Renato, der Sammler
„Alte Sachen“ aus dem Krieg und nicht nur
Auf die „Plalli“ und Abzeichen ist Renato besonders stolz.
Eine Flasche der einstigen Fürstenburger Bierbrauerei, die bis 1907 in Betrieb war.
Ein Stahlhelm aus den Jahren der „Ortlerfront“
Ein Hut aus der Zeit des SS-Polizei-Regimentes Schlanders
Neben Helmen und Mützen aus verschiedenen Epochen sammelt Renato noch viele andere Kriegsrelikte.
Historisches Bild der einstigen Grenze am Reschen.
Dieses Bild aus der Sammlung von Renato Ferrai zeigt die Mannschaft, die während des Ersten Weltkriegs die Passstraße auf der Stilfserjoch frei halten musste.

„Plalli“, Abzeichen und Kriegsrelikte

Seit Jahrzehnten sammelt Renato Ferrai allerhand „Interessantes“ aus längst vergangenen Zeiten.

Publiziert in 29 / 2019 - Erschienen am 3. September 2019

Tartsch - Wenn er als Busfahrer der SAD unterwegs ist, schaut er natürlich auf die Straße und achtet auf das Wohlergehen der Fahrgäste, denen er ab und zu auch ein „Zuggerle“ zusteckt, doch ein besonderes Auge hat Renato Ferrai immer auch für alte Häuser und Gebäude, die vor dem Abriss stehen. Er brennt geradezu danach, solche Gebäude vor dem endgültigen Verschwinden noch einmal zu betreten und sich nach Dingen umzusehen, die er seit Jahrzehnten sammelt und in seinem Haus in Tartsch sorgsam aufbewahrt. Die Sammelleidenschaft hat ihn schon als Kind gepackt. Angefangen hat alles auf einer Baustelle in Burgeis: „Dort habe ich meinen ersten ‚Plalli’ gefunden“, erzählt Renato dem der Vinschger. Auf drei weitere stieß er wenig später in St. Valentin. „Plalli“ nennt man im Vinschgau Medaillen Ehrenabzeichen, Ehrenplaketten, Anstecknadeln und dergleichen. Für die Aufbewahrung der vielen „Plalli“ hat Renato eigene Regale gezimmert. Zusätzlich zu den „Plalli“ hat er im Laufe der Zeit auch dazugehörige Dokumente und Schriftstücke gesammelt.

Abzeichen aus dem Jahr 1797

Besonders stolz ist Renato u.a. auf mehrere Medaillen aus dem Jahr 1797 mit der Aufschrift: „Den tapferen Verteidigern des Vaterlandes MDCCXCVII“. Wofür sich der leidenschaftliche Sammler, der in Burgeis aufwuchs und später in Tartsch sesshaft wurde, seit jeher besonders interessiert, ist die Zeit des Ersten Weltkriegs. Sein „Privatmuseum“ strotzt geradezu von Relikten aus den Jahren des Gebirgskrieges zwischen Österreich-Ungarn und Italien. Ein Teil der Front verlief zwischen 1915 und 1917 entlang der Ortler-Cevedale-Gruppe. Zusätzlich zu Kriegsausrüstungsgegenständen wie Helme, Waffen, Bajonette und Granaten hat Renato auch Briefe, Korrespondenzen, Bücher, Bekleidungsstücke, Feldflaschen und viele weitere persönliche Gegenständen von Soldaten dies- und jenseits der Front gesammelt. Nicht selten stieß er auch auf Flohmärkten sowie durch Freunde und Bekannte auf besondere Fundstücke. Einen Teil der Relikte fand er bei Wanderungen im ehemaligen Kriegsgebiet. Einen ganz speziellen Fund hatte er bereits vor Jahrzehnten zwischen der Schaubachhütte und dem „Kinimandl“ (Königsmandl) gemacht. Er entdeckte das Magazin einer schwedischen Muskete, das er zusammen mit anderen Funden schon mehrfach als Leihgabe für Ausstellungen zur Verfügung gestellt hat. Bei der Sonderausstellung „1918 - Königsspitze und Ortler“, die im Vorjahr im Vintschger Museum in Schluderns zu sehen war, konnten u.a. auch Leihgaben von Renato Ferrai besichtigt werden. Als 2006 der „Ortler-Sammlerverein Erster Weltkrieg“ aus der Taufe gehoben wurde, gehörte Renato zu den Gründungsmitgliedern. Eine Zeitlang arbeitete er auch im Vereinsvorstand mit.

„Muthiger Landesschütze“

Auf den 1. Mai 1874 geht ein originales „Dienstzeugniß“ der „Schludernser Schützenkompagnie“ zurück, mit dem das Bezirksgericht Glurns und die K.K. Bezirkshauptmannschaft bestätigen, dass ein Schludernser „den Feldzug … auf Kriegsschauplatze am Stilfserjoch mitgemacht, und sich als treuer, ehrenhafter und muthiger Landesschütze bewährt hat.“ Aus der Zeit des Ersten Weltkriegs besitzt Renato einen Dankesbrief des k.u.k. Kriegsministers. Darin wird den Kindern gedankt: „Ihr habt unserer Bitte, bei der Sammlung von Metallen für Kriegszwecke mitzuhelfen, in so beispielloser Weise entsprochen, daß wir alle über Eure Hingebungsfähigkeit, Euer Pflichtgefühl in der Erfüllung übernommener Aufgaben, vor allem aber die darin kundgewordene Liebe zu unserem schönen und ruhmreichen Vaterlande tief gerührt waren.“ Aber nicht nur „Kriegssachen“ sammelt Renato, sondern auch alte Dokumente, Aufzeichnungen, Sterbebilder und Schriften, die einen konkreten und anschaulichen Einblick in längst vergangen Zeiten verleihen. Auf viel „Material“ stieß er, als er ein altes Haus in Burgeis kurz vor dessen Abriss „besuchen“ konnte. Aus einem Sterbebild von Anton Kirchlechner, der 1897 gestorben ist, geht hervor, dass der Verstorbene „Bräuer zu Fürstenburg bei Burgeis“ war. Auch Bierflaschen der einstigen Fürstenburger Bierbrauerei, die bis 1907 betrieben wurde, nennt Renato sein eigen. Im Zuge seiner Sammlertätigkeit war er oft zusammen mit Johann Bruno Aondio aus Stilfs unterwegs, der im September 2017 gestorben ist. Wenn es darum geht, alte Texte zu transkribieren, „kann ich auf die Mithilfe von Othmar Pider zurückgreifen“, freut sich der Sammler. Dank seiner Leidenschaft und Begeisterung ist es dem SAD-Busfahrer auch geglückt, in den Besitz seltener Aufnahmen, Ansichtskarten und anderer Dokumente zu kommen. Auch von Robert Winkler aus Mals, dem „Lehrer Winkler“, der 2017 im Alter von 100 Jahren gestorben ist, hat Renato einiges „Material“ erhalten. 

Für die Nachwelt aufbewahren

Am materiellen Wert seiner Sammlung liegt Renato wenig: „Manche meinen zwar, dass das ein ‚Reichtum’ sei, aber dem ist nicht so. Mir geht es darum, die Welt der Vorfahren irgendwie festzuhalten, zu bewahren und für die Nachwelt zu erhalten.“ Natürlich besitze er einige Stücke, für welche manche Leute gerne bereit wären, „ordentlich Geld“ hinzulegen, „aber das ist nicht der Zweck.“ Was sich der Sammler wünscht, ist es, dass seine Leidenschaft auch an seine Kinder Martina und Tobias übergeht. Derzeit ist es darum nicht schlecht bestellt, denn einer der Kästen im „Museum“ ist einzig für die Fundstücke der Kinder reserviert. Sollten sie in Zukunft kein Interesse an der Sammlung haben, will sie Renato dem Landesarchiv überlassen. Wenn er von seinen Funden erzählt und von den Menschen und Geschichten, die dahinterstecken, wird ein Vormittag rasch so kurz wie eine Hühnerleiter. Nur Renato weiß, in welchem Kasten oder in welcher Schublade sich was befindet. Und wenn er einmal den Schlüssel zu einem der Kästen nicht findet, weiß seine Frau Michaela, wo er ist. Wo der Großteil der Fundstücke ohne Renato wäre, liegt auf der Hand: irgendwo im Müll.

Josef Laner
Josef Laner

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