Nicht jeden Tag ist „di Supp“ verdient
Für Albrecht Plangger sind Bodenhaftung und Zusammenhalt „unseres Haufens“ wichtiger als das Glänzen mit Präsenzen in der Kammer.
Vinschgau/Rom - Unsinniger Donnerstag 2018, Punkt 3.50 Uhr in der Früh: „I bin af Schpondini“, tönt es nach drei kurzen Hustern aus dem Handy. Eine knappe Viertelstunde nachher taucht Abi mit seinem nicht mehr ganz so neuen Mercedes in Schlanders auf. Wegen zu schnellen Fahrens habe er noch nie eine Strafe kassiert, „wohl aber wegen nicht Anschnallens habe ich fast alle Punkte verloren und habe mich schon wegen einer sogenannten ‚Nachschulung’ umgeschaut.“ Um rechtzeitig zum Bahnhof in Auer zu kommen, „muss ich mein Haus in Graun um spätestens 3.25 Uhr verlassen“, erzählte Albrecht Plangger. Am Abend vor dem Unsinnigen war er Ehrengast bei der Handwerkerversammlung in Pedroß in Langtaufers. Bei dieser Versammlung wollte er nicht fehlen, zumal der langjährige Ortsobmann Erhard Joos sein Amt abgegeben hat.
Wenig Zeit für Hobbys
Und heute geht es - wie seit nunmehr fast 5 Jahren jede
Woche - nach Rom. Die Autofahrt bis Auer lockert ein österreichischer Radiosender mit Volksmusik auf. Besonders viel Zeit für seine Hobbys hat Plangger, der am 24. und 25. Februar 2013 als SVP-Mandatar mit den meisten Vorzugsstimmen in die Kammer gewählt wurde, nicht. Von den 42 Proben der Grauner Jagdhornbläsergruppe „Hirschruf“ musste er im Vorjahr 37 schwänzen. Anders sieht die Bilanz bei den Auftritten auf: „Bei 13 von 24 war ich dabei.“ Das habe ihm den Ruf eingebracht, „immer nur dann zu kommen, wenn es etwas zum Pappen gibt.“ Im Regionalzug von Auer bis Trient, wo der kurze Aufenthalt just für einen Cappuccino und ein Hörnchen reicht, und im Frecciargento-Zug, der die Gäste in knapp 4 Stunden von Trient nach Rom „fliegt“, findet Plangger Zeit, um sich im Internet über die Neuigkeiten in Südtirol zu informieren. Obwohl er in der Regel imstande ist, im Zug sofort einzuschlafen, sobald er die Augen schließt (O-Ton: „Das ist eine Gnade Gottes“) hält ihn heute die Meldung einer Zeitung, wonach der SAD-Chef Ingemar Gatterer einen Wolf geschossen haben soll, hellwach: Stimmt das oder stimmt das nicht? Obwohl er sich entsinnt, dass heute der Unsinnige ist, bleibt der Zweifel aufrecht. Selbst ein Anruf bei einem Jagdfreund in Bozen bringt zunächst keine Sichergeit. Erst viele Stunden später wird bestätigt, dass es sich um einen Scherz handelt.
Wolf und Bär sind kein Scherz
Nicht zum Scherzen zumute ist Plangger, wenn man ihn auf das Thema Wolf und Bär anspricht. Vom Bemühen, den internationalen Schutzstatus des Wolfs auf EU-Ebene abzuschwächen, hält er kurzfristig nicht viel, weil auch Rom dann noch nachziehen muss. Dass dies schnell passiert, darauf sollte man sich nicht verlassen. Vielmehr sollte die Landesregierung - wie schon beim Wildschwein seit über 15 Jahren erfolgreich praktiziert - sich ein wolffreies Land zum Ziel setzen, damit es nicht zu Zuständen kommt, wie er sie den Abruzzen beobachtet hat: „Dort hat sich der Mensch dem Wolf angepasst und nicht umgekehrt.“ Dort gibt es schon lange keine Almwirtschaft mehr wie bei uns in Südtirol. Der Appeninenwolf kann sich mit der slowenisch- kroatischen Population verbinden und vermischen, auch wenn er neben Südtirol vorbeizieht. Zwischen dem Trentino bis zum Po ist Platz genug und auch Wildscheine gibt es im Überfluss. „Wir in Südtirol sind die einzige Provinz Italiens, die wildschweinfrei ist und es auch bleiben will.“ Was die Bären betrifft, so sollte Trient „gezwungen“ werden, das Wiederansiedelungsprojekt Life Ursus zu überdenken, zumal die Population mittlerweile überlebensfähig ist. Plangger: „Die Bären vermehren sich und kommen zu uns, weil das Adamello-Gebiet voll ist. Das ist eine Art Zwangsansiedlung.“ Schade sei, dass auch die Forstbehörde nicht angehalten werde, Großraubtiere zu verscheuchen bzw. zu vergrämen. Dies wäre heute schon möglich. Und noch eines gibt Abi zu bedenken: „Nirgends in Europa stoßen Wolf und Bär in den Sommermonaten auf einen derart reich gedeckten Tisch wie bei uns.“
Mortadella-Brot auf dem Dach des Parlaments
„Piazza del Parlamento“ weist Abi einen Taxifahrer vor dem Bahnhof „Roma Termini“ an. Es dauert nur wenige Minuten bis zum „Palazzo Montecitorio“, wo 630 „Onorevoli“ aus ganz Italien Politik machen. Besser gesagt Politik gemacht haben, denn momentan stecken sie voll im Wahlkampf. Das trifft auch auf Abi zu, der sich dennoch für eine außergewöhnlich kurze Rom-Fahrt entschieden hat, „weil ich einige Sachen zu erledigen habe und weil ich so auch dem Faschingstreiben ausstellen kann, das mir ehrlich gesagt überhaupt nicht liegt.“ Auf dem Platz vor dem Palast, den der Regen über Nacht reingewaschen hat, stehen bewaffnete Carabinieri, Polizisten und Soldaten. „Den Palazzo dürfen die Ordnungshüter nicht betreten“, klärt Horst Gasser aus Neumarkt auf. Er ist seit 4 Jahren der Mitarbeiter von Plangger in Rom. Horst weiß, wie er mit Abi und dessen Gästen umzugehen hat. Was nie fehlen darf, ist ein „Holbmittog“ mit einem Mortadellea-Brot und einem Glas Weißwein auf dem Dach des Palazzo. Dieses „Privileg“ hat nur der Abgeordnete aus Graun, denn das Büro, wo er und Horst arbeiten, befindet sich im 5. Stock und von dort aus gelangt man über eine Stiege direkt auf das Dach.
„Heute ist der Staatspräsident im Haus“
Von oben wirkt Rom irgendwie klein. Es liegt alles nah beieinander. „Dort unten ist das Senatsgebäude, links der Trevi-Brunnen, vor uns das Kassationsgericht und der Wassermagistrat“, informiert Abi. „Und auch der Staatspräsident ist heute im Haus, weil die italienische Fahne am Quirinalspalast ausgehängt ist. Das ist hier nicht anders als auf der Churburg in Schluderns. Auch dort erkennt man an der Fahne, ob der Graf zu Hause ist.“ Auch die schlichte „Absteige“, wo Plangger seit ca. zwei Jahren die Nächte in Rom verbringt, ist vom Dach aus auszumachen: „Wenn ich schnell gehe, bin ich in 7 Minuten im Abgeordnetenhaus.“ Während seiner ersten Rom-Jahre hatte Abi immer in einem Ferienhaus der Lourdes-Schwestern übernachtet. Allerdings musste es stets innerhalb 23.30 Uhr im Haus sein: „Einen eigenen Schlüssel hatte ich nie.“
Krankenhaus, Post, Pendler und, und, und
Im Büro wartet jede Menge Arbeit auf Abi und Horst. Worum es im Alltagsgeschäft geht, verrät schon ein Blick auf die vielen Akten, Zettel und Ordner. Auf einem gleich zweibändigen Ordner steht: Krankenhaus Schlanders. Nach „Heimat“ duften noch viele weitere Aktenbündel: Grenzpendler, Waffenpass, Nationalpark, Energie, Post und viele weitere Ordner. Zu den Hauptaufgaben von Horst gehört das Vereinbaren von Terminen mit Ministerialbeamten, hohen Funktionsträgern und Personen, die in den jeweiligen Bereichen das wirkliche Sagen haben. Albrecht Plangger ist es gelungen, seit 2013 bis jetzt ein Netz von Bekanntschaften und persönlichen Beziehungen aufzubauen, „ohne die es schwierig wäre, irgendetwas Konkretes für Land und Leute zu bewegen.“
Bodenhaftung ist unerlässlich
Den Abstimmungen und Debatten im Plenum misst er in diesem Sinn nur eine untergeordnete Bedeutung bei: „Wenn es darum geht, unserem Partner PD die Stange zu halten und bei wichtigen Entscheidungen dabei zu sein, sind wir natürlich präsent.“ Dass er auf der Anwesenheits-Liste im Plenum nicht unbedingt glänzt, nimmt Abi bewusst in Kauf: „Oft wird im Plenum nur ‚leer’ herumdiskutiert. Auch die Arbeit in den Kommissionen und Ausschüssen sind nicht selten umsonst.“ Als Beispiel nennt er die jahrelangen Vorbereitungsarbeiten für die Verfassungsreform, die nach dem Scheitern des Referendums „für die Katz“ waren. Vielmehr gehe es ihm darum, über andere Wege etwas für Südtirol heimzubringen. Die Bodenhaftung hält er für unverzichtbar: „Theoretisch könnte ich allen Sitzungen im Plenum beiwohnen und mich als fleißiger Abgeordneter rühmen, aber wenn ich dadurch die Bodenhaftung mit dem Vinschgau und dem ganzen Land verliere, ist die ganze Arbeit so gut wie umsonst.“
„Nur ein einziger Koch darf in der Pfanne rühren“
Und von noch einer Sache ist Abi überzeugt: „Wir sind als SVP zwar nur ein kleiner ‚Haufen’ in der Kammer und im Senat, aber was uns stark und unübersehbar macht, ist der Zusammenhalt und die Tatsache, dass wir mit einer Stimme sprechen.“ Nur so sei es möglich, „immer wieder neue Durchführungsbestimmungen durchzubringen und unsere Autonomie laufend zu stärken und auszubauen.“ Plangger wörtlich: „Nur wenn ein einziger Koch in der Pfanne rührt, kann etwas Gutes herauskommen.“ Ohne Team-Arbeit in Kammer und Senat lasse sich auf dem römischen Parkett wenig bewegen. Was aber nicht heißt, dass es immer so läuft, wie es sich der „Haufen“ wünscht: „An manchen Abenden müssen wir auch feststellen, dass wir uns die Suppe nicht verdient haben.“ Gegen irgendetwas wettern sei relativ einfach, „aber wir SVPeler sind alles Leute, die von der Mehrheit kommen und denen es darum geht, konkrete Ziele zu verfolgen und etwas zu erreichen.“
Hirschwürste für Fabrizio
Dass heute der Unsinnige ist, spürt man in Rom überhaupt nicht. Auch nicht in der kleinen Trattoria „Gino“, wo sich Abi und Horst sowie der Kammerabgeordnete Manfred Schullian und dessen Mitarbeiter Nicolas Spiess aus Graun zu einem römischen Nudel-Teller treffen. Für den Hausherrn Fabrizio hat Abi ein paar Hirschwürste mitgebracht. Bei Tisch wird politisiert und gescherzt. Auf einem Schwarzweißfoto an der Wand ist Roland Riz zu sehen, der während seiner 34-jährigen Amtszeit in Rom stets Stammgast bei „Gino“ war.
Ulten mit im Boot?
Am Nachmittag trifft sich Plangger im Palazzo Montecitorio mit dem Wildbiologen Piero Genovese, einem hohen Funktionär des gesamtstaatlichen Instituts für Umweltschutz und Umweltforschung (ISPRA). Es geht darum, die Rotwildentnahme auch auf das Nationalparkgebiet in Ulten auszudehnen sowie in Zukunft anstelle eines einjährigen einen mehrjährigen Abschussplan für das Nationalparkgebiet in Südtirol vorzusehen. Dass Plangger mit einem Schmunzeln im Gesicht in sein Büro zurückkehrt, lässt vermuten, dass die Aussprache erfolgreich war: „Heute habe ich mir die Suppe verdient.“ Ein weiteres Treffen steht am Nachmittag im Ministerium für die wirtschaft-
liche Entwicklung an. Es geht u.a um Personalprobleme bei der Außenstelle in Bozen.
Fast alle Türen öffnen sich
„Als ‚Onorevole’ wird einem fast jede Tür geöffnet“, freut sich Plangger. Wenn es gelingt, die richtigen Leute am richtigen Ort zu treffen, „lässt sich einiges im Interesse Südtirols bewegen.“ Darin sieht Abi die eigentliche Aufgabe seines politischen Mandates in Rom. Gearbeitet werde natürlich in enger Absprache und in Zusammenarbeit mit der Landesregierung und der Landesverwaltung. Das heiße aber nicht, dass man mit der Landes-Politik immer in allen Punkten einverstanden sein müsse. Die Landespolitik hat laut Abi derzeit einige wichtige Brocken zu bewältigen. Zu den größten Baustellen gehören die Sanität, die „Geschichte“ mit der SAD sowie Bär und Wolf. Zur Sanität meint er: „Man ging mit der Reform davon aus, 60 Millionen Euro zu sparen und jetzt sind es 120 Millionen Euro mehr.“ Klare Vorstellungen hat er auch bezüglich des Nationalparks: „Das Bauen in Siedlungsgebieten im Park darf nicht schwieriger sein als außerhalb. Die Nutzung der Wasserkraft in der Talsohle und in landschaftlich nicht wertvollen Gebieten muss zu Gunsten der ansässigen Bevölkerung auch im Park ermöglicht werden.“ Zur Intensität der Schutzbestimmungen formuliert er folgenden Leitsatz: „Oben Schraube zu und unten Schraube auf.“ So habe es ihm und dem Marteller Bürgermeister der Direktor des Schweizer Nationalparks, Heinrich Haller, vorgeschlagen.
„Maurerwein“ zum Abschied
Nach mehrstündiger Arbeit im Büro treffen sich Abi und Co. noch zu einem Glas Wein in ihrer Stammkneipe. Getrunken werden nicht erlesene Tropfen, sondern ein eher günstiger Wein, der daher auf den Namen „Maurerwein“ getauft wurde. Allzu lange dauert der Feierabend nicht, denn um 22.30 Uhr fährt der Nachtzug mit Schlafwagen in Richtung Norden ab. Während es vor einigen Jahren noch möglich war, mit einem Schlafwagen-Zug bis Bozen zu fahren, nimmt Plangger jetzt fast immer den Nachtzug bis Padua. Von dort geht es nach 5 Uhr in Richtung Verona und Auer weiter. Ausgeschlafen und putzmunter wirft Abi seinen Mila-Rucksack mit den Rom-Akten auf den Rücksitz und wirft seinen Mercedes an. Rom liegt nur etwas mehr als 24 Stunden zurück, ist aber irgendwie schon weit weg. In der Regel fährt Plangger jeweils am Montag nachts in die Ewige Stadt und am Donnerstag nachts wieder zurück. Diese Zeiten erlauben es ihm, am Montag bzw. Freitag an Sitzungen, Aussprachen und Versammlungen am Parteisitz in Bozen, im SVP-Büro in Schlanders sowie in Gemeinden teilzunehmen. Er kann so von Graun kommend so ziemlich alles in Richtung Bozen „mitnehmen“. Für die Rückreise gilt das auch, allerdings in umgekehrter Reihenfolge.
„Da muss ich heute auch noch hin“
Mit Bodenhaftung hat auch das Wahrnehmen unterschiedlichster Termine im Vinschgau und darüber hinaus zu tun. Der Einladung, am 9. Februar anlässlich des 60-jährigen Bestehens des Krankenhauses Schlanders an einem Gottesdienst in der Krankenhauskapelle teilzunehmen, will der Vinschger SVP-Bezirksobmann unbedingt nachkommen. Dann sind am Abend noch die ersten Wahlversammlungen angesagt. Ein offener „politischer“ Stammtisch in Tschars und einer in der „Seeber- Bar“ in Kastelbell.