühjahr 2018 bei der letzten Messe mit dem Bozner Domchor im Vorfeld der Restaurierung der Orgel.

„Ich habe zwei Heimaten“

Junger Lehrer und Kirchenmusiker aus San Giovanni Rotondo spricht über seine zweite Heimat Südtirol, seinen beruflichen Werdegang und seine gelungene Integration.

Publiziert in 14 / 2019 - Erschienen am 16. April 2019

Vinschgau - Dass ein junger Mann aus Apulien seit 2011 regelmäßig die Orgel in der Pfarrkirche Reschen spielt, einen Chor in Latsch leitet, Italienisch unterrichtet, perfekt Deutsch spricht und die Geschichte Südtirols ebenso gut kennt wie jene seiner ersten Heimat Apulien, ist nicht alltäglich. „Wenn mich heute jemand fragt, wo meine Heimat ist, antworte ich, dass ich zwei Heimaten habe“, sagt Pasquale Bonfitto in einem Gespräch mit dem der Vinschger. Seine erste Heimat ist San Giovanni Rotondo, die Stadt des Gargano in Apulien, wo Padre Pio lange Zeit lebte. „Farò più chiasso da morto che da vivo“, soll Padre Pio (1887-1968) gesagt haben. Das war übrigens der einzige Satz, den Pasquale beim Interview auf Italienisch sprach. Er legte nämlich Wett darauf, das Gespräch auf Deutsch zu führen. Seine Heimatstadt, wo er am Nikolaustag vor 33 Jahren geboren wurde, zieht jährlich Hunderttausende von Pilgern an, welche die Wirkungsstätte des Kapuziners und Ordenspriesters Francesco Forgione, bekannt als Padre Pio, besuchen wollen. Padre Pio, den Papst Johannes Paul II. 1999 selig und 2002 heilig sprach, ist einer beliebtesten Heiligen Italiens. Auf seine Initiative geht auch die Gründung des Krankenhauses „Casa Sollievo della Sofferenza“ zurück. Die Privatklinik genießt in Kreisen der medizinischen Wissenschaften einen ausgezeichneten Ruf.

Klassisches Gymnasium als Fundament

Worin Pasquale Bonfitto den Grundstein seiner beruflichen Entwicklung und das Fundament seines Bildungsweges sieht, ist der Besuch des klassischen Gymnasiums „Pietro Giannone“ in San Marco Lamis. Es ist dies die Stadt seiner Eltern, wo er aufgewachsen ist. Diese Schule hatte übrigens 20 Jahre zuvor auch der derzeitige Ministerpräsident Giuseppe Conte besucht. „Ich halte das Erlernen der griechischen und lateinischen Sprache und das Kennenlernen dieser antiken Kulturen, von denen wir ja herkommen, als ungemein wichtig und wertvoll“, gibt sich Pasquale überzeugt. Parallel zum Gymnasium besuchte er auch das Konservatorium, und zwar das Fach Klavier. Im Anschluss daran studierte er Kulturwissenschaften an der Universität in Foggia und schloss dieses Master-Studium im Alter von nur 23 Jahren mit Auszeichnung ab. Ebenso erfolgreich beendete er das Klavierstudium. Mit viel Enthusiasmus und Zuversicht hielt er Ausschau nach einer beruflichen Beschäftigung. Pasquale: „Ich hatte keine Angst davor, von Zuhause wegzuziehen und anderswo eine Arbeit zu finden.“ Während sein jüngerer Bruder den Entschluss gefasst hatte, Marine-Offizier zu werden, zog Pasquale zunächst in das Trentino, wo er an Mittelschulen in mehreren Tälern als Musiklehrer arbeitete.

Vom Trentino nach Montenegro

Als er den Wettbewerb für ein dreimonatiges Praktikum an der italienischen Botschaft in Podgorica, der Hauptstadt von Montenegro, gewann, packte er die Gelegenheit beim Schopf und wechselte nach Montenegro. Dort hielt er u.a. Vorlesungen an der Universität von Nikšić, erteilte Kindern von Diplomaten Klavierunterricht und wurde ein persönlicher Freund des Botschafters Sergio Barbanti, dem derzeitigen Botschafter Italiens in Wien. Mit Überraschungen wartete das Schicksal im Leben von Pasquale immer wieder auf. Als er nach dem Praktikum in Montenegro ein Stipendium der italienischen Regierung für Forschungsarbeiten im Bereich Oper und Musik in Southampton in England gewann, wurde er gefragt, ober er nicht Lust hätte, an einer italienischen Oberschule in Sterzing als Latein- und Italienischlehrer zu arbeiten.

Mit dem Kleinwagen nach Sterzing

Pasquale: „Ich hatte das für 40 Euro gekaufte Flugticket nach England schon in der Tasche, zerriss es aber und brach mit einem Kleinwagen, in dem ich alle meine sieben Sachen verstaut hatte, nach Sterzing auf.“ Als er 2010 erstmals in Südtirol ankam, war für ihn alles neu: „Ich sprach kein einziges Wort Deutsch und von der Geschichte dieses Landes wusste ich gar nichts.“ Als er in Sterzing durch die Straßen ging, bemerkte er, „dass es noch andere Schüler gab, nämlich solche, die Deutsch sprechen.“ Das war für Pasquale der Anlass, sich für die deutsche Sprache und auch für die Geschichte Südtirols zu interessieren: „Ich hatte bis dahin zum Beispiel keine Ahnung, was die Leute mit Option meinen.“ Pasquale fasste den Entschluss, sich für eine deutschsprachige Schule zu bewerben, Deutsch zu lernen und die Zweisprachigkeitsprüfung zu absolvieren. Er belegte einen intensiven Sprachkurs am Goethe-Institut in Göttingen, hatte auch Pater Ulrich Faust vom Kloster Marienberg als Deutschlehrer und absolvierte 2012 die Zweisprachigkeitsprüfung des Niveaus A mit Bravour.

„Deutsch ist nicht mehr Fremdsprache“ 

Pasquale: „Deutsch ist für mich keine fremde Sprache mehr. Sie ‚gehört’ jetzt neben der italienischen Sprache voll zu mir, ganz tief.“ Auch dem Dialekt widmet sich der Lehrer und Kirchenmusiker mehr und mehr. Vor rund 8 Jahren kam Pasquale in den Vinschgau, genauer gesagt nach St. Valentin auf der Haide, wo er die Stelle als Italienischlehrer antrat. Aus dieser Zeit stammt auch ein Anruf des Lehrers Peter Pircher, der ihn fragte, ob er nicht in der Pfarrkirche Reschen die Orgel spielen möchte. Seit damals bis heute spielt Pasquale an fast allen Wochenenden die Orgel in Reschen. „Nicht immer war die Straße schneefrei, als ich von Sterzing auf den Reschen fuhr“, erinnert er sich. 

Seit 8 Jahre Organist in Reschen

Mittlerweile hatte er sich ein weiteres großes Ziel gesetzt: die Lehrbefähigung für die deutschsprachige Schule. Auch dieses Ziel errichte Pasquale. Er schloss die Ausbildung am Campus Brixen der Universität Bozen erfolgreich ab. Als besonders wichtig und wertvoll findet es Pasquale, dass den Studierenden im Zuge diese Ausbildung auch die Geschichte Südtirols der vergangenen 100 Jahre eingehend näher gebracht wird. Nach zweijähriger Unterrichtstätigkeit in St. Valentin wechselte er an die Mittelschule Schlanders, wo er seit 5 Jahren als Italienischlehrer und Lehrer für die Wahlfächer Chor und Orgel arbeitet. Am Konservatorium „Monteverdi“ hat er mittlerweile eine Spezialisierungs-Ausbildung in Kirchenmusik mit den Schwerpunkten Orgel, Chorleitung und Stimmbildung bei Professor Heinrich Walder absolviert.

Auftritte im Bozner Dom

Bereits mehrfach zusammengearbeitet hat Pasquale u.a. mit Tobias Chizzali, dem Domkapellmeister und Domorganist der Dompfarre Bozen. Bei der Roratemesse und der Silvestermesse 2018 mit dem Domchor in Bozen trat er als Organist auf. In der Vorweihnachtszeit hatte er als Solist eine Orgel-Vesper im Dom vorgetragen. Zusätzlich zu seiner Lehrertätigkeit ist Pasquale noch anderweitig mehrfach als Chorleiter, Organist, Pianist und auch Übersetzer tätig. So hat er zum Beispiel im Zusammenhang mit der Renovierung und dem Umbau der Hauptorgel „St. Gregorius“ im Bozner Dom die Geschichte dieser Orgel und die Restaurierungsarbeiten für die Bischofskonferenz in Rom ins Italienische übersetzt. Mit großer Begeisterung leitet er zudem den Pop-Gospel-Chor „Joyful Singers“ in Latsch, wobei er mit dem Chor ebenfalls in deutscher Sprache kommuniziert. Und auch bei vielen Auftritten ist Pasquale mit von der Partie. Das, was er am meisten liebt, ist die Musik: „Die Musik kennt keine Grenzen. Sie bringt die Menschen zusammen, sie verbindet und sie schenkt unendliche Freude.“

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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