Erste Traubenlese auf Marienberg
Gruppenbild der ersten Weinlese auf Marienberg (v.l.): Tanja, Stefan, Lea, Abt Markus, Nico, Godstine, Hilde, Elke und Julian; im Vordergrund der Hund „Almschi“, der unentwegt durch die Rebenreihen wedelte.

„Ich war immer überzeugt, dass es gelingen wird“

Publiziert in 40 / 2016 - Erschienen am 9. November 2016
Nach vierjähriger, harter Arbeit konnten an den Südhängen des Klosters Marienberg die ersten Trauben geerntet werden. Marienberg - Kein Weinberg auf dem europäischen Festland ist dem Himmel näher als jener zu Füßen des Klosters Marienberg. Die Zweifel und Bedenken ­darüber, ob es wohl gelingen würde, auf einer Meereshöhe von rund 1.350 Metern nach rein biologisch-dynamischen Kriterien erfolgreich Wein anzubauen, sind spätestens seit dem 31. Oktober ausgeräumt. Um 8 Uhr in der Früh, als das Kloster aus der Ferne bereits wie ein weißer Marmorblock aus den herbstlich verfärbten Lärchenwäldern hervorstach, rückten Hilde Van den dries und ihre Mithelfer an diesem Tag zur ersten Weinlese aus. Am 31. Oktober ist es die weiße Rebsorte Solaris, die geerntet wird. Das Experiment ist gelungen Die Schere in ihrer Hand will keine Ruhe finden: Hilde ist ein bisschen aufgeregt, aber überglücklich: „Ich war immer überzeugt, dass dieses Experiment gelingen wird. Und es ist gelungen. Nach vier Jahren harter Arbeit können wir die ersten Trauben ernten. Und es sind gute Trauben“, sagt die leidenschaftliche Winzerin. Sie reicht dem Abt Markus Spanier und dem Klosterverwalter Stefan Bernhard eine Kostprobe. Bekommen die Klosterbrüder jetzt einen neuen Messwein? Abt Markus Spanier: „Nein, dafür sind diese Trauben viel zu kostbar.“ Es war Abt Markus, der vor über 4 Jahren mit Frans Van den dries, dem Vater von Hilde, vereinbart hatte, ca. 2,3 Hektar der klostereigenen Grundflächen am Fuße der Abtei an die Familie Van den dries zu verpachten. Bis dahin waren die Hänge unterhalb des Klosters als Wiesen- und Weideflächen genutzt worden. Frans und Frieda Van den dries, die aus Flandern in Belgien stammen, hatten 2004 das Calvenschlössl in Laatsch erworben und daraus den gleichnamigen Weinhof gemacht, wo ökologisch hochwertige Weine gedeihen. „Während wir in Laatsch auf ca. 1.000 Höhen­metern arbeiten, liegen die Südhänge des Klosters auf ca. 1.350 Metern. Das ist ein beträchtlicher Unterschied“, so Hilde. Im Einklang mit der Natur Dass auch auf den Flächen beim Kloster ausschließlich eine biologisch-dynamische Anbauweise in Frage kommen würde, war von vorneherein klar. Auch dem Abt war und ist eine naturnahe Arbeitsweise ein großes Anliegen. Auf dem Großteil der ­Flächen wurden vor 4 Jahren rund 6.200 Rebstöcke gepflanzt. Hilde: „Wir haben uns für pilzresistente Sorten entschieden, und zwar für die weißen Rebsorten Solaris und Muscaris sowie die Rotweine Cabernet Cortis und Prior als Versuchsweine.“ Auf dem etwas schattigen Osthang wurden verschiedene Wildbeeren gepflanzt, die ebenfalls schon erste ­Früchte getragen haben. Dass es ein Experiment werden würde, auf 1.350 Metern Wein anzubauen, lag schon allein deshalb auf der Hand, weil das bisher auf dem euro­päischen Festland in diesem Ausmaß noch nie versucht wurden war. Vor allem auch deshalb ist Hilde Van den dries überglücklich: „Ich persönlich war immer überzeugt, dass es klappen wird.“ Und sie ließ sich durch niemanden und nichts abschrecken oder beeindrucken. Auch nicht von Gerüchten, wonach im Weinberg zu wenig gemäht würde oder wonach alles verwildere. Hilde: „Natürlich ist von außen auch das hohe Gras zu sehen. Wir lassen das Gras aber ganz bewusst zum Teil stehen, denn wenn die Reben sozusagen Konkurrenz durch das Gras bekommen, schlagen sie tiefere Wurzeln und werden dadurch stärker und widerstandfähiger.“ Die Rebe wird von innen gestärkt Die Beschaffenheit des sandigen Bodens an den Südhängen des Klosters sei für den Weinanbau bestens geeignet. Allerdings seien die Hänge auch sehr trocken. Bewässert wird der Weinberg über eine Tropfberegnung mit Quellwasser. Es handelt sich um den Überschuss des Trink­wassers für das Kloster. Chemie ist für die Familie Van den dries ein Fremdwort. Das einzige Mittel, das Hilde bei Bedarf auf den ­Flächen bei Marienberg einsetzt, ist Pflanzenjauche, hergestellt mit Hilfe von Pflanzen, die vor Ort gedeihen. Ein Zuckerschlecken ist die Arbeit im Weinberg nicht, besonders nicht, wenn er so hoch gelegen ist. Hilde: „Die Weinreben treiben hier oben viel später aus und wachsen auch langsamer. Der Wachstumsunterschied zwischen Laatsch und hier liegt bei rund drei Wochen.“ Was eventuelle Frostschäden angeht, so kann es vorkommen, dass Frostnächte, die im Frühjahr zu Schäden in tieferen Lagen führen können, „hier oben ohne Folgen bleiben, weil die Reben noch nicht ausgetrieben haben.“ Frostnächte im Herbst stellen allerdings ein Risiko dar. Starke Sonneneinstrahlung Was sich auf die Qualität der Weine, die auf Marienberg gedeihen, mit Sicherheit auswirken wird, ist die starke Sonneneinstrahlung. Wie die ersten Weine munden werden, kann man derzeit noch nicht sagen, denn die Trauben müssen zunächst eingekellert werden. Das geschieht ­übrigens im Weinhof Calvenschlössl. Detail am Rande: Dort lagern mittlerweile 32 Liter ­Cabernet als Versuchswein von 2015. Hilde hofft, im nächsten Jahr erstmals 4 Weinsorten vom höchsten Weinberg Europas aufschenken zu können. Wenngleich fast das ganze Jahr über viel Arbeit dahinter steckt, ist die Leidenschaft der Winzerin ungebrochen: „Ich habe den schönsten Büroplatz der Welt.“ Ausgehend von den Erfahrungen der ersten Ernte und der bevorstehenden Einkellerung wird das bisher gelungene Experiment fortgesetzt, auch in Zusammenarbeit mit Weinbauinstituten und Anstalten, wie etwa der Laimburg oder der Forschungsanstalt für Garten- und Weinbau in Geisenheim. Einen großen Dank spricht Hilde all jenen aus, die ihr während des Jahres und speziell auch in der Erntezeit bei der Arbeit im Weinberg helfen. Sollte es gelingen, in den nächsten Jahren vom Weinanbau leben zu können, will Hilde Van den dries ihren Teilzeitjob als Kellnerin an den Nagel hängen, um voll und ganz das zu sein, was sie am liebsten ist: Winzerin. Sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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