„Kick-off“ für das Klima
Klimaschutzpläne werden erstellt – und sollen nicht für die Schublade sein.
Vinschgau - „Wir wollen mit allen unseren Gemeinden durchstarten“, betonte der Präsident der Bezirksgemeinschaft Vinschgau Dieter Pinggera am Donnerstag, 25. Jänner. Im Sitz der Bezirksgemeinschaft in Schlanders fiel das „Kick-off“, zu Deutsch der Startschuss, für die Erstellung von Klimaschutzplänen in den 13 Gemeinden. Der Schlanderser Bürgermeister konnte dabei auch so gut wie sämtliche seiner Amtskolleginnen und -kollegen begrüßen. Auch wenn etwas Skepsis herrschte und so mancher über die Erstellung weiterer Pläne stöhnte, war man sich der Wichtigkeit des Themas bewusst.
Mit der KlimaGemeinde Light, sprich dem Energiebuchhaltungssystem und der Erhebung der Energieverbräuche kommunaler Gebäude und Anlagen, sei bereits wichtige Vorarbeit geleistet worden. Beim Klimaplan werden nun alle Daten erfasst. Das heißt: Konkret gehe es nun darum, alle Energieverbräuche und Kohlenstoffdioxid-Emissionen auf dem jeweiligen Gemeindegebiet zu erheben. Im Gegensatz zur KlimaGemeinde Light seien nun auch die Daten von Privaten, sprich private Haushalte, Tourismus, Handwerk und alle weiteren zu erheben. Damit werden beim Klimaschutzplan CO2-Emissionen für den Strom- und Wärmeverbrauch für das gesamte Gemeindegebiet erhoben, Risikoanalysen gemacht, Maßnahmen zur Erhöhung des Prozentsatzes der erneuerbaren Energien erarbeitet, sowie Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel gesetzt. Als Partner wurden hierfür das Ökoinstitut Südtirol sowie das Unternehmen Inewa ins Boot geholt. Letzteres war bereits erfolgreich an der Entwicklung der Klimaschutzpläne in der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt beteiligt. Ende November wurde dort im Ausschuss der eigene Klimaplan beschlossen, die 25 Gemeinden besitzen ebenfalls bereits einen genehmigten Klimaplan. Das Burggrafenamt ist somit der erste Bezirk Südtirols, der ein gemeindeübergreifendes Klimaprojekt abgeschlossen und die Basis für einen konkreten Klimaschutz gelegt hat.
Ein „weiter so“ darf es nicht geben
Dass man generell etwas tun müsse „und nicht so weitermachen kann“, wie Klaus Egger, der Sonderbeauftragte für Nachhaltigkeit des Landes betonte, waren sich alle bewusst. Egger stellte den Klimaplan Südtirol vor. Durch den Klimaplan und die dazugehörigen Beschlüsse des Landes sind die Gemeinden verpflichtet worden, innerhalb 2025 einen Klimaschutzplan zu erarbeiten. Im Klimaplan 2024 wurden verschiedene Dringlichkeiten zum Ausdruck gebracht, allen voran die Klimaneutralität innerhalb 2040. Das Land Südtirol gleicht sich damit an die europäischen und internationalen Vorgaben an (Europäischer Green Deal und Pariser Abkommen).
In Sachen Klima und Nachhaltigkeit „gehe ein Ruck durch das Land“, betonte Egger. Es tue sich so einiges. Mit dem Austausch zwischen den Gemeinden und der Kick-off-Veranstaltung sei nun auch im Vinschgau ein erster großer Schritt gemacht, lobte Egger. Er erklärte die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes mit ihren sieben Handlungsfeldern: Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemission, Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaft im Kreislaufdenken, soziale Absicherung und Chancengerechtigkeit, Erhaltung des Naturraumes und der Artenvielfalt, Veränderung von Konsumverhalten und Bewusstsein, Transparenz und Gerechtigkeit sowie hochwertige öffentliche Dienste. Der Klimaschutzplan sei auch als „riesige Chance für die Bezirksgemeinschaften“ zu betrachten.
„Ziel erreicht, wenn es uns nicht mehr braucht“
Sonja Abrate, Geschäftsführerin und Projektmanagerin des Ökoinstituts stellte das 1989 gegründete Institut vor. Seit 2018 ist dieses eine Genossenschaft und Mitglied beim Südtiroler Raiffeisenverband. „Im Bereich Energie und Klimaschutz betreuen wir seit Jahren verschiedene Gemeinden für das Programm KlimaGemeinde und haben mehrere Klimaschutzpläne erstellt“, erklärt sie. Aktuell arbeite man besonders intensiv in den Bezirken Pustertal, Überetsch-Unterland und eben dem Vinschgau an den übergemeindlichen Klimaschutzplänen, in Zusammenarbeit mit Inewa. „Wahrscheinlich haben wir unser Ziel erreicht, wenn es uns nicht mehr braucht, aber so weit sind wir noch lange nicht“.
Abrate und Inewa-Mitarbeiterin Alena von Longo erklärten die weitere Vorgehensweise. So sollen Klimaschutzpläne für die 13 Gemeinden des Bezirks, einschließlich der vorbereitenden Entwicklung übergemeindlicher Klimaschutz- und Energieeffizienzmaßnahmen sowie weiterer Maßnahmen für den Ausbau der erneuerbaren Energie erstellt werden. Zudem gelte es einen Bezirksklimaschutzplan mit übergemeindlichen Klimaschutzmaßnahmen zu erstellen.
Ohne Bürgerinnen und Bürger geht nichts
Man müsse dabei die Ist-Situation analysieren. „Durch partizipative Prozesse sollen die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde bestmöglich eingebunden, sensibilisiert und auf dem Weg zu Klimaneutralität begleitet werden. Es werden gemeinsam Schwachstellen aufgezeigt und Lösungsvorschläge erarbeitet, mit denen sich die Menschen identifizieren und Verantwortung für sich und ihr näheres Umfeld übernehmen können“, erklärte Abrate. Die partizipativen Prozesse seien sehr wichtig, betonte sie. „Ohne die Bürgerinnen und Bürger ist es nicht möglich, wir wollen alle mitnehmen“. Der Vinschgau sei ohnehin ein gutes Beispiel, hier gebe es bereits Ideen und auch Genossenschaften, welche in diese Richtung arbeiten.
Umsetzung bestmöglich planen
„Strukturiere Maßnahmenkataloge und Handlungsempfehlungen sollen den Gemeinden mit ihren Klima- und Energieteams sowie dem Bezirk als Werkzeug dienen, die Umsetzung der Maßnahmen bestmöglich zu planen und die definierten Reduktionsziele, sowie den Ausbau der erneuerbaren Energie in den vorgegebenen Fristen zu erreichen“, erklärte Abrate. Gemeinden sollen mit dem Klimaschutzplan schlussendlich auch die Verantwortung für eine zukunftsorientierte Planung und einen besonnenen Umgang mit den Ressourcen übernehmen, „um auch in den nächsten Jahrzehnten ein lebenswerter und attraktiver Wohnraum für die Bürgerinnen und Bürger zu sein, in dem sie sich entfalten können.“
Aufbau und Inhalt des Klimaschutzplans
Einerseits gehe es um Klimaschutz, andererseits um die Klimawandelanpassung. In Sachen Klimaschutz setze man auf die Maximierung der Energieeffizienz und die Erschließung des vorhandenen Energiesparpotentials in den gemeindeeigenen Gebäuden, die Senkung der CO2-Emissionen im gesamten Gemeindegebiet, sowie die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen. Es gehe aber auch um Klimawandelanpassung. „Der Klimawandel findet nämlich schon statt und es gibt bereits Veränderungen. Auf diese gilt es zu reagieren“, so Abrate. Dabei gelte es den Klimawandel durch relevante Kennzahlen, wie Temperaturen, Niederschlagsmenge und dergleichen, zu beurteilen, allgemeine Klimarisiken und Schwachstellen durch Risikoanalysen zu erkennen und zu bewerten sowie die erwarteten Folgen zu analysieren.
So geht es weiter
Im Laufe der nächsten Wochen sollen die Klima- und Energieteams in den Gemeinden ernannt werden. Hierbei soll es sich um mindestens 5 Personen handeln, es können aber auch 10 bis 15 sein. Zwei bis drei Treffen jährlich stehen auf dem Programm. „Es ist wichtig, darin politische Vertreter zu haben, aber auch weitere Expertinnen und Experten der verschiedenen relevanten Bereiche in einer Gemeinde, wie Tourismus, Landwirtschaft und dergleichen“, erklärte Abrate.
Partizipativer Prozess in den Startlöchern
Demnächst solle auch der partizipative Prozess, sprich die Bürgerbeteiligung mittels Umfragen, Informationstagungen und Veranstaltungen beginnen. Auch mit der Datenerhebung soll bereits begonnen werden. Zwischen September und Dezember dieses Jahres sollen ein Leitbild sowie Ziele und Maßnahmen definiert werden. Zwischen April und Juni des nächsten Jahres solle der Maßnahmenkatalog zur Senkung des Energieverbrauchs und die die Reduktion der CO2-Emissionen sowie der Gemeindeklimaschutzplan für jede Gemeinde erstellt werden. Bis Juni 2025, idealerweise noch bis vor den Gemeinderatswahlen, die im Mai 2025 stattfinden sollen, solle der Bezirksklimaschutzplan verfasst werden und anschließend in den entsprechenden Gremien der Gemeinden und des Bezirks genehmigt werden. Auch öffentliche Präsentationen finden dann statt.
Vorfreude und Skepsis
„Ich denke, es wird eine gute Zusammenarbeit werden“, freute sich auch Ghali Egger. Sie ist in der Bezirksgemeinschaft für das Projekt mitverantwortlich und fungiert als Ansprechpartnerin und Schnittstelle für die Gemeinden.
Einige Bürgermeister brachten Befürchtungen zum Ausdruck, „dass alles ein bisschen viel werden kann“, wie etwa der Latscher Bürgermeister Mauro Dalla Barba betonte. Es seien bereits viele partizipative Prozesse am Laufen. Dies könne für die öffentliche Verwaltung schwierig werden, aber auch was die „Mitmach-Lust“ der Bürgerinnen und Bürger betreffe. Sonja Abrate konnte einige Sorgen nehmen, so könne man viele bereits begonnene Prozesse nutzen und so einiges verbinden, wie eben im Zusammenspiel mit den Gemeindeentwicklungsprogrammen. Auch den Bedenken, dass einmal mehr Pläne für die Schublade erstellt werden, entgegnete sie. Es handle sich um Vorhaben, die schlussendlich auch angegangen werden sollen.