„Nicht nur in Geldscheinen denken“
Der Erhalt der kleinen Krankenhäuser im ländlichen Raum muss laut Richard Theiner ein Anliegen der gesamten Gesellschaft sein, nicht nur der Politik.

Kleine Spitäler sind keine Selbstverständlichkeit

Publiziert in 27 / 2012 - Erschienen am 11. Juli 2012
„Wer nur in Geldscheinen denkt, für den reicht ein einziges Krankenhaus in Südtirol aus,“ ärgert sich Gesundheitslandesrat Richard Theiner. Es gehe aber um sehr viel mehr als nur um Geld, auch beim Krankenhaus in Schlanders. : Die Aufregung war groß, als es in der vergangenen ­Woche hieß, dass die Regierung in Rom im Zuge des Spardekrets „Spending review“ auch mehrere Krankenhäuser in Südtirol schließen will, darunter auch jenes von Schlanders. Ist dies Gefahr nun endgültig vom Tisch? Richard Theiner: Von „endgültig“ möchte ich angesichts der derzeitigen Politik, wie sie in Rom betrieben wird, nicht sprechen, also sagen wir lieber, dass die Bezirkskrankenhäuser vorerst gerettet sind. Mit dieser Nachricht macht heute (6. Juli 2012, Anm. d. R.) übrigens auch die Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ auf. Weiß man in Rom nicht, dass Südtirol für die Organisation des Gesundheitswesens primäre Zuständigkeit hat? Im ursprünglichen Text stand explizit geschrieben, dass auch die Provinz Bozen innerhalb 31. Oktober 2012 Krankenhäuser mit weniger als 120 Betten zu schließen hat. Und sollte Südtirol dieser Vorgabe nicht Folge leisten, würde der Staat die Schließung vornehmen. Ist unsere „hoch gelobte“ Autonomie nur so viel wert? Wäre es tatsächlich bei der ersten Textfassung geblieben, wäre dies ein unerhörter Affront gegen unsere Autonomie gewesen und ich hätte, auch als Obmann der Südtiroler Volkspartei, alles unternommen, um dagegen zu kämpfen. Außerdem bekommen wir für das Gesundheitswesen keinen Cent aus dem Gesundheitsfonds des Staates. Der Grundsatz, dass der Staat auch im Gesundheitswesen sparen muss, scheint aber doch richtig zu sein. Auch hier in Südtirol gibt es Parteien und Verbände, die eine Schließung kleinerer Krankenhäuser fordern. Der PD etwa, ihr Koalitionspartner in der Landesregierung, oder der Unternehmerverband mit Präsident Stefan Pan. Das ist genau die Einstellung jener, die nur in Geldscheinen denken, einer zentralistischen Logik nachhängen und keinen Schimmer davon haben, was in der Peripherie abläuft. Aber wie ist es möglich zu sparen, wenn alle peripheren Strukturen bleiben? Wir fahren im Gesundheitswesen schon seit Jahren einen rigorosen Sparkurs. Angefangen wurde mit der Zusammenlegung der vier Sanitätsbetriebe. Dies ist uns trotz enormer Widerstände starker Lobbys und Verbände gelungen. Es folgten die klinische Reform und der weitere Ausbau der Vernetzung von Diensten. Ohne diese Reformen wären die kleinen Krankenhäuser bereits jetzt Geschichte. Wir im Gesundheitswesen haben unsere Hausaufgaben sehr wohl gemacht, während andere, zum Beispiel der Unternehmerverband, stets mit neuen Geldforderungen aufwartet. Wieviel Steuergeld fließt in Südtirol jährlich in das Gesundheitswesen? Über 1,2 Milliarden Euro. Allerdings haben wir heuer keinen Cent mehr zur Verfügung als 2011, obwohl die Nachfrage nach medizinischen und pflegerischen Leistungen stark anwächst. Das ist einmalig, nicht nur in ­Italien, sondern auch in Österreich und der Schweiz. Dass wir alle 7 öffentlichen Krankenhäuser erhalten können, ist keine Selbstverständlichkeit. Den Politikern muss das ebenso bewusst sein wie der gesamten Gesellschaft. Wie wird konkret eingespart? In erster Linie durch die Vernetzung von Diensten. Wir machen schon seit Jahren nicht mehr in jedem Krankenhaus alles, sondern setzen Schwerpunkte. Weiters haben wir die Zahl der Akutbetten in den 7 Krankenhäusern von 2006 bis 2011 von 1.826 auf 1.714 abgebaut. Weitere rund 250 Akutbetten wollen wir in den nächsten Jahren streichen. Auch Post-Akutbetten bauen wir ab. Wie sieht es in Schlanders aus? Dort wurde die Zahl der Akutbetten von 107 auf 98 reduziert. Zu den Stärken in Schlanders gehören die Prothetik - dadurch wurden die Wartezeiten in Meran radikal verringert -, die Gefäßchirurgie und einfache HNO-Eingriffe. Ausgelastet ist das Krankenhaus gut. 2010 etwa hatten wir 3.634 Krankenhausaufenthalte bei 25.219 Aufenthaltstagen. Die Tagesklinikaufenthalte kommen noch dazu. Ein häufiger Vorwurf lautet: „Das ist ein aufgeblähter und viel zu teurer Apparat.“ Die Gesamtausgaben in Schlanders belaufen sind auf über 31 Millionen Euro im Jahr. In Schlanders sind derzeit 438 Köpfe beschäftigt, was 323 Vollzeitstellen entspricht. Dieser Personalstand ist notwendig, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Außerdem ist auch der rein wirtschaftliche Aspekt nicht zu vergessen: Das Krankenhaus ist einer der größten Arbeitgeber im Tal und bindet viele hochwertige Arbeitsplätze. Auch die Lebensqualität spielt eine Rolle. Ein Langtauferer z.B. braucht ca. 1 Stunden, um nach Schlanders zu kommen. Wie soll man ihm erklären, dass er in Zukunft nach Meran oder gar Bozen zu fahren hat? Viel Geld kostet auch der Umbau des Bettentraktes. 16,7 Millionen Euro. Dieser Umbau, ausgelegt auf 90 Betten, ist notwendig und die Finanzierung ist gesichert. Die Arbeiten, die beginnend mit dem Osttrakt in vertikalen Baulosen ausgeführt werden, umfassen eine begrenzte Erweiterung der Nord- und Südfassaden, eine neue Anordnung der Treppenhäuser und Aufzüge sowie eine komplette Sanierung des Bettentraktes. Wir möchten heuer im Oktober mit den Arbeiten beginnen. Im Herbst 2015 sollen sie fertiggestellt sein. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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