Kurzeitpflege wieder angelaufen
Bürgerheim ringt um Personal. Nach wie vor schwere Zeiten für die Heimbewohner, die Angehörigen und das Mitarbeiterteam.
Schlanders - Der Krieg in der Ukraine hat der Pandemie zwar in den Medien den Rang abgelaufen, aber das Corona-Virus ist nach wie vor präsent. Besonders strenge Regeln und Einschränkungen wurden Anfang März vor zwei Jahren den Senioren- und Pflegeheimen auferlegt. Nicht aus Willkür, sondern um die Schwächsten der Gesellschaft zu schützen, wie die Politik und die Entscheidungsträger der Sanität berechtigterweise argumentierten. In allen Südtiroler Wohn- und Pflegeheimen wurde dem Alltag am 5. März 2020 ein abruptes Ende gesetzt. Der bis dahin gewohnte und gelebte Alltag wurde von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt. Während der ersten Monate und auch später - speziell beim Auftritt von positiven Covid-Fällen oder beim Verdacht von Ansteckungen - durfte sich das Pflege- und Betreuungspersonal nur in voller Schutzkleidung den Bewohnerinnen und Bewohnern in den Heimen nähern.
Noch immer viele Einschränkungen
Viele Einschränkungen, Regeln und Vorschriften sind noch immer in Kraft. Bestimmte Lockerungen, Verbesserungen und zaghafte Versuche, zur Normalität zurückzukehren, hat es mittlerweile überall gegeben, auch im Bürgerheim in Schlanders, wo zum Beispiel seit Jahresbeginn wieder die Kurzeitpflege angeboten wird. „Insgesamt gesehen sind wir aber vom Alltag voller Leben, wie wir ihn vor Corona kannten, leider noch immer ziemlich weit entfernt“, räumten kürzlich die Präsidentin und der Direktor des Bürgerheims, Monika Wellenzohn und Christof Tumler, in einem Gespräch überein. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind nach wie vor weitgehend eingesperrt. Besuche, für die man sich anmelden muss, sind nur in zwei geschützten Räumen möglich, wobei man zwar - getrennt durch Plastikscheiben - miteinander reden kann, jeder körperliche Kontakt aber untersagt bleibt. Dass keine Umarmung erlaubt ist, kein Händedruck und keine Berührung, „bedauern wir am meisten, aber es sind uns leider noch immer die Hände gebunden“, so die Präsidentin und der Direktor.
Von Heim zu Heim unterschiedlich
Die Richtlinien, wie sie seit dem Ausbruch der Pandemie von der „Task Force Covid-19“ in Bozen laufend festgelegt wurden und werden, erfuhren und erfahren nicht in allen Heimen dieselbe Art der Umsetzung. Dieser Umstand führt schon seit dem Ausbruch der Pandemie zu Kritik. Dass es in den Heimen zu unterschiedlichen Handhabungen kam und kommt, ist laut Wellenzohn und Tumler grundsätzlich zu bedauern. Das Grundproblem liege darin, dass die konkrete Umsetzung der Richtlinien in der Verantwortung der jeweiligen ärztlichen Leiter der Heime sowie der Direktorinnen und Direktoren liege. In manchen Heimen werde sehr streng vorgegangen, in anderen weniger streng. Hugo Daniel, der ärztliche Leiter des Bürgerheims Schlanders, hatte in einem Interview mit dem der Vinschger schon im Sommer 2020 darüber geklagt, „dass die psychischen und zum Teil auch körperlichen Belastungen, denen die Bewohner, ihre Angehörigen und die Pflegekräfte ausgesetzt sind, groß sind.“ Um das Auftreten von Corona-Fällen zu vermeiden, seien aber strengste Abschirmungsmaßnahmen unerlässlich. „Und diese Gefahr ist leider Gottes auch jetzt noch gegeben“, sagt Christof Tumler und verweist auf den jüngsten Anstieg der Infizierten in Südtirol und darüber hinaus.
Ein Stockwerk nach wie vor geschlossen
Dass es unter den Bewohnern im Bürgerheim bis jetzt keinen einzigen Covid-Fall gab, führen die Präsidentin und der Direktor einerseits auf das Bemühen zurück, die jeweiligen Richtlinien möglichst genau einzuhalten, andererseits aber auch schlichtweg auf das Glück. Lag die Anzahl der Heimbewohner vor der Pandemie bei fast 90, so leben derzeit nur 70 Personen im Heim. Der erste Stock mit 12 Betten, sprich die Abteilung für Personen mit Demenz, musste geschlossen werden und ist noch immer außer Betrieb. 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten schon im Vorfeld des famosen Suspendierungs-Dekretes der Regierung Draghi angekündigt, sich nicht impfen lassen zu wollen bzw. zu kündigen. Dieser plötzliche Personalschwund hatte zur Schließung einer Abteilung im 1. Stock geführt. Tumler: „In letzter Zeit berechnen wir nicht mehr die Anzahl der Mitarbeiter, die wir für die Betreuung der 88 akkreditierten Bewohner bräuchten, sondern umgekehrt: wir berechnen die Anzahl der Bewohner, die wir mit den vorhandenen Mitarbeitern betreuen können. Bisher wurde die Mitarbeiterzahl mit dem vorgegebenen Personalschlüssel errechnet, indem diese auf die akkreditierte Bettenanzahl angewandt wurde. Wir handhaben den Personalschlüssel schon seit einiger Zeit so, dass wir die Anzahl der zu betreuenden Bewohner berechnen, indem wir von den zur Verfügung stehenden Mitarbeitern ausgehen.“ Dies vor allem auch deshalb, „um unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trotz Corona geregelte Arbeits- und Urlaubszeiten zu bieten.“ Das gesamte, derzeit rund 100-köpfige Mitarbeiterteam gebe seit jeher das Beste, „um das Virus nicht einzuschleppen und die Bewohnerinnen und Bewohnern trotz allem möglichst gut zu betreuen.“ Ein besonderes Augenmerk werde auf den menschlichen Umgang gelegt und auf gemeinschaftliche Aktivitäten, „soweit diese eben möglich sind.“ Der Großteil der Bewohnerinnen und Bewohner kommt mit dem Corona-Alltag laut Tumler recht gut zurecht. Rund 10 Personen würden hingegen schon in unterschiedlich starker Weise darunter leiden, dass sie das Heim trotz dreifacher Impfung nicht verlassen dürfen, nicht einmal für einen kurzen Gang ins Dorf, „aber die Regeln sind, wie sie sind.“ Auch die Präsidentin ist der Meinung, dass es vorwiegend Angehörige sind, die unter der derzeitigen Situation leiden, weil sie ihre Lieben nur unter der Einhaltung der strengen Regeln besuchen können und der körperliche Kontakt verboten ist.
Kleine, aber wichtige Schritte
Trotz der Vorschriften und Einschränkungen ist es der Heimführung gelungen, im Laufe der Corona-Zeit bestimmte Verbesserungen einzuführen, ohne dabei von den Richtlinien abzuweichen. Froh ist man zum Beispiel darüber, dass die Mensa nach mehrmonatiger Schließung wieder unter der Einhaltung der Sicherheitsregeln geöffnet werden konnte. Tumler: „Die Mensa wird vor allem von älteren Menschen, die von außen zu uns kommen, sehr geschätzt.“ Wieder angelaufen ist zum Beginn des heurigen Jahres die Kurzzeitpflege. Derzeit können 2 von 5 Betten genutzt werden. Die Kurzeitpflege wird nicht nur von Personen nach einem Krankenhausaufenthalt in Anspruch genommen, sondern auch von pflegedürftigen Menschen, die von Angehörigen zu Hause gepflegt werden. Wellenzohn: „Dank des Angebotes der Kurzzeitpflege, das zum Teil auch für mehrere Wochen in Anspruch genommen werden kann, können Angehörige entlastet werden.“
Die Freiwilligen fehlen sehr
Stark eingebrochen ist Hand in Hand mit der Pandemie die Mitarbeit vieler Freiwilliger. Vom pulsierenden Heimleben vor Corona, als es noch eine Singgruppe, eine religiöse Gruppe, eine Kartenspiel-Gruppe und weitere Gruppen gab, ist man leider noch weit entfernt. Laut dem Direktor geben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwar alle Mühe, die Tätigkeiten der Freiwilligen mit eigenen Initiativen auszugleichen, aber das ist verständlicherweise nur in beschränkter Form möglich. Im Wiederaufbau der Freiwilligenarbeit im Heim sieht Wellenzohn eine der größten Herausforderungen für die Zeit nach Corona. Mit Tumler stimmt sie darin überein, dass das Corona-Virus das Leben im Heim und auch die in „normalen“ Zeiten offenen Beziehungen zur Dorfgemeinschaft, zu den Schulen und Vereinen stark eingeschränkt hat. Die Hausbar, wo Freiwillige mithelfen, ist zwar seit einiger Zeit wieder geöffnet, aber nur vormittags und nur für die Bewohnerinnen und Bewohner sowie das Personal.
Warteliste und akuter Personalmangel
Sehr zu schaffen mach der Heimführung der Personalmangel. „Uns fehlen vor allem Fachkräfte in der Pflege“, sagt die Präsidentin. „Es ist inzwischen leider so, dass sich die Heime das Personal gegenseitig abwerben“, gibt der Direktor zu bedenken. Deutlich gewachsen ist auch die Warteliste. Derzeit liegen über 60 Gesuche für eine Aufnahme ins Heim vor. Dass nicht alle Gesuche berücksichtigt werden können, liegt auf der Hand. In Schlanders haben Personen aus der Gemeinden Schlanders und Martell Vorrang bei der Aufnahme. Lange Wartelisten gibt es auch in anderen Heimen im Vinschgau und darüber hinaus.
„Wir möchten wieder ein volles Haus“
Der größte Wunsch der Präsidentin und des Direktors ist es, „dass die Einschränkungen und Regeln baldmöglichst nicht mehr notwendig sind, und dass wir wieder ein volles Haus haben. Voll mit Bewohnerinnen und Bewohnern und voll mit Personal.“ Auf einen Aspekt wurde im Bürgerheim seit dem Beginn von Covid-19 besonders geachtet, nämlich dass keine Person allein stirbt. Tumler: „Wir haben es immer einer bestimmten Anzahl von Angehörigen erlaubt, in den letzten Stunden bei ihren Lieben zu sein. In unserem Heim ist niemand allein gestorben.“