Konkrete Ideen für grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Publiziert in 35 / 2016 - Erschienen am 5. Oktober 2016
der Vinschger: Frau Fasser, Sie stehen dem Gesundheitszentrum als Direktorin vor. Die Bemühungen einer engeren Zusammenarbeit mit der Gemeinde Taufers i.M. und weiteren Gebieten im Vinschgau sind nicht neu. Wie könnte eine solche Zusammenarbeit konkret ausschauen?
Judith Fasser: Bevor die be-
stehende Zusammenarbeit erweitert werden kann, heißt es die Struktur und die Synergien beider Seiten noch besser kennen zu lernen und die Bedürfnisse des Vinschgaus zu kennen. Von unserer Seite gibt es Möglichkeiten in der hausärztlichen, sprich ambulanten Versorgung, wo wir sehr rasch Termine vergeben und ebenso schnell auch Laborresul-
tate und Untersuchungsergebnisse liefern können. Im Bereich der Langzeitpflege könnte eine Möglichkeit geschaffen werden, dass Personen, die auf einen Heimplatz im Vinschgau warten, bei entsprechender Vereinbarung eine Zeitlang hier betreut werden könnten. Dies würde für uns eine stärkere Auslastung bedeuten, könnte aber auch zum Image des Angebotes im Vinschgau für rasche unkonven-
tionelle Lösungen beitragen, ohne dass gerade Neuinvestitionen für mehr Pflege- oder Entlastungsbetten getätigt werden müssten.
Ist der Weiterbestand des Gesundheitszentrums aus finanzieller Sicht gesichert? Wie hoch sind in etwa die jährlichen Ausgaben und wer bestreitet sie?
Die Finanzierung im Schweizerischen Gesundheitswesen hat viele Standbeine und ist klar ge-
regelt. Unser Jahresaufwand beträgt rund 7,5 Mio. CH Franken. Die Einnahmen werden durch Beiträge von Versicherungen, Kanton und Gemeinde sichergestellt. Im Heimbereich müssen die Bewohner einen größeren Anteil selber bezahlen, wenn nötig, erhalten sie Ergänzungsleistungen. Neben diesen Einnahmen ist eine strikte enge Betriebsführung notwendig.
Was geschieht mit Patienten im Val Müstair, die sich zum Beispiel einer Herzoperation unterziehen müssen? Und Risikoschwangerschaften wird es vermutlich auch geben.
Das Gesundheitszentrum bietet keine stationäre Chirurgie an und so werden alle Patienten für Operationen an unsere Nachbarspitäler überwiesen. Herzpatienten werden im Kanton Graubünden im Zentrumsspital in Chur operiert, wo genügend Spezialisten und eine erhöhte sichere Infrastruktur und Sicherheit vorhanden ist. Schwangere Frauen werden in der Arztpraxis untersucht und im Falle von
Risikoschwangerschaften werden Spezialisten rechtzeitig zugezogen. Die meisten Geburten finden in Scuol oder Samedan statt.
Es gibt auch Vinschgerinnen und Vinschger, die im Gesundheitszentrum Blut spenden. Ist das notwendig?
Wir sind sehr glücklich da-
rüber, dass dies länderübergreifend möglich ist. Das Blutspendezentrum Chur ist auf eine genügend große Zahl von Spendern und Spenderinnen angewiesen. Um die Blutdepots sicherzustellen, fahren sie dreimal jährlich hierher und wir hören, dass der Aufwand lohnenswert ist, da wir sehr viele Spender aufbieten können und eben nicht zuletzt dank dem Vinschgau. Danke vielmals.
Im Eingangsbereich des Gesundheitszentrums können Patienten und Klienten die Dienste anonym bewerten, Anregungen unterbreiten und Kritik üben. Können Sie die Ergebnisse dieser Rückmeldungen kurz zusammenfassen? Womit sind die Patienten am meisten zufrieden bzw. wo gibt es Nachholbedarf?
Die Rückmeldungen können unterzeichnet und anonym abgegeben werden. Am Liebsten meldet man sich zurück, wenn alles reibungslos verlaufen ist, sowohl im Rettungsdienst, im ambulanten und im stationären Bereich. So liegt auch der Anteil an Dank und Lob bei 89 Prozent. Wachsen und uns entwickeln können wir durch Anregung und auch Kritik, bestenfalls können wir die Person kontaktieren und mehr dazu erfahren. Besonders gelobt wird die ärztliche Kompetenz, die Freundlichkeit des Personals, die dem Patienten gewidmete Zeit und das gute Zusammenspiel zwischen den Professionen Pflege und Arzt. Lob gibt es auch oft für die Küche und die Sauberkeit. Zu Kritik führen manchmal lange Wartezeiten in der Praxis. In diesem Bereich mussten wir mehr Freiräume für Notfälle einplanen und versuchen nun, mit einer
raschen und laufenden Information der Wartenden die Situation zu verbessern. Auf jeden Fall nehmen wir alle Rückmeldungen gerne entgegen und besprechen jede Einzelne in der Geschäftsleitung.
Interview: Sepp Laner
Josef Laner