Alpine Schutzgebiete stellen sich dem Klimawandel
Den Klimawandel im Rücken: Nationalpark-Direktor Wolfgang Platter, Nationalpark-Präsident Ferruccio Tomasi, Task Force-Präsident Michael Vogler und Tagungs-Koordinator Hanspeter Gunsch (von links).

Internationale Klimakonferenz in Trafoi

Publiziert in 37 / 2007 - Erschienen am 24. Oktober 2007
Trafoi – „Wo kann man schon über Klimawandel reden und gleichzeitig vom Fenster aus den Wandel auch sehen?“ Die scherzhaft hingeworfene Begründung, warum Trafoi als Tagungsort gewählt wurde, bezog der Direktor des Nationalparks Berchtesgaden und Vorsitzender der „Task Force Schutzgebiete“, Walter Vogel, auf die Reste dreier Gletscher, die vom Nationalparkhaus aus zu ­sehen sind. Natürlich hatten sich die 82 Vertreter von 18 alpinen Nationalparks und Schutz­gebieten, die Wissenschaftler und Beobachter von über 30 universitären Forschungsstellen, Verwaltungen und Diensten auch noch über andere Folgen des Klimawandels und seiner Auswirkungen auf alpine Schutzgebiete zu beschäftigen als mit dem Gletscherrückgang. Die Schwerpunkte der internationalen Konferenz im Be­sucherzentrum „naturatrafoi“ betrafen die Auswirkungen auf Ökosystem und Artenvielfalt, auf Schnee, Eis und Wasser in den Alpen, auf die Wirtschaft der Bergregionen und hatten das Ziel, Bilanz zu ziehen und Möglichkeiten der Anpassung und des Managements dieses Wandels nicht nur in Schutz­gebieten zu erarbeiten. von Günther Schöpf Die „schnelle Eingreiftruppe“ der Schutzgebiete Die Tagung in Trafoi war eine Initiative des seit 1995 bestehenden „Netzwerkes Alpiner Schutzgebiete“ (ALPARC). Organisiert wurde sie von der Koordinierungsstelle „Task Force Schutzgebiete des Ständigen Sekretariats der Alpenkonvention“ mit Sitz in Chambery (Frankreich). Für die praktische Umsetzung und das Programm der Tagung waren Direktor Guido Plassmann (im Bild) und sein Präsident Michael Vogel verantwortlich. Gastgeber der hochkarätigen Veranstaltung war das Außenamt des Nationalparks Stilfserjoch in Glurns mit Präsident Josef Hofer, ­Direktor Wolfgang Platter und dem für Öffentlichkeitsarbeit und Forschung zuständigen Mitarbeiter Hanspeter Gunsch. In ihren Händen lagen Unterkunft, Verpflegung während und nach der Veranstaltung, der Transport, die Betreuung vor Ort und die Gestaltung des Rahmenprogramms. Schutzgebiete als Abpuffer des Klimawandels Es war ein Hinweis, dass der Klimawandel schon lange nicht mehr auf das Energie- und Umweltreferat beschränkt werden kann, wenn der Landesrat für Gesundheit, Richard Theiner, die Tagung eröffnete. Es folgten die Grußworte von Ferruccio Tomasi, dem Präsidenten des Nationalparks Stilfserjoch, der Überblick von Luca Cetara, Europäische Akademie, über die Koordinierungsarbeit des Umweltministeriums und eine Wortmeldung von Francesco Verbara, der aus dem Ministerium für öffentliche Funktionen in Rom nach Trafoi gekommen war. Endgültig zur Sache ging man dann mit dem ein­führenden Überblick von Michael Vogel, der im Kern von „Ökosystemen als Dienstleister“ und von Schutzgebieten als „Abpuffer des Klimawandels“ sprach. In dichter Folge folgten darauf Erfahrungsberichte aus den Nationalparks von Ecrins in Frankreich, Berchtesgaden in Deutschland, der Hohen Tauern in Österreich, der Bellunesischen Dolomiten in Italien; es wurden Ergebnisse von Projektarbeiten universitärer Einrichtungen in Lousanne, Zürich und Wien vorgestellt und in Kurzvorträgen von Arbeiten französischer und schweizerischer Forschungsstellen berichtet. Modell Klammbachmure und Tschenglser Bach Auf Südtirol bezogen war das Referat von Professor Bodo Damm (im Bild) der Universität Eichstätt-Ingolstadt über den „Alpinen Permafrost im Wandel – Status quo und Szenarien am Beispiel des Naturparks Rieserferner-Ahrn in Südtirol“; dabei wurde der Abgang der Klammbachmure als Fallbeispiel untersucht. Den Kreis noch enger gezogen hat der Prader Walter Gostner (im Bild) vom Ingenieurbüro Patscheider & Partner in Mals, der mit dem Referat über „Management der durch Murgänge bedingten ­hydraulischen Risiken im Kontext des Klimawandels. Fallstudie des Gebirgsbaches Tschengls“ in die Vinschger Realität einführte. Die Untersuchung war vom Amt für Wasserschutzbauten in Auftrag gegeben worden. Der Beitrag war Teil einer Feldforschung im Rahmen des Projektes ­„ClimChAlp“ (Climate ­Change in the Alps) innerhalb des Interreg IIIB Programms „Alpenraum“. Die wichtigsten Signale, die die internationale Tagung in Trafoi aussendet oder aussenden will, sind einmal der Vorschlag, eine alpine Arbeitsgruppe einzurichten, die sich mit dem Klimawandel, dessen Folgen und mit Anpassungsmaßnahmen beschäftigt, dann die zusätzliche Vernetzung bis zur Einrichtung Grenzen übergreifender Schutzgebiete und als besonders Maßnahme die „Schaffung ökologischer Verbundsysteme“ durch besondere Korridore im gesamten Alpenbogen. Die Klimawandel aus der Nähe betrachtet 40 Tagungsteilnehmer hatten sich für die Exkursion zum Madatschferner gemeldet und damit eine praktische und zum Teil auch ermutigende Ab­rundung der anstrengenden und anspruchsvollen Tagung in Trafoi erlebt. Volkmar Mair vom Amt für Geologie und ­Materialkunde führte die Gruppe bei Neuschnee und Sonnenschein vom Stilfserjoch an der Signalkuppe vorbei, unter der Ortlerhütte hindurch zu den Moränen des Madatsch­ferners und von dort über die in­zwischen verwachsenen Hänge zum Hotel Franzenshöhe zurück. Die Teilnehmer wanderten über eine Permafrostzone (Dauerfrostzone) und genossen in vollen Zügen ein kontrastreiches Panorama: einen schon verschneiten „König Ortler“, vor sich, die schmutzig grauen Ausläufer des Madatsch-, Trafoier- und Nashornferners neben sich und die gelbe Pracht des herbstlichen Lärchenwaldes zu Füßen. Der in Prad aufgewachsene Mair, ein versierter Kenner der Gegend, führte in die Geologie der Gegend ein und erklärte am Rand von Geländetrichtern und Absenkungen aus der jüngsten Vergangenheit, dass die Berge immer in Bewegung waren und dass klimatische Veränderungen immer schon stattgefunden haben. Netzwerk Alpiner Schutzgebiete Über 500 Großschutzgebiete (über 100 Hektar) bilden ein großartiges Netzwerk an natürlichen Lebensräumen und Kulturlandschaften in den Alpen. Dieses Netzwerk setzt sich zusammen aus: 14 großräumigen Naturschutzgebieten oder Gebieten (Nationalparke), die wenig durch menschliche Einwirkungen verändert wurden und unter strengem Schutz stehen (bestimmte traditionelle Aktivitäten können jedoch gestattet sein); aus 70 regionalen Großgebieten mit traditioneller Berglandwirtschaft oder Forstwirtschaft und bedeutenden Besucherströmen (diese Parks verfolgen oftmals neben dem Naturschutz das Ziel der Re­gionalentwicklung); aus 430 Naturschutzgebieten mit Flächen von wenigen Hektar bis hin zu mehreren Tausend Hektar (sie stehen gewöhnlich unter strengem Schutz, der mit dem der Nationalparke vergleichbar ist, häufig wird damit das Ziel verfolgt, seltene Habitate, außergewöhnliche Pflanzen und Tiere, oder bedrohte Feuchtgebiete zu schützen); aus neun Biosphärenreservaten nach der Definition der UNESCO (die Biosphärenreservate werden in eine Kernzone, oft ein bereits existierendes Schutzgebiet, eine Pflegezone und eine Entwicklungszone eingeteilt). Dazu kommen Schutzräume, die in der Liste des UNESCO-Welterbes eingetragen sind. Der natürliche Wert dieser Stätten ist für die Menschheit außergewöhnlich. Die UNESCO fordert von diesen Stätten, ihren Wert für zukünftige Generationen durch Verwaltungspläne, die auf der Basis von weit verbreiteten Umfragen erstellt worden sind, zu erhalten. Seit 2001 ist das Jungfrau-Aletsch-Gebiet in der Schweiz UNESCO-Weltnaturerbe. Schutzformen wie Ruhegebiete, Biotope, Landschaftsschutzgebiete sind ebenfalls in das Alpine Netzwerk eingebunden. In Italien bestehen sechs Nationalparke, 35 Regionalparke, 54 verschiedene Naturschutzgebiete und eine Flussmündung mit besonderem Schutzstatus.
Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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