Landesauszeichnung für 8 Vinschger
Publiziert in 18 / 2006 - Erschienen am 13. September 2006
3 Vinschgerinnen und 5 Vinschger wurden am „Hohen Frauentag“ in Innsbruck mit einer Verdienstmedaille ausgezeichnet. Wie schon in den letzten Jahren überreichten die beiden Landeshauptleute Herwig van Staa und Luis Durnwalder die „Verdienstmedaille des Landes Tirol“ an 148 Persönlichkeiten aus Nord-, Ost- und Südtirol und würdigten deren Verdienste.
Erfreulich ist die steigende Anzahl von Frauen unter den Geehrten, die mit 15 (bzw. 3 im Vinschgau) allerdings nicht einmal ein Drittel ausmachen. Landesrätin Sabina Kasslatter Mur zufolge sollten in Zukunft noch mehr Frauen auf die Vorschlagsliste für die Ehrungen gesetzt werden. Diesmal wurden auffallend viele Frauen für ihren vorbildlichen familiären und sozialen Einsatz und für ihr Wirken im engeren Familienkreis geehrt. Gerade Frauen leisten sehr vieles, unentgeltlich und ungesehen von der Öffentlichkeit. Erstmals wurde in diesem Zusammenhang auch der Pflegetätigkeit der Frauen Anerkennung geschenkt. Die geehrten Männer stehen bzw. standen vermehrt in der Öffentlichkeit. Sie bekleiden Ämter auf politischer Ebene, sind Gründungsmitglieder bei Vereinen oder Pioniere in der Landwirtschaft und im Tourismus. Auch ihr Einsatz ist unverzichtbar und unbezahlbar.
von Ingeborg Rechenmacher
Die acht Geehrten aus dem Vinschgau haben sich die Auszeichnung im familiären, sozialen oder öffentlichen Umfeld „verdient“.
„Ich habe nichts Besonderes getan, außer meine Familie versorgt“, sagt die Bergbäuerin Adelheid Paris Weiss vom Schlanderser Nörderberg bescheiden. Dabei hatte sie die große Aufgabe, zwei schwer behinderte Söhne über 30 Jahre lang zu pflegen.
Im Jahre 1971 wurde Sohn Martin geboren, 11 Monate später Sohn Erich. Bald gab es bei beiden Kindern erste Anzeichen einer Schädigung des zentralen Nervensystems. Die Brüder blieben in ihrer Entwicklung stehen, sie lernten schwer zu sprechen und im Laufe der Zeit trugen sie ihre Füßchen nicht mehr. In der Zwischenzeit hatte die Mutter Stefan, ihren dritten Sohn zur Welt gebracht. Das Kind litt unter dem Down-Syndrom, entwickelte sich jedoch zu einem kräftigen, gesunden Baby. Eine schwere Erkältung mit Fieber im achten Lebensmonat überlebte der kleine Stefan nicht.
„Es wird schon mein Schicksal sein“, dachte sich die junge Mutter und versuchte, ihren beiden Buben Martin und Erich jegliche Therapie und Fürsorge zukommen zu lassen. Die Eltern nahmen die Kinder mit dem Traktor zur Feldarbeit. Trotzdem ließ die viele schwere Handarbeit am Hof wenig Zeit zur Förderung der Kinder, so dass sie bald in den Sonderkindergarten bzw. in die Sonderschule kamen. Der Kontakt zu anderen Kindern tat den Buben gut.
Im Laufe der Jahre ließ das Ehepaar Weiss viele Untersuchungen machen, um der Krankheit ihrer Kinder auf den Grund zu gehen. Vor 15 Jahren ergab eine genetische Untersuchung eines Zürichers Professor, dass die Eltern unvereinbare, sogenannte „schlechte“ Gene besaßen. „Man findet sich damit ab“, erinnert sich Adelheid Weiss heute, „aber ich habe mich auch oft geschämt. Ich war immer die Frau Weiss mit den zwei Behinderten. Anfangs tröstete ich mich noch damit, dass es schlimmere Fälle gibt. Als meine Buben aber aufgrund ihrer rückläufigen Krankheit plötzlich das nicht mehr tun konnten, was sie einmal erlernt hatten, war ich schon verzweifelt.“
1987 fanden Martin und Erich Weiss einen Platz in der Lebenshilfe. Jeden Freitag kamen sie nach Mairing auf den elterlichen Hof und blieben dort bis Sonntag, 15 Jahre lang. Inzwischen waren beide an den Rollstuhl gefesselt, ihre Motorik war rapide zurückgegangen und die Mutter musste sie füttern, auf die Toilette bringen und ins Bett legen. Eine große Hilfe in all diesen schweren Jahren waren Adelheid Weiss ihre Schwiegermutter, ihre Schwägerinnen und einige Nichten. Dafür ist sie heute noch dankbar. Im Jahre 2002 verstarb Erich im Alter von 30 Jahren, Martin folgte ihm zwei Jahre später 33jährig. Die Mutter Adelheid empfing eine Leere im Haus und im Herzen, und plötzlich hatte der Alltag einen anderen Rhythmus.
Inzwischen haben ein Neffe und dessen Frau den Bergbauernhof mit zwei Gästewohnungen übernommen. Deren Kinder erfüllen das Haus und die Stube von Adelheid Weiss wieder mit Lachen und geben ihr wieder Lebenssinn und Lebensfreude.
Johann Mair aus Kortsch hat sich im langjährigen Dienst für die Öffentlichkeit verdient gemacht. Er war 10 Jahre lang Fraktionsvorsteher, Obmann der Kortscher Alm, Obmann der Zahlwaalinteressentschaft und 9 Jahre Aufsichtsrat in der Meliorierungsgenossenschaft. 15 Jahre war Johann Mair Mitglied im Feldwegkomitee und 20 Jahre im Friedhofskomitee.
Im Jahre 1987 wurde der Kulturhof „Rimpf“ gegründet. Beim Ausbau und der Organisation der Rimpfhöfe als Kulturstätte war Johann Mair als aktives Mitglied maßgeblich beteiligt.
Als Baumeister des Zahlwaales errichtete er eine große Anzahl von Trockensteinmauern und Holzzäunen und gilt daher als Erhalter und Pfleger der Kulturlandschaft und der alten Kulturgüter.
Er war an der Instandsetzung der Kortscher Mühle in Allitz beteiligt, betreut einen Roggenacker auf den Rimpfhöfen und pflegt dort heute noch das Brotbacken auf traditionelle Weise.
Johann Kaufmann aus Laas ist seit der Gründung des Vereins der freiwilligen Blutspender Vinschgaus im Jahre 1958 Mitglied und Verwaltungsrat. Seit 1960 ist er zudem Verwaltungsrat im Landesverband der freiwilligen Blutspender und seit 1978 hat er das Amt des Präsidenten des Vereins der freiwilligen Blutspender der Sektion Vinschgau inne.
Hans Mair vom Tschontschafronhof in Kastelbell/Tschars hat das Bezirksamt für Landwirtschaft in Schlanders buchstäblich von der ersten Stunde an aufgebaut und über 31 Jahre hindurch geleitet. Neben der institutionellen Tätigkeit hat er sich zum Wohle der Allgemeinheit im Rahmen der Gründung und des Aufbaus verschiedener Vereine verdient gemacht. So war er beinahe 10 Jahre Chorleiter des Kirchenchores Tschars und 10 Jahre Chroleiter des Männergesangvereins von Goldrain. Er wirkte bei der Gründung und dem Aufbau des Vinschgauer Weinbauvereines, dem Bund Alternativer Anbauer, der Marteller Erzeugergenossenschaft und dem Verein Vinschgauer Marillenanbauer mit.
Hans Mair war 18 Jahre lang Aufsichtsrat im Südtiroler Braunviehzuchtverband, 12 Jahre Obmann des Aufsichtsrates der Obstgenossenschaft UVO Tschars/Staben und einige Jahre Obmann der Raika Tschars.
Der inzwischen pensionierte Amtsdirektor des Bezirksamtes für Landwirtschaft wirkte bei verschiedenen Publikationen mit und begleitete die Tätigkeiten des Kulturwerkes für Südtirol e.V., welches Sonderbeihilfen vorwiegend für Bergbauernfamilien und Patenschaften gewährte.
Johann Prenner aus Schlanders musste mit seiner Familie im Jahre 1949 bei der Seestauung das Dorf Reschen verlassen. Um diesen Verlust zu verarbeiten, hat er bereits zwei Bücher über sein Heimatdorf geschrieben. Ein weiteres Buch hat er den „verfallenen Höfen am Schlanderser Sonnenberg und im Schlandrauntal“ gewidmet.
„Mein Hobby ist eigentlich die schöngeistige Literatur“, bekennt der Pensionist, der am wissenschaftlichen Lyzeum chemische und physikalische Experimente mit Schulklassen durchgeführt hat.
Johann Prenner ist ein Autodidakt. Sein besonderes Steckenpferd ist der Orgelbau. „Zehn Jahre lang habe ich die Funktionsprinzipien des Orgelbaus studiert und auch dem berühmten Orgelbauer Ciresa über die Schulter geschaut“, sagte er.
In seinem Wohnzimmer steht bereits eine von ihm gebaute Orgel, eine noch nicht ganz fertig gestellte steht in seiner Werkstatt, gleich neben einer Sammlung landwirtschaftlicher Geräte, die oft von Schulklassen besucht wird.
„Die Bäuerinnen müssen aus sich heraus gehen und selbstbewusst werden“. Dies war der Grund für die Bäuerin Anni Haller aus Partschins, sich für die Gründung und den Aufbau einer Bäuerinnenorganisation im Bezirk Meran einzusetzen. 14 Jahre lang engagierte sie sich als Ortsbäuerin, 22 Jahre lang als Bezirksbäuerin des Bezirks Meran. Sie war Gründungsmitglied des Bäuerlichen Notstandsfonds und bis 2006 im Vorstand aktiv tätig. Als Gemeinderätin setzte sie sich zehn Jahre lang für die landwirtschaftlichen Interessen ihrer Mitbürger ein. Seit Mai 2006 ist Anni Haller die Vizepräsidentin der Seniorenvereinigung im Südtiroler Bauernbund.
Der gebürtigen Stilfserin Agnes Paulmichl wurde ihr musikalisches Talent mit in die Wiege gelegt, denn im Hause des Chorleiters und Organisten wurde stets gesungen und musiziert. Gemeinsam mit ihren beiden Schwestern trat sie als „Dreigesang Paulmichl“ öffentlich auf. Das Repertoire umfasste hauptsächlich alpenländisches Liedgut und echte deutsche Volkslieder. „Ich habe meine musikalische Ausbildung im Elternhaus genossen“, sagt die ehemalige Volksschullehrerin von Prad, die mit ihren Schülern immer gesungen hat und mit ihnen die Schulmessen musikalisch umrahmte. Als sie mit ihrem Schülerchor beim Wettbewerb „Jugend singt“ in Bozen bei der Musikprofessorin Johanna Blum auftrat und prompt den ersten Preis gewann, begann ihre „Karriere“ als Gesanglehrerin an den Musikschulen von Schlanders, später Prad und Mals.
Vor 30 Jahren gründete Agnes Paulmichl mit ihren ehemaligen Schülerinnen den Prader Frauenchor, den sie heute noch leitet. Zur 30-Jahr-Feier am 22. Oktober in Prad wird der Chor eine eigens zu diesem Anlass komponierte Messe von Herbert Paulmichl, Agnes Paulmichls Bruder und Chororganist von Bozen, uraufgeführt. Die Chorleiterin freut sich schon, die „Missa Venostana“ zu dirigieren.
Agnes Paulmichl ist nicht nur Mitglied des Prader Kirchenchores, sondern auch Gründungsmitglied des Pfarrgemeinderates, dem sie heute noch angehört. Zudem saß Agnes Paulmichl als erste Frau im Prader Gemeinderat.
Hermann Blaas aus St. Valentin a.d.H. hat mit großem Engagement in vielen Vereinen ehrenamtliche Tätigkeiten und Führungsaufgaben ausgeübt und wesentlich zur gesellschaftlichen Entwicklung des Obervinschger Dorfes beigetragen. Er war Gründungsmitglied und über 30 Jahre aktives Mitglied der Volkstanz- und Schuhplattlergruppe St. Valentin, jahrelang Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, Gründungsmitglied der Theatergruppe St. Valentin und noch heute ihr Spielleiter. Er unterstütze im Jahre 1963 eine Initiativgruppe zur Gründung einer Musikkapelle, wurde Kapellmeister und Obmann und ist seit 1994 deren Ehrenmitglied. Auch politisch war Hermann Blaas sehr aktiv: er war beinahe 20 Jahre Ortsobmann der SVP, Präsident der Fraktionsverwaltung, Mitglied des Gemeinderates und des Gemeindeausschusses.
In den 60er Jahren galt er als Pionier im Aufbau der Haideralm als Schigebiet. Als technisch versierter Angestellter der Liftgesellschaft übernahm er die verantwortungsvolle Aufgabe des Maschinisten des allerersten Korbliftes im Tale. In den weiteren Jahren war er maßgeblich am Auf- und Ausbau der Liftanlagen beteiligt. Als Landwirt war Hermann Blaas die Entwicklung der Bergbauern ein großes Anliegen. Als Ausschussmitglied und Obmann der Alminteressentschaft „Haider Alp“ brachte er seine Erfahrungen und Kenntnisse ein. Als Gastwirt schaffte sich Hermann Blaas ein zweites Standbein. Sein inzwischen vom Sohn vorbildlich geführter Gastbetrieb „Plagött“ brachte mehrere gastronomische Auszeichnungen ein.
Ingeborg Rainalter Rechenmacher