„Wir haben eine sehr aktive Bürgerschaft“
Bürgermeister Ulrich Veith

„Schaug af inz Kloane und hob koa Ongst vor di Groaße“

Publiziert in 7 / 2015 - Erschienen am 25. Februar 2015
Seit 2009 „regiert“ in Mals das Volk. Bürgermeister Ulrich Veith will erneut antreten. Bürgerbeteiligung umfasst viel mehr als „nur“ Volksabstimmungen. Mals - Die Bürger zum Mitreden, Mitentscheiden und Mitgestalten zu motivieren, sie ernst zu nehmen und Entwicklungen dann auch zuzulassen. Das ist das große politische Credo von Ulrich Veith, der 2009 zum Bürgermeister der Gemeinde Mals gewählt wurde. Nie vergessen hat Veith einen Satz, den ihm eine Frau aus Tartsch unmittelbar nach der Wahl mit auf den Weg gegeben hatte: „Schaug af inz Kloane und hob koa Ongst vor di Groaße“ der Vinschger: Herr Veith, schon vor den Wahlen 2009 haben sie Transparenz und Bürgerbeteiligung als große Ziele ihres politischen Wirkens formuliert. Konnten Sie diese Ziele umsetzen? Ulrich Veith: Ich glaube schon. In keiner anderen Gemeinde in Südtirol lässt die Satzung und die Verordnung so viel Bürgerbetei­ligung zu wie hier bei uns. Das ist gut so und hat sich ausgezeichnet. Zur Bürgerbeteiligung gehört allerdings viel mehr als „nur“ Volksabstimmungen. Wir haben eine sehr aktive Bürgerschaft. Es ist beeindruckend zu sehen, wie viel Eigeninitiative und Engagement Bürgerinnen und Bürger unserer Gemeinde an den Tag legen. Wir als Verwalter nehmen die Anliegen der Bürger ernst und lassen sie mitgestalten und mitarbeiten. Wurde das von Anfang an so gehandhabt? Wir haben die Bürger im Hauptort und in allen Fraktionen bereits beim Erstellen der Programme mit eingebunden. Bei Versammlungen, die Bernd Karner und sein Team moderierten und leiteten, kamen all jene Themen aufs Tapet, die den Leuten tatsächlich unter den Nägeln brannten. Wir legten dann gemeinsam Prioritäten fest und machten uns gemeinsam an die Umsetzung. Hat es mit der Umsetzung dieser Prioritäten dann auch geklappt? Zum Großteil ja, obwohl zu Beginn viele gesagt haben: das geht nicht, das ist nicht realistisch. Können Sie konkrete Beispiele nennen? Ich denke zum Beispiel an den Bau des Musikprobelokals in Matsch. Wir haben dieses Projekt zusammen mit den Leuten vor Ort, mit den Vereinsvertretern und Planern umgesetzt. Ähnlich war es beim Bau der Umkleidekabinen beim Sportplatz in Mals, bei der Dorfplatzgestaltung in Schleis und bei vielen anderen Projekten. Die Ergebnisse sind besser, wenn die Bürger aktiv mitarbeiten und diese übernehmen zugleich Verantwortung im Interesse ihres eigenen Dorfes und ihrer eigenen Gemeinde. Es gab aber auch umstrittene Projekte, wie etwa die Fußgängerzone. Schon vor 27 Jahren war die Verkehrsberuhigung im Hauptort ein Thema. Wir als neue Verwaltung haben uns dazu durchgerungen, endlich konkrete Maßnahmen zu setzen. Gegner gab es damals und gibt es zum Teil auch heute noch. Aber auch bei der Einführung der Fußgängerzone waren viele Bürger aktiv mit dabei, Kaufleute ebenso wie Familien, Wirte und Betriebsinhaber. Wenn man das Zentrum von Mals heute betrachtet, kann man sagen, der Erfolg gibt uns Recht. Die Schaffung einer möglichst energieautarken Gemeinde war ein weiteres Ziel der neuen Verwaltung. Auch in diesem Bereich sprechen die Zahlen und Fakten für sich. Es wurden sieben Kraftwerke gebaut, ein achtes steht vor der Umsetzung. Bei den Trinkwasserkraftwerken wurden zugleich auch die Leitungsnetze erneuert. Auf den Dächern gemeindeeigener Gebäude haben wir 13 Photovoltaikanlagen errichtet. Der Bau eines neuen Fernheizwerks für den Hauptort ist für heuer vorgesehen. Im Bereich der Stromproduktion haben wir von 2009 bis 2015 von ca. 5 auf nunmehr über 35 Millionen kWh zugelegt, obwohl die Produktion der Windräder nicht mehr zu Verfügung steht. Wir erzeugen jetzt in etwa das Doppelte an elektrischer Energie, als im Gemeindegebiet verbraucht wird. Tut das auch der Gemeindekasse gut? Ja natürlich, und zwar nicht nur dem Haushalt der Gemeinde, sondern auch jenen der Frak­tionsverwaltungen. Es war uns immer ein Anliegen, die Fraktionen direkt an der Stromproduktion zu beteiligen. Einzig über die Höhe gab es unterschiedliche Sichtweisen. Zurzeit ist es so, dass der Gemeinde und den Fraktionen pro Jahr insgesamt ca. 2,5 Millionen Euro aus der Stromproduktion zufließen. Nicht zu vergessen ist auch die Wertschöpfung für die lokale Wirtschaft. Ein Großteil der Hoch- und Tiefbauarbeiten im Zuge der Errichtung der Kraftwerke wurde von heimischen Betrieben ausgeführt. Was unternimmt Ihre Gemeinde in punkto leer stehende Bausubstanz? Wir bieten schon seit Jahren eine kostenlose Beratung für die Bürger an und versuchen gleichzeitig darauf hinzuweisen, wie angenehm und vorteilhaft das Wohnen in Dorfkernen sein kann. Zusätzlich dazu haben wir die Baukosten- und Erschließungsabgaben für das Bauen im Bestand extrem reduziert. Das zeigt Wirkung. Im Dorfkern von Mals entsteht zurzeit an verschiedenen Standorten Wohnraum für 16 Familien. Je mehr Leute in den Dörfern wohnen, umso lebendiger und frequentierter werden die Ortskerne. Es entsteht neues Leben. Für Private ist es manchmal aber unmöglich, bestimmte Gebäude selbst zu nutzen. In solchen Fällen liegt es an der Gemeinde, nach Lösungen zu suchen. Als jüngstes Beispiel nenne ich das Hafner-Haus am Hauptplatz von Mals, das die Gemeinde ankaufen möchte, um es in eine Jugendherberge umzugestalten. Damit schlagen wir mehrere Fliegen auf einen Streich. Ein denkmalge­schütztes Gebäude wird saniert, der Hauptplatz aufgewertet und eine Jugendherberge belebt das Dorf und den Tourismus. Apropos Tourismus: Welchen Stellenwert nimmt dieser in der Gemeinde Mals ein? Zweifellos einen sehr großen, wobei das Potential noch nicht ausgeschöpft ist. Der Vinschgau hat sich für den Weg eines sanften Tourismus entschieden. Eine gute Entscheidung. Wir wollen nicht die großen Massen, sondern Gäste, die gezielt und überzeugt zu uns kommen. Sie wissen, was der Vinschgau zu bieten hat. Touristische Infrastrukturen sind aber auch immer mit Kosten verbunden, Stichwort Watles, Schlinig oder Sportanlagen. Wir haben in diesem Bereich sozusagen das Glück, dass die Strukturen, in die wir investieren, immer auch unseren eigenen Leuten zugute kommen. Das gilt für viele Bereiche. Für die Aufstiegsanlagen am Watles ebenso wie für Schlinig, für Waalwege, die wir instand setzen, für Radwege, öffentliche Verkehrsanbindungen oder für das Hallenbad. In dieses wird heuer übrigens eine Mio. Euro investiert, eine weitere in den nächsten Jahren. Vom Tourismus zur Politik: Wie war bzw. ist das Verhältnis zwischen der SVP und der Opposition im Gemeinderat? Einige Vertreter der Opposition haben mich positiv überrascht, andere negativ. Es gehörte nie zum Stil unserer Verwaltung, Vorschläge nur deshalb abzu­lehnen, weil sie von der Opposition kommen. Es gibt aber leider Oppositionsvertreter, die aus Prinzip gegen alles sind, sich anderweitig aber überhaupt nicht einbringen. Andere hingegen arbeiten aktiv mit und erreichen dadurch viel mehr. Ein Kapitel, das Ihre Tätigkeit seit Jahren überschattet und mit dem sich auch die Gerichtsbehörde befasst ist, ist jenes Ihrer Sozialabgaben. Man wirft Ihnen Betrug und Aneignung öffentlicher Geldmittel vor. Zu diesem Thema kann ich nur erneut beteuern, dass ich von Anfang an in vollster Transparenz gehandelt und den Gemeinderat immer über alles informiert habe. Als ich mein Amt antrat, wusste ich nicht, dass ein Bürgermeister nicht sozial abgesichert ist. Hätte ich es gewusst, hätte ich meine Arbeit in der Schweiz sicher nicht gekündigt. Dass man mir geraten hat, mich im Geschäft meines Bruders anstellen zu lassen, wobei die Gemeinde die Sozialabgaben bezahlt, war vielleicht falsch. Das wussten damals aber weder meine Berater noch ich. Was mir an dieser ganzen Geschichte weh tut, ist der Vorwurf des Betrugs. Dagegen werde ich mich bis in die letzte Instanz wehren. Der finanzielle Aspekt ist für mich, sogar für den Fall, dass ich die Sozialabgaben der letzten Jahr selbst bezahlen muss, nebensächlich. Allerdings sollen die Leser wissen, dass in einem solchen Fall meine Amtsentschädigung 950 Euro netto pro Monat betragen würde. Keine angemessene Entschädigung für die viele Arbeit und große Verantwortung. Darum habe ich im Juli 2014 eine Teilzeitarbeitsstelle angetreten. Zuerst bei meinem Bruder und seit Anfang des Jahres bei der Stiftung Pro Kloster St. Johann in Müstair. Ich bin ehrlich gesagt froh, jetzt sozial abgesichert zu sein. Das macht mich unabhängig von der Politik und gibt mir Sicherheit. Es braucht allerdings niemand Angst zu haben, dass mein Einsatz für die Gemeinde darunter leiden wird. Trotz meiner neuen Arbeit war ich beispielsweise im Januar im Durchschnitt über 7 Stunden pro Tag als Bürgermeister im Einsatz. Stehen Sie für eine erneute Bürgermeister-Kandidatur auf der SVP-Liste zur Verfügung? Ja. Ich möchte weiterhin für meine Gemeinde arbeiten. Zu entscheiden hat das natürlich das Volk. Für internationale Schlagzeilen sorgte und sorgt noch immer die Volksabstimmung zum Verbot bestimmter Pestizide. Auch hierzu ist meine Position klar. Es geht um das Thema Gesundheit. Die Bürger haben das Recht, zu Themen wie diesen ihre Meinung zu sagen und ihre Wünsche zu äußern. Dass ein eindeutig geäußerter Volkswille nicht nur ernst zu nehmen, sondern im Sinne der Gemeindesatzung und der Bestimmungen bezüglich der Bürgerbeteiligung auch umzu­setzen ist, steht für mich außer Frage. Es geht aber auch um den Schutz der Vielfalt in der Landwirtschaft. Die klimatischen Verhältnisse in der Gemeinde Mals lassen neben dem konventionellen Obstbau einem Grünland- oder Bio-Bauern keine faire Grundlage des Wirtschaftens. Ihnen wird Schaden zugefügt und interessante Entwicklungen werden eingebremst. Das ist ungerecht. Allein im Vorjahr wurde die Gemeinde Mals mit zwei Auszeichnungen geehrt. Sie erhielt den Europäischen Dorferneuerungspreis in der Kategorie „ganzheitliche, nachhaltige und mottogerechte Dorfentwicklung von herausragender Qualität“ sowie die Auszeichnung „Kinderfreundliche Gemeinde 2014“. Was bedeuten diese Auszeichnungen für Sie? Das sind Auszeichnungen, die uns sehr freuen, die Richtigkeit unseres Wegs bestätigen und Energie für neue Projekte geben. Verdient haben sie vor allem die vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger und unsere motivierten Mitarbeiter. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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