„Inser Brot“
Vom Kornfeld auf den Tisch
Rund 70 kg Bio-Winterrogen wurden auf dem Grundstück neben der Schule in Göflan gesät; links Karl Perfler, rechts Leonhard Wellenzohn.
Die Kinder der Grundschüler Göflan halfen bei der Aussaat fleißig mit.
„Roggenvollkornbrot ist ein exzellenter Nährstofflieferant“, sagte Karl Perfler.

Säen auf Äckern und Säen in Köpfen

Karl Perfler will den Getreideanbau im Vinschgau neu beleben. „Der Getreideanbauer, der Bäcker, der Kaufmann und der Konsument sind die 4 tragenden Säulen.“ 

Publiziert in 38 / 2020 - Erschienen am 5. November 2020

Göflan/Vinschgau - Träumer und Visionäre sind selten gestreut. Noch rarer sind Menschen, die ihre Vision nicht nur predigen, sondern selbst die Ärmel hochkrempeln, um ihren Traum zu verwirklichen. Zu diesen wenigen Exemplaren gehört der „Karl von der Tschenglsburg“, wie Karl Perfler von allen, die ihn kennen, genannt wird. Zu seinen größten Träumen gehört die Wiederbelebung des Getreideanbaus im Vinschgau. Der Vinschgau war viele Jahrhunderte lang die Kornkammer der Alpentäler. Das kam nicht von ungefähr, denn im größten Trockental Südtirols wuchs trockenes Getreide, „und trockenes Getreide ist gesundes Getreide“, sagte Karl Perfler am 29. Oktober vor den 32 Kindern und den Lehrpersonen der Grundschule Göflan. Die Schulgemeinschaft hatte sich in unmittelbarer Nähe der Schule auf einer frisch bearbeiteten Wiese, wo bis vor kurzem noch Apfelbäume standen, zu einer besonderen Stunde eingefunden. 

Trockenes Getreide ist gesundes Getreide

Mit einfachen Worten erklärte Karl Perfler den Kindern, was es mit der Vision „Inser Brot“ auf sich hat. Er erinnerte an die einstige Bedeutung des Vinschgaus als Kornkammer. Jetzt gehe es darum, „unseren ursprünglichen Reichtum neu zu entdecken.“ Dass das „Vinschger Paarl“ bekannter sei als der Vinschgau selbst, sei kein Zufall. Vor allem das Roggenvollkornbrot sei eine Kostbarkeit: „Durch die spezielle Zusammensetzung seiner Ballaststoffe hält Roggenbrot länger satt und ist als tolle Mineralstoffquelle super gesund. Ballaststoffreiches Brot schützt vor Verstopfung und Gallensteinen und wirkt sich positiv auf die Cholesterin- und Blutzuckerwerte aus.“ Außerdem sei Roggenvollkornbrot ein exzellenter Nährstofflieferant. Nicht lange gezögert haben die Kinder, als sie von Karl Perfler und dem Biobauer Leonhard Wellenzohn gebeten wurden, bei der Aussaat mitzuhelfen. Rund 70 Kilogramm zertifizierter Bio-Winterroggen, eingekauft bei Erich Primisser in Prad, wurden auf dem rund 3.000 Quadratmeter großen Grundstück angesät.

Kinder helfen bei der Aussaat mit

Leonhard Wellenzohn, der Pächter der Grundfläche, freute sich, dass die Wiese nun für ein Jahr zu einem Roggenfeld wird. Einen besonderen Dank zollte er der Familie Werner Kuntner, der das Grundstück gehört und die es ebenfalls begrüßt, dass die Wiese nun vorübergehend in einen biologischen Acker umgewandelt wurde. Worte des Dankes kamen auch von der Grundschulleiterin Doris Marx. Mit dieser Initiative sei es nicht nur gelungen, den Kindern während der derzeitigen Corona-Krise etwas Besonders zu bieten, sondern sie auch auf den Wert und die Bedeutung regional erzeugter Lebensmittel aufmerksam zu machen. Die Kinder werden „ihren“ Acker jetzt im Auge behalten. Sie werden sehen, wie der Roggen gedeiht und sie werden mithelfen, wenn er im Juli 2021 geerntet wird. Als Dankeschön für die Mithilfe bekamen die Kinder je ein „Vinschger Paarl“.

Zahl der Kornfelder wächst

Die Initiative in Zusammenarbeit mit Leonhard Wellenzohn, der Familie Kuntner und der Grundschule Göflan ist nur eine von vielen, die Karl Perfler mittlerweile angestoßen hat. „Es gibt im Vinschgau derzeit 64 Kornfelder. Mein Traum ist es, dass diese Zahl in 5 Jahren auf rund 500 steigt“, so der Visionär. Das Projekt „Inser Brot“ läuft übrigens seit dem 14. Juli. Seither verlässt Karl Perfler an allen Werktagen um 4 Uhr die Federn, um „Vinschger Paarlen“ an mehrere Geschäfte auszuliefern. Er legt dabei jeweils rund 160 Kilometer zurück. Für ihn beginnt der Vinschgau auf dem Reschen und endet in Naturns. Der Tag der Aussaat in Göflan war der 92., an dem er „Vinschger Paarlen“ aus ausschließlich Vinschger Getreide zu folgenden Geschäften brachte: Verena Folie in Reschen, Mary in Graun, Haidepark in Burgeis, Weirather in Mals, Pinggera in Schluderns und in Prad, Maxi Team in Glurns, Rungg in Prad und in Schlanders, Dorfladele in Tschengls, Konsum und Despar Kofler in Laas, Stoffladen Barbara in Kortsch, Despar Kofler in Latsch und Unterthurner in Naturns. Das Brot aus Natursauerteig wird in der Backstube Angerer in St. Valentin a.d.H. von Günther Angerer gebacken. Die Paarlen bestehen zu 70% aus Vollkornroggen, zu 28% aus Vollkorndinkel und zu 2% aus Vollkorngerste. „Bisher sind noch keine unserer Partner ausgestiegen“, freut sich Karl und wertet das als Zeichen dafür, dass eine Rückkehr der Kornkammer im Vinschgau tatsächlich möglich ist.

Vier tragende Säulen

Das Projekt „Inser Brot“ baut auf 4 Säulen auf, nämlich auf die Getreideanbauer, die Bäcker, die Kaufleute und als wertvollste Säule auf die Konsumentinnen und Konsumenten. Im Gegensatz zum Projekt „Regiokorn“ funktioniert der Kreislauf von „Inser Brot“ ohne öffentliche Beiträge. Karl: „Mit 2 Euro pro Kilogramm Roggen können wir den Getreidebauern einen würdigen Preis zahlen und sie so für den Anbau von Getreide begeistern.“ Die Menschen für das zu begeistern, was sie vor Ort haben, gehört zu seinen Schlüsselaufgaben. Karl Perfler ist in diesem Sinn auch ein geistiger Sämann. In der Corona-Krise sieht er neben allen negativen Auswirkungen auch eine Chance: „Vielen Menschen wurde in den vergangenen Monaten bewusst, wie wichtig es ist, auf regionale und gesunde Lebensmittel zurückgreifen zu können.“

„Brot“ für die Seele

Dasselbe gelte auch für die Seele: „Wenn Menschen, besonders psychisch angeschlagene Menschen, das Gefühl bekommen, dass ein Weg, ein Ausweg entsteht, der liebgewonnene Bilder wieder entstehen lässt, der ein Gefühl innerer und äußerer Zufriedenheit vermittelt, dann werden auch die seelischen Probleme vermindert werden“, schrieb Perfler in einem Brief, in dem er seinen Traum vorstellte und den er nicht nur an 100 ausgewählte Verkaufsstellen zwischen Reschen und Töll geschickt hat, sondern auch an verschiedene Persönlichkeiten im Land, so u.a. an Bischof lvo Muser, an Landeshauptmann Arno Kompatscher sowie an die Landesräte Arnold Schuler, Philipp Achammer, Waltraud Deeg, Maria Hochgruber Kuenzer und Thomas Widmann. „Wenn wir ‚Unser tägliches Brot gib uns heute’ beten, denken wir dabei kaum daran, was wir beten und um was wir bitten. Es gibt kein ‚unser Brot’, wenn wir unsere eigenen Möglichkeiten verleugnen und uns gedankenlos dem Weltmarkt ausliefern“, heißt es im Schreiben. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, „wie wertvoll eigene Nahrungsmittel sind und wie wohltuend es ist, wenn wir die großzügigen Angebote von Mutter Erde in unserem Tal, in unserer Heimat, annehmen und nützen.“

Der Weg geht weiter

Karl Perfler wäre nicht Karl Perfler, hätte er nicht schon weitere Visionen und Projekte in petto: „Wir werden bereits im November mit der Produktion von Nudeln aus Vinschger Getreide beginnen.“ Und um die „Vinschger Paarlen“ auch mit Düften aus dem Tal zu bereichern, ist in Zusammenarbeit mit Kräuter- und Teeanbauern ein weiteres Projekt geplant, also ein zusätzlicher Baustein auf dem Weg in eine neue Zukunft des Vinschger Korns. Klar ist für Karl, „dass wir nur gemeinsam ans Ziel kommen.“ Alle sollten daran arbeiten, „dass ein Wandel entsteht, in der Geisteshaltung ebenso wie im Tun.“

Josef Laner
Josef Laner

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