Immobiliensteuer - Keule und Rosskur

Publiziert in 26 / 2012 - Erschienen am 4. Juli 2012
Am 18. Juni 2012 sind in Südtirol Steuer-Privilegien gefallen. Ein Sturm ist durch den Wohnungsmarkt gefegt. Die Sozialpartnerschaft steht auf dem Prüfstand. Es ist keine Frohbotschaft festzustellen, dass es anderen jetzt durch die neue Steuer schlechter geht. Nicht erst durch die IMU, aber seither verstärkt, beginnt das Volk das System Südtirol und die sogenannte Autonomie zu hinterfragen. Die „Vereinheitlichte Gemeindesteuer“ hat Folgen. Vorerst nur negative. Nach dem Abschwung des Konsums könnte eine fatale Rezessions-Spirale in Gang kommen. Betriebe könnten schließen oder samt den „klugen Köpfen“ Südtirol den Rücken kehren. Der soziale Friede ist ernsthaft in Gefahr. Sätze, wie sie auf „Südtirol online“ dem neuen Vorsitzenden im Südtiroler Wirtschaftsring, dem Hotelier Hansi Pichler kürzlich in den Mund gelegt wurden: „Die Gemeinden sollten die Spielräume nicht für die Familien sondern auch für die Entlastung der Wirtschaft nutzen, denn sie hat den mit Abstand größten Anteil an der Steuer zu schultern“ geben der schweigenden Mehrheit zu denken. Sie spüren es als erste hat sich in jener Kategorie umgesehen, die als erste das Abschwingen des Konsums bemerkt. Außerdem waren ihre Vertreter bereit, verhältnismäßig offen über die neue Steuer zu reden, die ihnen mit Erhöhungen von manchmal über 300 Prozent gegenüber der alten ICI ins Haus geflattert ist. Nach außen recht locker, fast aus ironischer Distanz legte Thomas Rinner (53), Hotel Vermoi mit Camping in Latsch, die Zahlen auf den Tisch: „2004 habe ich 6.736 Euro ICI gezahlt, 2010 waren es 10.395 Euro. Die 1. Rate IMU betrug 15.600 Euro.“ Nur in Nebensätzen deutete er die ungeheure Mehr-Belastung für den Familienbetrieb an. „Wir reden doch immer von Lebensqualität. Ich als Unternehmer verstehe darunter, am Morgen aufzustehen, mich auf meine Arbeit und auf den Umgang mit meinen Kunden zu freuen.“ ­Thomas Peer‘s Familie betreibt das denkmalgeschützte Hotel und Restaurant Post-Hirsch in Spondinig seit 1827. Über die IMU-Beträge wollte er nicht reden, merkte aber an, dass er durch den Denkmalschutz „eine Erleichterung“ erfahren habe. (Die Erleichterung beträgt 50 Prozent des Katasterwertes, Anm. der Red.) Wie er seine Mehrbelastung ausgleichen wolle. „Gespart werden muss wohl am Personal. Der private Urlaub wird kürzer ausfallen und Neuanschaffungen müssen zurückgestellt werden. Die Zahl der Abgaben und Steuern, die zu zahlen seien, und der Formulare, Erhebungen, Meldelisten, Umfragebögen, die es auszufüllen gäbe, sei unendlich. Hugo Ortler (46) hat für das 2009 fertig gestellte Hotel Tannenheim in Trafoi 3.100 Euro ICI hinblättern müssen und ist am 18. Juni mit der 1. IMU-Aufforderung von 5.170 Euro zur Bank gefahren. Er kann sich nicht vorstellen, am Personal einzusparen: „Lieber sollen sie mir einen Stern herunterreißen“, erklärte er, „als dass ich mit der Service-Qualität zurückgehe.“ Er werde wohl oder übel noch mehr selbst anpacken müssen und noch mehr bei den Fixkosten sparen. „Bei der Arbeit von 120 auf 130 Prozent gehen“, meinte er sarkastisch. Einstufung mit Verfallsdatum hat sich von der Direktorin im Katasteramt von Schlanders, Geometer Marisa Wieser, in das Kataster-ABC einführen lassen und wollte den Fragen nachgehen, warum man in den Vinschger Gemeinden unterschiedliche Berechnungsschlüssel anwende, ob das Land Südtirol anders eingestuft werde als die Provinz Trient oder als andere italienische Provinzen. Nicht alle Fragen konnten beantwortet werden. Die Sache war komplizierter und vielschichtiger als gedacht. Der Gesetzgeber hatte beim Erstellen der Kriterien eine unglaubliche Zahl an lokalen Besonderheiten einfließen lassen. Sicher ist, dass es nicht die Steuerbeamten in den Rathäusern sind, die Schuld haben an den unterschiedlichen IMU-Beträgen, wie manche erbosten Bürger meinten. Entscheidend sind die so genannten „Einschätzungstarife“, die zum letzten Mal 1991 erhoben, mehrmals bis 1994 berichtigt und ab 29. März 1994 zum Gesetz wurden. Laut Amtsdirektorin Wieser wurden dabei die bestehenden Liegenschaften nach „den möglichen Mieteinnahmen“ klassifiziert. 1991 waren Naturns und Partschins die teuersten Pflaster. Jeweils 120 Euro beträgt dort der Katasterertrag für eine Hauptwohnung der Katasterkategorie A/2 Klasse 2 – definiert als „bürgerliche Wohnung“. Eine derartige Wohnung besteht aus Haupträumen und Nebenräumen, die wieder in direkte und indirekte Nebenräume einzuteilen sind. Übersetzt heißt das: Zimmer und Küche sind Haupträume, Gang und Bad direkte Nebenräume, Dachböden und Keller indirekte Nebenräume. Am günstigsten wohnt man in Martell. Bürger im Hauptort Schlanders haben einen günstigeren Katasterertrag als zum Beispiel die Bewohner von Schluderns. Beschränkt man sich auf den Verwaltungsbezirk Vinschgau, dann sind die vier eigenen Wände in Latsch am kostspieligsten (siehe obige Tabelle). Günther Schöpf
Günther Schöpf
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