Kein Miteinander
In Glurns kommt es zu Neuwahlen
Die erste Sitzung des neuen Gemeinderates von Glurns war zugleich die letzte.
Gespannt verfolgten viele Glurnserinnen und Glurnser die Sitzung mit.

„Klebe nicht am Sessel“

Keine Basis für Zusammenarbeit. Neuer Urnengang. Ruf nach Einheitsliste.

Publiziert in 35 / 2020 - Erschienen am 13. Oktober 2020

Glurns - Was sich schon unmittelbar nach den Wahlen abgezeichnet hat, ist jetzt eingetreten: die Bürgerinnen und Bürger der 900-Seelen-Stadt Glurns müssen in einigen Monaten erneut wählen. Der Grund dafür ist, dass eine Zusammenarbeit zwischen der SVP und der Liste „Für Glurns“, die mit jeweils 6 Ratsmitgliedern im Gemeinderat vertreten sind, schlichtweg unmöglich ist. Klar gezeigt hat sich das bei der ersten und zugleich letzten Sitzung des neuen Gemeinderates am 9. Oktober. Obwohl Ignaz Niederholzer, der die Sitzung bis zur Eidesleistung des Bürgermeisters Alois Frank als ältestes Ratsmitglied leitete, und auch der Bürgermeister selbst einleitend unterstrichen, dass eine Zusammenarbeit im Sinne der Umsetzung des Wählerwillens möglich sein müsste und sollte, kristallisierte sich im Laufe der Diskussion heraus, dass die Mehrheit der Räte in einem neuerlichen Urnengang die einzige Möglichkeit sieht, aus der Patt-Situation herauszukommen. Alois Frank, der sich bei der Bürgermeisterwahl mit 52,4% der Stimmen gegen Erich Wallnöfer („Für Glurns“) durchgesetzt hatte, erinnerte daran, dass bei zwei Gesprächen im Vorfeld keine konkreten Ergebnisse erzielt worden sind. Frank hatte vorgeschlagen, dass im Stadtrat je 2 Vertreter der SVP und der Liste „Für Glurns“ vertreten sei sollten. Im Gegensatz zur SVP seien seitens der Liste „Für Glurns“ keine konkreten Vorschläge gemacht oder Namen genannt worden. Der Bürgermeister forderte bei der Sitzung alle Ratsmitglieder zu einer Stellungnahme auf. Die 6 „Für Glurns“-Vertreter (Erich Wallnöfer, Beat Wunderer, Heinz Riedl, Hans Bayer, Rosa Pichler Prieth und Kurt Warger) sprachen sich mehr oder weniger offen für Neuwahlen aus. Kurt Warger gab sinngemäß zu bedenken, dass mit je 2 Vertretern der Liste „Für Glurns“ und der SVP kein richtiger Ausgleich im Stadtrat gegeben wäre, zumal die Stimme des Bürgermeisters oft mehr Gewicht habe bzw. bei Beschlüssen ausschlaggebend wäre. Rosa Pichler Prieth und Erich Wallnöfer sprachen offen von einem Misstrauen gegenüber dem Bürgermeister. Armin Windegger von der SVP sagte, dass er zunächst geschockt war, nun aber zur Ansicht gekommen sei, „dass die Patt-Situation eine Chance sein könnte, das Konkurrenzdenken aufzugeben.“ Laut Armin Bertagnolli (SVP) habe sich gezeigt, „dass wir den Wählerwillen nicht umsetzen können.“ Er sehe in Neuwahlen das kleinere Übel. Auch Christine Stecher (SVP) meinte, dass eine Zusammenarbeit unter diese Vorzeichen sehr schwer werden würde, „obwohl wir eigentlich zusammenarbeiten sollten.“ Mehrere Vertreter von „Für Glurns“ und zum Teil auch von der SVP plädierten im Falle eines neuen Urnengangs für die Schaffung einer Einheitsliste. Das Argument des Bürgermeisters, wonach Neuwahlen zu einem längeren Stillstand führen und in der Stadt nichts mehr weitergehen würde, ließ Erich Wallnöfer nicht gelten. Eine mehrmonatige Pause sei nicht weiter schlimm, „denn es gibt keine dringenden Projekte.“ Ignaz Niederholzer hingegen gab sich überzeugt, dass man mit einem neuen Urnengang dem Wählerwillen nicht gerecht werde. Den Vertretern von „Für Glurns“ warf er unverhohlen vor, „die Bürgerinnen und Bürger benutzt zu haben, um Alois Frank wegzubringen.“ Der Bürgermeister selbst gab sich am Ende der Sitzung ziemlich resigniert: „Wenn tatsächlich ich das Übel bin, habe ich kein Problem, mein Amt als Bürgermeister aufzugeben. Ich klebe nicht an diesem Sessel, sondern habe immer versucht, ausschließlich für Glurns zu arbeiten.“ Aufs Schärfste und in aller Entschiedenheit zurückgewiesen hat er die Kritik von Rosa Pichler Prieth, die ihm ein diktatorisches Verhalten vorgeworfen hatte. Auch an nicht gerade stubenreine Aktionen und an die Verbreitung von Unwahrheiten während des Wahlkampfs erinnerte Alois Frank. Er habe sich ganz bewusst nie auf ein bestimmtes Niveau herabgelassen: „Gemeindepolitik und Verwaltung sind kein Theaterspiel.“ Fest steht seit dem 9. Oktober, dass die Landesregierung die Stadt in absehbarer Zeit unter eine kommissarische Verwaltung stellen wird. Bis dahin bleibt Alois Frank Bürgermeister. Wie „gut“ die zwei Gruppen und ihre jeweiligen Anhänger einander gesinnt sind, zeigte ein Beispiel nach der Sitzung. „Kommst du noch schnell mit ins Gasthaus?“, fragte ein Glurnser seinen Landsmann. Dieser antwortete: „Gerne, aber bitte nicht dorthin, wo die ‚anderen’ sind.“ Ob Alois Frank bereit ist, bei den Neuwahlen erneut als BM-Kandidat anzutreten, ließ er am Tag nach der Sitzung offen: „Ich muss zunächst das, was gestern passiert ist, verdauen.“

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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