„Industrie hat harten Stand“
Publiziert in 19 / 2005 - Erschienen am 6. Oktober 2005
Über die Industrie im Vinschgau sprach „Der Vinschger“ mit Udo Perkmann, dem Direktor des Unternehmerverbandes Südtirol.
„Der Vinschger“: Hat die Industrie im Vinschgau derzeit einen harten Stand?
Udo Perkmann: Ja, weil die Globalisierung Südtirol und auch den Vinschgau erreicht: Einerseits bestehen gute Chancen, marktfähige Produkte aus dem Vinschgau europaweit, ja weltweit zu exportieren, weil draußen in der Welt die Handelsschranken fallen und sich neue Märkte auftun und damit jene Unternehmen, welche bewusst um neue Kunden auf neuen Märkten kämpfen, große Entwicklungsaussichten haben. Beispiele: HOPPE, Pedross, Ivoclar, Schweitzer Project. Andererseits birgt die Globalisierung auch die Gefahr, dass Konkurrenten und Konkurrenzprodukte aus anderen Märkten, aus nahen und aus fernen Ländern, Südtirol und damit den Vinschgau erreichen. In der Bauwirtschaft und in Bereichen des Handwerks, ja auch im Einzelhandel stellt man jetzt bis in die Meraner Gegend fest, dass selbst Firmen aus der nahen Schweiz und aus Nordtirol sich bemerkbar machen.
„Der Vinschger“: Wie viele Arbeiter beschäftigt die Industrie im Vinschgau?
Perkmann: Allein die 35 Betriebe, die von der Töll aufwärts dem Unternehmerverband angehören, beschäftigen rund 2300 Mitarbeiter. Landesweit ist die Industrie in Südtirol, was viele nicht wissen, der relativ stärkste Wirtschaftszweig. Stellt man sich die Wirtschaftsleistung Südtirols als Torte vor, so stammt die größte Tortenschnitte von der Industrie, nämlich 17 Prozent, während es der Fremdenverkehr, das Handwerk, und der Handel auf jeweils rund zehn bis zwölf Prozent bringen und die Landwirtschaft auf vier Prozent. Wichtig ist, dass die Industrie jener Wirtschaftszweig ist, welcher eine sehr breit gefächerte Palette an Berufen und Tätigkeiten anbietet, vom Angestellten über den Facharbeiter bis zur Bürokraft, vom Techniker bis zum Akademiker. Diese Vielfalt muss erhalten bleiben, wenn wir sicherstellen wollen, dass gut ausgebildete Südtiroler auch in der Heimat einen geeigneten attraktiven Arbeitsplatz finden.
„Der Vinschger“: Wie stark ist die Konkurrenz?
Perkmann: Die Konkurrenz wird stark und stärker. Es liegt an den Südtiroler und an den Vinschgauer Unternehmern, dieser Konkurrenz die Stirn zu bieten. Das erfordert Innovation, also die Bereitschaft, als Mitarbeiter des Betriebes ständig zu lernen, neue Ideen zu entwickeln und in der Form neuer Produkte und verbesserter Produktionsverfahren die Betriebe konkurrenzfähiger zu machen. Wer stehen bleibt und sich auf seinen vermeintlichen Lorbeeren ausruht, der wird bald vom Markt verschwinden, weil die Konkurrenz ja nicht schläft und sofort die Nase vorne hat. Um diesen Konkurrenzdruck zu begegnen, müssen in erster Linie die Unternehmer selbst ihre Hausaufgaben machen und die Mitarbeiter sozusagen „mitziehen". Kein Arbeitsplatz ist sicher, das beweisen die Umwälzungen in der Wirtschaft unserer Nachbarregionen. Es braucht sicherlich die Bereitschaft, mobil zu sein, also auch Arbeiten außerhalb des näheren Umfeldes durchzuführen.
„Der Vinschger“: Was braucht die Industrie um zu überleben?
Perkmann: Moderne Verkehrswege, damit wir auch unser Obst und unsere Industrieprodukte auf andere Märkte schnell und verlässlich hinbringen und damit die Zulieferung von Rohstoffen für unsere Betriebe funktioniert, wie ebenso auch für den Fremdenverkehr, von dem ja auch im Vinschgau sehr viele Menschen profitieren. Wir brauchen moderne Datenautobahnen für die Nachrichtenübermittlung und den Einstieg in die virtuelle Welt. Wir brauchen weiterhin gute Berufsschulen und beste Ausbildungschancen auf allen Schulebenen für unsere Jugend, aus denen dann gut motivierte Mitarbeiter werden. Aber auch die Landespolitik muss von Bozen aus den Unternehmern bessere Standortbedingungen verschaffen. Es geht nicht an, dass der Steuerdruck jene Firmen bestraft, die viele Arbeitsplätze bieten. Die Landesregierung muss endlich im Rahmen ihrer Zuständigkeit die IRAP-Steuer senken. Die Industrie in Südtirol und im Vinschgau leidet unter den Stromkosten, die um 30 Prozent höher liegen als in Konkurrenzländern. Es geht auch nicht an, dass für die Erweiterung von bestehenden Betrieben viele Monate und oft sogar Jahre verstreichen, bis ein Unternehmen die Betriebsvergrößerung in der Heimat durchführen kann. Da darf es nicht wundern, dass immer mehr, wenngleich gottlob nur einzelne Unternehmen eine Standortverlagerung in wirtschaftsfreundlichere Regionen ins Auge fassen.
Interview: Josef Laner
Josef Laner