„Auch wir sind bedroht“
Pater Sebastian hat gerade eben die Temperatur abgelesen.

Pater Sebastian: „Auch wir sind bedroht“

Publiziert in 12 / 2007 - Erschienen am 4. April 2007
Klimawandel und Klimaschutz sind in aller Munde. Auch der Vinschgau kommt nicht ungeschoren davon, der Klimawandel bedroht uns. Dies sagt Pater Sebastian vom Kloster Marienberg in einem Gespräch mit dem „Vinschger“. Pater ­Sebastian zeichnet seit 37 Jahren das Wetter auf. Von Daniela di Pilla Stocker (dany) „Der Vinschger“: Wieso sind Sie auf die Idee gekommen, das Wetter aufzuzeichnen? Pater Sebastian: Ich habe das von meinem Vorgänger, Pater Dominikus Folgheraiter, übernommen. Der Abt hat mich 1995 damit beauftragt. „Der Vinschger“: Welchen Reiz finden Sie daran? Pater Sebastian: Nun, ich habe bereits vor 1995 das Wetter aufgezeichnet, 16 Jahre lang in Schlinig und dann in Platt in Passeier neun Jahre lang. Insgesamt sind es nun 37 Jahre. Ich mache es gerne. Wenn ich aufstehe, schaue ich zum Fenster hinaus und stelle fest, was es für ein Wetter gibt. Ich beobachte, ob es wieder windig ist. Bei uns im Obervinschgau ist es ja meistens windig. „Der Vinschger“: Wann und wie zeichnen Sie das Wetter auf? Pater Sebastian: Täglich um die gleiche Zeit, das heißt um 9 Uhr morgens. Ich begebe mich zur Wetterstation, entnehme das Thermometer, lese die Temperatur ab und schreibe sie auf, das Minimum des Tages und das Maximum des Vortages. Wenn es regnet, wird das Regenwasser in einem Messbehälter aufgefangen. Dann schütte ich dieses in einen eigenen Messzylinder, und ich kann die Milliliter ablesen und eintragen. Wenn es schneit, zeigt mir die Messlatte im Klostergarten die Höhe in Zentimeter an. Der Schnee, der in den Messbehälter fällt, wir auch noch einmal gemessen, sobald er geschmolzen ist. Wenn ich verhindert bin, muss ich mich darum kümmern, dass ein Mitbruder das Wetter aufzeichnet. „Der Vinschger“: Wo befindet sich die Wetterstation? Pater Sebastian: Im Klostergarten, von uns auch „Herrengarten“ genannt. „Der Vinschger“: Wohin kommen die Daten? Pater Sebastian: Am Ende des Monats werden sie nach Bozen zum Landeswetterdienst im Hydrographischen Amt geschickt. Dort werden sie ausgewertet. „Der Vinschger“: Können Sie anhand der Aufzeichnungen auch Wettervorhersagen erstellen? Pater Sebastian: Kaum, nein. Ich schaue auf die Berge, da gibt es Hinweise für einen Wetterumschwung zum Beispiel. Gewisse Anzeichen können gedeutet werden. Wenn die Berge Dunst- bzw. Nebel behangen sind, dann kommt Regen. Wenn der Wind geht, gibt es kaum Regen. Ach ja, ich muss auch Bemerkungen anfügen, ob es windig ist, ob es Wolkenfelder gibt. „Der Vinschger“: Was halten Sie vom Klimawandel und den derzeit geführten Diskussionen darüber? Pater Sebastian: Das Klima hat sich stark gewandelt in all den Jahren. Vor allem die Niederschlagsmenge ist erheblich gesunken. Waren es zum Beispiel laut meinen Aufzeichnungen 2001 noch 728,2 Milliliter, waren es 2006 nur mehr 498,5 Milliliter. Bekanntlich ist der Obervinschgau niederschlagsarm, es wird aber noch weniger. „Der Vinschger“: Wie bedroht sind wir wirklich? Pater Sebastian: Wir sind bedroht. Die Berichte über den Klimawandel und dessen Folgen sind nicht übertrieben. Ich fürchte, es ist schon zu spät, wenn wir erst jetzt etwas dagegen unternehmen. Ich bin überzeugt, dass wir schon viel früher mit dem Klimaschutz hätten beginnen müssen. Ich denke, dass die Wissenschaftler dies genauso vor 30, 40 Jahren gewusst hatten, aber der Wirtschaft zuliebe die Wirklichkeit verdeckt haben. Wenn die großen Staaten nicht mitmachen, USA, Russland und China, ja, wohin wird das dann noch führen? Alle müssen sich zusammensetzen und gemeinsam überlegen, die Wirtschaftler, die Wissenschaftler und die Touristiker. Auch die Landwirtschaft muss miteinbezogen werden. Ich frage mich auch, ob es zum Beispiel so viele Schneekanonen braucht. Die brauchen viel Energie und Wasser. Oder, wenn ich gegen den Himmel schaue, sehe ich die vielen Flugzeuge. Die fliegen mit billigem Kerosin, es bilden sich Kondensstreifen. Man kann bald die Wolkenfelder nicht mehr von den Kondensstreifen unterscheiden. „Der Vinschger“: Wie kann jeder Einzelne zum Klimaschutz beitragen? Pater Sebastian: Sparen, sparen, sparen: Energie sparen und Wasser sparen, auf erneuerbare Energien zurückgreifen. Sonnenkollektoren und Erdwärme sollten zum Beispiel besser genutzt werden. Wir haben nicht unbegrenzt Wasser, der Grundwasserspiegel sinkt. Ich würde eine Biogasanlage begrüßen. In Burgeis gibt es so viele Bauern, wieso gibt es keine Biogasanlage? Jeder Einzelne kann zum Klimaschutz beitragen. Die Windräder auf der Malser Haide sind nicht gerade schön, erzeugen aber eine saubere Energie.
Daniela di Pilla
Daniela di Pilla
Vinschger Sonderausgabe

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