Neuer Vorstoß für Erschließung der Dickeralm
Die Dickeralm.

„Rückbauen und nicht illegalen Waldweg fortsetzen“

Publiziert in 42 / 2007 - Erschienen am 28. November 2007
Naturns – Die vor Jahren heiß umstrittene und am Ende vom Verwaltungsgericht eingestellte Wegerschließung zur ­Dickeralm und zu den Padleidereggwäldern im Natura-2000-Gebiet „Pfossental im Naturpark Texelgruppe“ am Fuchsberg in Naturns kommt jetzt in Form einer Erschließungsvariante erneut auf den Tisch. Schon am 4. Dezember soll die Baukommission der Gemeinde Naturns über das Varianteprojekt befinden. Die Umweltschutzgruppe Vinschgau und der Dachverband für Natur- und Umweltschutz laufen Sturm. „Hier wurde vor Jahren in einem Natura-2000-Gebiet rücksichtslos ein Teilstück eines Weges errichtet. Wir sind strikt dagegen, dass die Erschließung jetzt fortgesetzt wird. Im Gegenteil, wir fordern den Rückbau des bisher errichteten Weges und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes“, bringen Peter Gasser und Rudi Maurer von der Umweltschutzgruppe ihre Meinung auf den Punkt. Die Vorgeschichte Das ursprüngliche Projekt, eingereicht vom Meliorierungskonsortium Fuchsberg, hatte vorgesehen, einen insgesamt über 5 Kilometer langen und 3,5 Meter breiten Waldweg zur Erschließung der Dickeralm, des Hühnerspielhofes sowie der Fuchsberg- und Padleidereggwälder am Fuchsberg zu bauen. Die Ermächtigung zur Durchführung der Arbeiten hatte das Forstinspektorat Meran am 12. November 2002 erteilt. Im März 2003 wurde das Projekt von der Landesabteilung Natur und Landschaft einer Begutachtung unterzogen und negativ beurteilt. Der Begutachter Anton Egger war zum Schluss gekommen, dass der Wald- und Almweg zu einer Lebensraumstörung, zu Isolationseffekten, zur Verinselung und in Folge zur Absenkung der Artenvielfalt führen würde. Eine intensivere Wald- und Almwirtschaft werde gefördert. Weiters führe auch eine intensivere Erholungsnutzung zur Störung und Beeinträchtigung der intakten Lebensräume. Außerdem seien massive Erdbewegungsarbeiten notwendig. Das Projekt sei mit den Hauptzielen eines Natura-2000-Gebietes, sprich mit der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie) sowie der Vogelschutzrichtlinie nicht vereinbar. Im Juni 2003 legte das Meliorierungskonsortium Fuchsberg mit Obmann Helmut Müller bei der Landesregierung Rekurs gegen die Ablehnung des Projektes seitens der II. Landschaftsschutzkommission bzw. seitens der Abteilung Natur und Landschaft ein. Für die Bauern am Fuchsberg sei es von großer Bedeutung, wenn die Almen weiterhin bewirtschaftet werden, sowie die darüber liegenden Wälder. Dies sei nur durch den Bau von Erschließungswegen möglich, argumentierte der Beschwerdeführer. Die Landesregierung nahm den Rekurs im Dezember 2003 teilweise an und ermächtigte den Bau eines Traktorweges. Im März 2004 stellte der zuständige Assessor (Referent) der Gemeinde Naturns, Helmuth Pircher, die Baukonzession für den Bau eines Erschließungsweges aus. Am 21. Mai 2004 wird das Projekt (Waldweg zur Dickeralm und zum Hühnerspielhof) vom Amt für Bergwirtschaft befürwortet und am 27. Mai 2004 erteilt Landeshauptmann Luis Durnwalder die provisorische Baugenehmigung für das 1. Baulos (Waldweg zur ­Dickeralm). Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz wandte sich an das Verwaltungsgericht. Ergebnis: Der bereits begonnene Bau des Weges wurde eingestellt. Detail am Rande: Weil man wenige Tage vor der Baueinstellung erfahren hatte, dass eine solche kommen könnte, soll das vor Ort tätige Baggerunternehmen angeblich rund um die Uhr gearbeitet haben, um den Weg möglichst weit voranzutreiben und so vollendete Tatsachen zu schaffen. Das Varianteprojekt Das Bodenverbesserungskonsortium Fuchsberg hat nun in der Person von Helmut Müller ein Varianteprojekt vorgelegt. Sämtliche Argumente „für eine Alm- und Walderschließung mittels Lkw bzw. Traktor“ sind in einem Dokument zusammengefasst. Es wird davon ausgegangen, „dass sämtliche gesetzliche Normen und Subventionszahlungen von Seiten des Landes, des Staates und der EU darauf abzielen, die Almwirtschaft in Südtirol, in den Naturparken sowie in den Natura-2000-Gebieten zu erhalten, und dass die Anliegen der Land- und Forstwirtschaft gleichermaßen zu bewerten sind wie die Anliegen des Naturschutzes.“ Auf der Dickeralm werden derzeit laut der erwähnten Dokumentation 29,4 Großvieheinheiten gealpt (11 Rinder sowie Kleinvieh). Die Almflächen sollten aufgewertet werden. Die Alm ist Privatbesitz des Dickhofbauers. Auch auf den Managementplan zum Naturpark wird verwiesen. Die Erschließung der Dickeralm, auch mit einer Forststraße, sei für die Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeit nach Einholung der notwendigen Ermächtigungen grundsätzlich genehmigungsfähig. Konkret sieht das Varianteprojekt zur Erschließung der Dickeralm und der Padleidereggwälder eine Erschließung aus einer Kombination von Traktor- und Lkw-Weg vor. So soll ein 1.850 Meter langer, 3,5 Meter breiter und Lkw-tauglicher Forstweg bis zum Lawinenstrich (1912 Höhenmeter) gebaut werden. Ab diesem Bereich soll bis zur Grenze der Almfläche (1970 Höhenmeter) ein 400 Meter langer und 2,5 Meter breiter Traktorweg errichtet werden. Letztes Verbindungsteilstück bis zur Alm: „Ein ebenfalls mit dem Traktor befahrbarer, vollständig begrünter und im Gelände ausgeformter Almweg.“ Für die Erschließung der Padleidereggwälder ist ein 1.372 Meter langer und 2,5 Meter breiter Traktorweg geplant. Auf den im alten Projekt vorgesehenen LKW-Weg zum Hühnerspielhof wird verzichtet. Am 25. Oktober hat ein Lokal­augenschein stattgefunden, an dem unter anderem Vertreter der Gemeinde Naturns, der zuständigen Landesbehörden sowie der Umweltverbände teilgenommen haben. Die Bedenken der Umweltschützer Beim Dachverband für Natur- und Umweltschutz und bei der Umweltschutzgruppe Vinschgau stößt auch das Varianteprojekt auf klare Ablehnung. Mehr noch: „Wenn man schon vor Jahren unter derartigen Umständen eine Wegschneise in diese sensible Landschaft geschnitten hat, ist es doch nahe liegend, dass man den bereits errichteten Weg zurückbaut und die Grundflächen der Natur zurückgibt, anstatt das Erschließungsprojekt jetzt in einer anderen Variante fortzusetzen“, sagt Peter Gasser, der Vorsitzende der Umweltschutzgruppe. Das Argument, wonach eine zeitgemäße Almbewirtschaftung ermöglicht werden müsse, lassen er und Rudi Maurer nicht gelten: „Wenn man die Almwirtschaft erhalten und stützen will, genügt es, die bereits bestehende Materialseilbahn den heutigen Bedürfnissen anzupassen.“ Es gebe Beispiele genug, die belegen, dass auch solche Almen gut bewirtschaftet werden können, zu denen „nur“ Materialseilbahnen führen, so etwa die Rifairer Alm oder die Paziner Alm. Im Naturpark Texelgruppe seien sowohl die Obisell-Alm als auch die Zielalm-Hütte vorbildlich saniert worden, und zwar ohne Weg. Was die Umweltschützer besonders befürchten, ist die Schaffung eines Präzedenzfalles: „Wenn der Weg tatsächlich gebaut wird, macht dieses Beispiel sicher Schule. Es gibt schon jetzt landesweit ein knappes Dutzend an ähnlichen Erschließungsvorhaben.“ Ihre Bedenken haben die Umweltschutzgruppe und der Dachverband bereits schriftlich der Baukommission der Gemeinde Naturns zukommen lassen. Dass ein Erschließungsweg vom Fuchsberg zur Dickeralm nicht zu rechtfertigen ist, hat Peter Ortner, der Obmann des Südtiroler Heimatpflegeverbandes, bereits im März 2003 öffentlich dargelegt. Ein solcher Erschließungsweg wäre ein „schwer wiegender landschaftlicher Eingriff.“ „Gemeinde steht hinter dem Varianteprojekt“ Der Naturnser Bürgermeister Andreas Heidegger wertet das Varianteprojekt als einen guten Kompromiss. Es werde einerseits den Interessen der Alm- sowie Wald- und Forstwirtschaft entgegen gekommen, und andererseits werde versucht, die Eingriffe in die Natur möglichst gering zu halten: „Die Erschließung des ­Hühnerspielhofes mit einem 1.000 Meter langen Lkw-Weg wurde gestrichen.“ Abstriche im Vergleich zum ursprünglichen Projekt gebe es auch bei der Erschließung der Dickeralm und Padleidereggwälder. Der Lkw-Weg ende auf der Höhe des Lawinenstrichs. Ab dort sei ein Traktorweg geplant und „beim letzten, rund 700 Meter langen Teilstück wird es sich um einen vollständig begrünten Almweg handeln.“ Andreas Heidegger erinnert auch daran, dass das ursprüngliche Projekt mit Ausnahme des negativen Gutachtens bezüglich der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie und der Vogelschutzrichtlinie von sämtlichen Instanzen genehmigt worden ist. Im Vergleich zum früheren Projekt sei mit dem Varianteprojekt versucht worden, die Eingriffe möglichst gering zu halten. Strenge Auflagen bezüglich der Nutzung des Weges sollen bereits von der Baukommission schriftlich festgelegt werden: „Dieser Weg darf nur von Personen befahren werden, die direkt mit der Alm- bzw. Forstwirtschaft zu tun haben.“
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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