Ein Schülerheim geht mit der Zeit

Im Namen des Hl. Vinzenz von Paul

Publiziert in 45 / 2011 - Erschienen am 15. Dezember 2011
Schlanders – Eines vorweg: Das Vinzenzheim in Schlanders trägt zusätzlich den Namen „Dr.- Vögele-Haus“, das eine Wertschätzung des Arztes Dr. Heinrich Vögele sein soll. Er war der Gründer des Waisenhauses in Schlanders, in dem sich nach seinem Tod 1866 die Barmherzigen Schwestern von Bozen/Gries der armen Kinder und Mädchen angenommen haben. Heute ist das Vinzenzheim ein Schülerheim, dessen Erziehungsgrundsätze sich zwar an christlichen Werten, besonders an der ­Spiritualität des heiligen Vinzenz von Paul orientieren, dennoch haben sich die pädagogischen Leitlinien immer wieder dem historischen Wandel angepasst. Das Heimkonzept basiert auf dem allgemeinen Grundgedanken, die Kinder und Jugendlichen auf ganzheitliche Weise zu fördern, d.h. der Schwerpunkt der inhaltlichen Arbeit mit den Kindern liegt sowohl in der Leistungsförderung als auch im Freizeit­angebot. Im Laufe der Zeit hat das Vinzenzheim stets auf die jeweiligen Bedürfnisse nach pädagogischen Strukturen für Kinder und Jugendliche reagiert und dabei viele Veränderungen durchgemacht. Es ist ein Haus, das mit der Zeit geht und ein Lebensraum, in dem Toleranz, Fairness und Verantwortung in einem konstruktiven Miteinander zum Ausdruck kommen. „Der Vinschger“ hat mit der Heimleiterin und pädagogischen Leiterin, Sr. Maria Agnes Trafoier und den beiden Erzieherinnen Monika Spechtenhauser und Jessica Waldner ein Gespräch über das pädagogische Konzept und dessen konkrete Umsetzung geführt: „Der Vinschger“: Wie viele Schüler sind derzeit im Vinzenzheim untergebracht und woher kommen sie? Wie wichtig ist die Nachmittagsbetreuung? Sr. Agnes Trafoier: Im Schuljahr 2011/12 sind insgesamt 84 Schüler im Alter von 6 bis 18 Jahren bei uns untergebracht. Davon sind 23 interne Schüler, 57 externe Schüler und 4 Oberschüler. Alle stammen vorwiegend aus dem Vinschgau. Jessica Waldner: Die Nachmittagsbetreuung ist für Familien dann wichtig, wenn beide Elternteile berufstätig sind. Die Großfamilie fehlt und die schulischen Herausforderungen werden immer größer. Außerdem haben viele Kinder mit Lernschwächen zu kämpfen, sodass eine kontinuierliche Hilfestellung notwendig ist. Neben der Hausaufgabenbetreuung werden die Kinder bis zum Abend sinnvoll beschäftigt und sind gut aufgehoben. Nach wie vor stehen Bildung und Erziehung an vorderster Stelle, wobei auf die schu­lische Leistung besonders Wert gelegt wird. Was sind Ihre Ziele als Erzieherinnen? Monika Spechtenhauser: 15 Erzieherinnen, ein Erzieher und Sr. Agnes betreuen die Schüler in insgesamt 13 Kleingruppen. Unser Ziel ist es, den Schülern durch eine gezielte Hausaufgaben- und Lernbetreuung sowie durch unterstützende und fördernde Maßnahmen zu einem positiven Abschluss der Pflichtschule zu verhelfen. Jessica Waldner: Auch auf eine positive Entwicklung im Persönlichkeitsbereich, im Sozialverhalten und in den Wertvorstellungen versuchen wir durch die Vorgabe von klaren Linien und Verhaltensmustern einzuwirken. Ein großes Anliegen unserer Einrichtung ist der regelmäßige Kontakt mit Elternhaus und Schule, um einen Einblick in das soziale Umfeld und in die schulischen Leistungen der Schüler zu bekommen. Die Schüler bringen unterschiedliche Voraussetzungen und Fähigkeiten mit. Gelingt bei so vielen auch eine individuelle Förderung? Sr. Agnes Trafoier: Natürlich hängt es von der Menge der schriftlichen Hausaufgaben und vom Pensum der mündlichen Vorbereitung ab, ob immer genügend Zeit dafür bleibt. Wir bemühen uns jedoch, den ­Schülern individuelle Fördermaßnahmen, sprich gezielte Übungen, Auswahl an verschiedenen Lernmethoden usw. anzubieten. Nebenbei werden in das Nachmittagsprogramm nach Wunsch auch Angebote aus den musischen oder sportlichen Bereich integriert. Da die meisten Schüler auch Angebote im Wahlfachbereich annehmen, ist es manchmal nicht leicht, allem gerecht zu werden bzw. alles unter einen Hut zu bringen. Das Vinzenzheim hat die Zeichen der Zeit erkannt, u.a. unterstützt es auch den Umgang mit neuen Medien? Jessica Waldner: Das Heim bietet den Schülern insgesamt neun Computer und fünf neue Notebooks. Diese ermöglichen Recherchen im Internet für schulische ­Zwecke. Ihre Erziehungsgrundsätze orientieren sich an christlichen Werten. Dennoch erweisen Sie auch Kinder aus anderen Religionen und Kulturkreisen besonderen Respekt. Sr. Agnes Trafoier: Wir pflegen das Morgen-, Abend- und Tischgebet, religiöse ­Rituale wie die Nikolaus- und Weihnachtsfeiern, wir bereiten die Schüler auf ihre Erstkommunion und Firmung vor und besuchen gemeinsam die wöchentliche Schülermesse. Wir respektieren die Schüler, die einen anderen religiösen Hintergrund haben, denn sie passen sich sehr gut an unsere Gepflogenheiten an. Beim Essen berücksichtigen wir ebenfalls ihre Bedürfnisse. Monika Spechtenhauser: Da auch Kinder im Heim betreut werden, die nicht deutscher Muttersprache sind, wird auf eine gezielte Sprachförderung ein besonderes Augenmerk gelegt. Wie finanziert sich das Vinzenzheim? Sr. Agnes Trafoier: Wir bekommen eine finanzielle Unterstützung vom Land; auch der Orden hilft uns und die Eltern zahlen je nach Einkommen. Für alle Schüler besteht die Möglichkeit, um ein Studien­stipendium anzusuchen. Dankbar bin ich auch für die stillen Geber, die uns während des Jahres mit Geldspenden unterstützen. Wenn es ganz eng wird, klopfe ich bei den Bankinstituten um Unterstützung an. Sie planen einen Umbau im kommenden Jahr? Sr. Agnes: In den Sommermonaten möchten wir einige Räume, die in den letzten Jahren von der Gemeinde als Kindergarten genutzt wurden, umbauen und für Heimzwecke nutzen. Bieten Sie trotzdem wieder eine Sommerbetreuung an? Jessica Waldner: Wir überlegen, ob sie sinnvoll ist, da aufgrund der vielen Sommerangebote im Dorf nicht mehr eine so große Notwendigkeit besteht, sie auch in unserem Hause anzubieten. Im Vinzenzheim leben und wirken mit Ihnen nur noch vier Ordensschwestern. Wie sehen Sie die Zukunft des Schülerheims? Sr. Agnes Trafoier: Die Schwestern beteiligen sich immer noch im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der anfallenden Hausarbeit. Natürlich machen wir uns Gedanken, wie es weitergehen wird mit dem Vinzenzheim. Aber ich bin zuversichtlich, dass irgendwann Laien das Haus in unserem Sinne, im Sinne des Hl. Vinzenz von Paul und des Dr. Heinrich Vögele weiterführen. Interview Ingeborg Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.