Sinnvoll oder nicht?
Von der Töll bis nach Schluderns stößt man derzeit im Vinschgau auf Speed-Check-Boxen. Viele weitere sollen noch aufgestellt werden.

Orange, orange, orange

Publiziert in 32 / 2016 - Erschienen am 14. September 2016
Wie die Pilze schießen die orangefarbenen Boxen aus dem Boden. Viele positive Reaktionen, aber auch Kritik. Vinschgau - Eines vorweg: bei einem derart gewaltigen Verkehrs­aufkommen, wie es die Vinschger seit einigen Monaten entlang der Hauptdurchzugsstraßen erleben, sind so genannte Speed-Check-Boxen zumindest zeitweise überflüssig, denn wenn es staut und staut und staut, ist man gar nicht imstande, das Tempolimit von 50 km/h zu überschreiten. Man ist gezwungen, im Schritttempo irgendwo zwischen Tausenden von Durchzugs-Autos, Motor­rädern und Campern vorwärts zu kommen. Sind die Straßen aber frei, wird zu schnelles Fahren rasch zum Problem. In erster Linie für Anrainer und Fußgänger in den Dörfern und deren unmittelbaren Umgebung. Vor einem Jahr gab es im Vinschgau nur eine „orange Box“, und zwar in Schluderns. Mittlerweile sind es über 10 und mindestens ebenso viele sind noch geplant. Wie der Vinschger bei einer Umfrage in Erfahrung brachte, sind sich die Gemeindeverwaltungen weitgehend darin einig, dass die Boxen den Zweck der Prävention erfüllen und daher sinnvoll sind. In Gesprächen mit Anrainern, die im Bereich von bereits aufge­stellten Boxen leben, wurde uns mehrfach bestätigt, dass sich die Lage im Vergleich zu früher merklich gebessert hat. Andererseits gibt es auch gegenteilige Sichtweisen. Aus Wirtschaftskreisen etwa ist zu hören, dass zu viele Boxen den ohnehin oft schon zähflüssigen Verkehr weiter verlangsamen. Es komme zu zusätzlichen Staus. Die Süd-Tiroler Freiheit und auch die Freiheitlichen sprechen von einem „Boxen-Wahn“ und verweisen auf angebliche Ungereimtheiten bzw. Unzulänglichkeiten. In der Regel zwei Kontrollen pro Woche Im Zusammenhang mit dem Aufstellen der Boxen sind staatsweit und auch in Südtirol immer wieder Zweifel darüber geäußert worden, ob die Boxen überhaupt legal sind und den gesetzlichen Vorgaben ent­sprechen. Laut dem Gemeindepolizisten Klaus Obwegeser „sind die ­Boxen mit Sicherheit legal.“ In der Straßenverkehrsordnung seien Speed-Check-Boxen zwar nicht explizit vorgesehen, „aber aus einem Rundschreiben des Innenministeriums geht hervor, dass sie rechtlich in Ordnung sind.“ Zum Einwand, dass das Limit „50“ in zu kleiner Form aufgeklebt sei, um die Verkehrsteilnehmer rechtzeitig aufmerksam zu machen, meinte Obwegeser: „Theoretisch müsste das Tempolimit überhaupt nicht aufgeklebt werden, auch deshalb nicht, weil es im Umkreis der Boxen große Hinweisschilder mit der Angabe des Tempolimits gibt. Die Boxen müssen außerdem nicht orange sein. Sie könnten auch grau und völlig unbeschriftet sein.“ Das Land hatte die gesetzliche Grundlage Ende 2014 überprüfen lassen. Rechtens seien die Boxen demnach nur unter Bedingungen. Die wichtigste davon: Die Gemeinden müssen effektiv auch regelmäßig Geschwindigkeitskontrollen mit Hilfe der Boxen durchführen, und zwar mindestens zwei Mal wöchentlich. Im Bezirk Vinschgau werden die Dienste der Gemeindepolizisten übergemeindlich koordiniert. Die Bezirksgemeinschaft verfügt derzeit über insgesamt 5 Radargeräte. Sie wurden zum Teil von den Gemeinden dem Bezirk überlassen bzw. von der Bezirksgemeinschaft neu angekauft. Kontrolliert wird auf Wunsch der Gemeinden bzw. Anregung der Gemeindepolizisten. In der Praxis läuft die Kontrolle so ab, dass ein Gemeindepolizist ein Radargerät in die Box einhängt und sich während der Zeit der Kontrolle in der Nähe der Box aufhält und das Geschehen beaufsichtigt. Das Tragen der Dienstuniform ist dabei übrigens nicht Pflicht. Angesichts der Vielzahl der Boxen im Vinschgau ist es de facto so, dass die meisten Boxen „leer“ am Straßenrand stehen. Die Verkehrsteilnehmer wissen allerdings nicht, wann, wo und für welchen Zeitraum kontrolliert wird. Der Ankauf und die Montage einer Speed-Check-Box kostet ca. 1.700 Euro. Die Ausgaben für ein Radargerät belaufen sich auf ca. 30.000 Euro. Die Bußgelder gehen an die Gemeinden. 12,5% davon fließen in den Bezirkstopf und werden laut Bezirkspräsident Andreas Tappeiner für unterschiedliche, übergemeindliche Maßnahmen im Bereich der Verkehrssicherheit verwendet, etwa für Schulungen der Gemeindepolizisten. Die erste Speed-Check-Box im Vinschgau wurde im Sommer 2015 in Schluderns aufgestellt, und zwar noch unter der früheren Gemeindeverwaltung mit Erwin Wegmann als Bürgermeister an der Spitze. Sein Nachfolger Peter Trafoier zieht eine positive Bilanz, wenngleich es unterschiedliche Reaktionen gibt: „Die Speed-Check-Box hat sich bisher gut bewährt.“ Es werde merklich langsamer gefahren. Als problematisch, ja geradezu katastrophal bezeichnet Trafoier das allgemeine Verkehrsaufkommen, speziell während der heurigen Sommermonate. Ob in Schluderns zusätzlich zur derzeitigen Box, die in der Nähe des Fußgängerübergangs beim Bahnhof steht, weitere Boxen aufgestellt werden, steht noch nicht fest. Wünsche, wonach auch nördlich und südlich des Dorfes Boxen errichtet werden sollten, wurden laut dem Bürgermeister bereits geäußert. Es gehe darum, die Verkehrsteilnehmer, die von Tartsch bzw. Spondinig in Richtung Schluderns unterwegs sind, zur Einhaltung des 50-km/h-Tempolimits zu bewegen. In der Gemeinde Partschins gibt es zwei Boxen auf der Töll und eine in Rabland. Weitere sind laut Bürgermeister Albert Gögele derzeit nicht geplant. Die ersten Erfahrungen hätten gezeigt, dass merklich langsamer gefahren wird. Den Zweck der Prävention erfüllen die Boxen allemal, „und das ist positiv zu bewerten.“ Natürlich gebe es auch Personen, die nur von Abzocke reden. Die Mehrheit aber, darunter in erster Linie die Anrainer, reagieren positiv auf die Auswirkungen der Boxen: „Fast alle fahren langsamer, wenn sie die Boxen erblicken.“ In der Gemeinde Partschins wird in der Regel zweimal pro Woche kontrolliert. Ausgeführt wird die Kontrolltätigkeit von der Stadt­polizei Meran, mit der die Gemeinde Partschins eine Konvention unterzeichnet hat. Wenn kontrolliert wird, ist es die Stadtpolizei Meran, welche die Boxen für die Dauer der Kontrollen mit Radargeräten ausstattet. Bezüglich Abzocke versichert Gögele, dass die Kontrollen damit überhaupt nichts zu tun haben. Die Kontrollen halten sich ebenso in Grenzen wie die Höhe der entsprechenden Bußgelder. An der Staatsstraße in Eyrs ­stoßen die Verkehrsteilnehmer auf zwei Speed-Check-Boxen. Eine weitere ist im Gewerbegebiet in Laas geplant. Die Reaktionen auf die Boxen sind laut Bürgermeister Andreas Tappeiner unterschiedlich. Während sich einige mit den Boxen nicht anfreunden können, „werden sie von den Menschen, die im Bereich der betroffenen Zonen wohnen, sehr begrüßt.“ Seitens des Gemeindepolizisten sei geäußert worden, dass sich der Verkehrsfluss teilweise zu sehr verlangsame, was wiederum ebenfalls nicht be­grüßenswert sei. Zurückzuführen sei dieses Phänomen darauf, dass nicht wenige Verkehrsteilnehmer nur mehr mit 40 km/h oder noch weniger unterwegs sind, und zwar aus Angst, das Limit von 50 km/h zu überschreiten und somit bestraft zu werden. In Prad treffen die Verkehrs­teilnehmer derzeit auf 3 Boxen. Eine steht im Tankstellen-Bereich an der östlichen Dorfeinfahrt, eine in der „Schmelz“ und eine bei Agums. Eine weitere Box soll ca. 150 Meter vor der Disco „Ladum“ aufgestellt werden. Bürgermeister Karl Bernhart wertet die bisherigen Erfahrungswerte als sehr positiv: „Schon allein aufgrund der Präsenz der Boxen wird langsamer gefahren. Positive Rückmeldungen gibt es vor allem seitens der Bürger, die entlang der Hauptstraße wohnen.“ Es gehe nicht darum, Geld zu ­machen, sondern darum, die Verkehrsbelastungen einigermaßen in den Griff zu bekommen und die Sicherheit zu erhöhen. Die Boxen allein reichen allerdings nicht, „es wird zusätzlich noch andere Maßnahmen brauchen, auch baulicher Natur.“ In der Gemeinde Graun sollen drei Boxen aufgestellt werden, und zwar in Reschen, in St. Valentin auf der Haide sowie im Bereich der Einfahrt nach Langtaufers in Graun. Dort soll außerdem im Zuge des geplanten Neubaus des Sitzes für das Weiße Kreuz sowie der Errichtung einer Erweiterungszone ein Kreisverkehr gebaut werden. Ein Allheilmittel sieht Heinrich ­Noggler in den Speed-Check-Boxen zwar nicht, „aber es ist besser, Boxen aufzustellen, als Kontrollen durchzuführen, bei denen die Ordnungshüter mit einem Geschwindigkeits­kontrollgerät irgendwo hinter einem Busch warten.“ Würden sich alle Verkehrsteilnehmer an die Tempolimits halten, bräuchte es keine Boxen. Dem sei aber leider nicht so. Der Bürgermeister verweist auch auf die Belastungen, zu denen der starke Durchzugsverkehr im Oberland führt. Zu teils großen Belastungen führt das starke Verkehrsaufkommen auch entlang der Passstraße auf das Stilfserjoch. Vor allem in den Sommermonaten spitzt sich die Lage zu. In Gomagoi wurde bereits eine Speed-Check-Box aufgestellt. Eine weitere könnte laut dem Stilfser Bürgermeister Hartwig Tschenett in Trafoi folgen, allerdings zu einem späteren Zeitpunkt, sprich nach der geplanten Neuverlegung der Trinkwasserleitung. Noch ungewiss ist, ob auch in Stilfser Brücke eine Box aufgestellt wird. Tschenett: „Wir wollen zunächst schauen, welche Erfahrungen wir mit der ersten Box in Gomagoi machen.“ Wie viele seiner Amtskollegen, verweist auch der Stilfser Bürgermeister darauf, dass es in punkto Speed-Check-Boxen sowohl Befürworter als auch Gegner gibt. In Schlanders werden zusätzlich zur Speed-Check-Box, die vor einiger Zeit an der neu gestalteten Einfahrt zum Geschäft Eurospar an der Staatsstraße angebracht wurde, zwei weitere Boxen aufgestellt. Eine westlich des Kreisverkehrs Holzbrugg auf der Höhe des dortigen Zebrastreifens, und eine im Bereich der ­Göflaner Kreuzung. Bürgermeister Pinggera hatte sich vor wenigen Wochen vor dem Gemeinderat dahingehend geäußert, „dass die Prävention funktioniert.“ Auch in der Gemeinde Schlanders gehe es keineswegs darum, Strafen einzuheben. „Einziger Sinn und Zweck ist es, mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten, speziell für Fußgänger.“ Auch in der Fraktion Kortsch ist darüber diskutiert worden, ob Boxen errichtet werden sollen. Wie Vizebürgermeister Reinhart Schwalt bestätigte, hat die ­„Groass ­Gmoan“ mehrheitlich beschlossen, dass in Kortsch vorerst keine Boxen aufgestellt werden. Allerdings in der Hoffnung, dass das bestehende Tempolimit eingehalten wird. Wie in fast allen anderen Dörfern gehen die Meinungen auch in Kortsch auseinander: für die einen sind die Boxen willkommen, für die anderen sind sie zu viel des Guten. Mit dem Wunsch, auch in Taufers im Münstertal eine Speed-Check-Box aufzustellen, ist die Bürgermeisterin Roselinde Gunsch Koch zwar mehrmals konfrontiert worden, „aber wir stellen vorerst keine auf, weil voraussichtlich noch heuer im Herbst mit dem ersten Baulos zur Umgestaltung der Straße begonnen wird.“ Gunsch Koch freut sich, dass die Arbeiten für das erste Baulos kürzlich vergeben wurden. Den Zuschlag bekam die Firma Mair. Das zweite Baulos scheine bereits im Landesbauprogramm 2017 auf. „Grundsätzlich er­achte ich Speed-Check-Boxen an Stellen, wo es Gefahrenpunkte gibt, für sinnvoll“, so die Bürgermeisterin. Zumal jetzt aber die Umgestaltung der Straße durch das Dorf ansteht, werde zunächst keine Box aufgestellt, „und außerdem soll nach der Umgestaltung ein Tempolimit von 30 km/h eingeführt werden.“ Im Haushalt der Gemeinde Naturns sind die Ausgaben für Boxen zwar schon vorgesehen, doch noch steht nicht fest, ob solche auch aufgestellt werden. Bürgermeister Andreas ­Heidegger: „Wir haben eine Firma beauftragt, das Verkehrsaufkommen an 8 Punkten entlang von Gemeindestraßen zu erheben und zugleich Geschwindigkeitsmessungen vorzunehmen. Die Erhebungen und Messungen beginnen demnächst. Sie werden eine Woche lang rund um die Uhr durchgeführt.“ Sobald die Ergebnisse vorliegen, wird sie der Gemeindeausschuss bewerten und anschließend entscheiden, ob überhaupt, wo und wie viele Boxen aufgestellt oder ob andere Maßnahmen gesetzt werden. Der Gemeinderat soll informiert bzw. miteingebunden werden. Kein Thema sind derzeit Speed-Check-Boxen in Martell. Bürgermeister Georg Altstätter: „Wir haben uns im Gemeinderat einstimmig auf Geschwindigkeitskontrollen geeinigt.“ Durchgeführt werden sollen die Radarkontrollen von Gemeindepolizisten der Nachbargemeinden. In Plaus sind derzeit auch keine Boxen geplant. „Wir möchten zunächst schauen, welche ­Erfahrungen andere Gemeinden mit Speed-Check-Boxen machen“, sagt Bürgermeister Jürgen Klotz. Vorerst keine Boxen aufstellen will auch die Gemeinde Latsch. Bürgermeister Helmut Fischer: „Wir appellieren an die Vernunft der Bürger, die zugelassenen Geschwindigkeiten nicht zu überschreiten.“ Außerdem sind Leuchttafeln vorgesehen, etwa in Goldrain, auf denen aufscheint, wie schnell man unterwegs ist. Sollten der Appell an die Vernunft und die Tafeln keine Wirkung zeigen, sind Boxen nicht ausgeschlossen. Damit liegt die Entscheidung laut Fischer im Endeffekt bei den Bürgern. Sollte sich die Gemeinde gezwungen sehen, Boxen aufzustellen, „darf man im Nachhinein nicht darüber schimpfen, dass man abgezockt wird.“ Unterschiedliche Meinungen zu den Boxen gibt es auch in der Gemeinde Mals. Bürgermeister Ulrich Veith brachte das Thema bei der jüngsten Fraktions­sitzung der SVP auf den Tisch. Entscheidungen sind in Mals noch keine gefallen. Allerdings gibt es zwei neuralgische Punkte, bei denen eine Box eventuell in Frage kommen würde: im Bereich der Schleiser Kreuzung sowie auf der Höhe des „Garberhofes“, wo viele Schüler die Straße überqueren. Bereits beschlossen ist, dass in Glurns zwei Boxen aufgestellt werden. Eine in der Malser Straße außerhalb der Stadtmauern und eine auf der Höhe der Sportanlage. Bürgermeister Luis Frank wertet die Boxen vor allem als Abschreckung: „Es geht nicht um das Abkassieren, sondern darum, das Problem des schnellen Fahrens in den Griff zu kriegen. Wären wir daran interessiert, zu Geld zu kommen, wäre es viel einfacher, viele Radarkontrollen durchzuführen.“ Dass viele Verkehrsteilnehmer das 50-km/h-Limit nicht ­beachten, ist laut Bürgermeister Karl Josef Rainer der Grund,­ ­warum auch in Schnals ­Boxen geplant sind, und zwar in Unser Frau und in Vernagt. Laut Rainer lasse sich schon mit freiem Auge beobachten, dass allgemein zu schnell gefahren wird, nicht zuletzt auch seitens der Lieferanten. Außerdem gebe es in Unser Frau und Vernagt relativ viel Durchzugsverkehr. In der Gemeinde Kastelbell- Tschars wird nur eine Box aufgestellt, und zwar in Tschars. „Die Gemeinde will keine Abzocke. Es geht schlicht und einfach darum, die Bürger zur Einhaltung der Spielregeln im Straßenverkehr zu bewegen“, sagt Bürgermeister Gustav Tappeiner. Er könne der ganzen Diskussion rund um die Speed-Check-Boxen nichts abgewinnen. Es handle sich rein um präventive Maßnahmen. Würden sich alle an das Tempolimit halten, käme man ohne Boxen aus. sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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